Rich­ti­ge Ent­schei­dun­gen tref­fen: Wie nach­hal­ti­ge Unter­neh­mens­ak­ti­vi­tät bewerten?

Diese Taste gibt es noch nicht - aber Regeln für Nachhaltigkeitsberichte von Unternehmen © ArtemSam / iStock /GettyImages

Wis­sen­schaft­lich ist es lan­ge belegt. Und es ist auch voll­ends in Poli­tik und Wirt­schaft ange­kom­men: Wenn wir künf­ti­gen Gene­ra­tio­nen sta­bi­le und intak­te Lebens­grund­la­gen über­las­sen wol­len, müs­sen wir unser Wirt­schaf­ten inner­halb der pla­ne­ta­ren Belast­bar­keits­gren­zen aus­rich­ten. Wir müs­sen den Aus­stoß von Treib­haus­ga­sen, Res­sour­cen­ver­brauch, Land­nut­zung, Was­ser­res­sour­cen und ande­re Öko­sys­tem­leis­tun­gen so regu­lie­ren, dass loka­le und pla­ne­ta­re Belas­tungs­gren­zen ein­ge­hal­ten wer­den. Nur dann blei­ben Öko­sys­te­me intakt. Dann tau­en Per­ma­f­rost­bö­den nicht auf, blei­ben Wäl­der erhal­ten und Gewäs­ser gesund und sta­bil. Und nur dann kann die Mensch­heit wei­ter­hin aus­rei­chend Essen pro­du­zie­ren und sich auf siche­ren Lebens­raum ver­las­sen. Nur so sichern wir unse­re Existenzgrundlage.

PLANETARE BELASTBARKEITSGRENZENWAS IST DAS?

Das Kon­zept der pla­ne­ta­ren Belast­bar­keits­gren­zen erhielt in den ver­gan­ge­nen Jah­ren viel Auf­merk­sam­keit von Fach­welt, Poli­tik und Zivil­ge­sell­schaft. Es geht auf Wissenschaftler:innen vom Stock­holm Resi­li­ence Cent­re zurück. Sie for­mu­lie­ren dar­in für neun wesent­li­che natür­li­che Sys­te­me und Pro­zes­se “pla­ne­ta­re Belast­bar­keits­gren­zen”. Ihre letz­te Bewer­tung aus dem Jahr 2015 wies für vier der bewer­te­ten Pro­zes­se und Sys­te­me eine Über­schrei­tung der Grenz­wer­te aus:

1) Kli­ma­wan­del

2) Intak­te Biosphäre

3) Land­nut­zungs­wan­del

4) Bio­geo­che­mi­sche Flüsse

Der Sta­tus der Über­nut­zung kann sich aller­dings auch wie­der nor­ma­li­sie­ren, was am Bei­spiel der Ozon­schicht beob­ach­tet wurde.

Bericht­erstat­tung für mehr unter­neh­me­ri­sche Nachhaltigkeit

Um unser Wirt­schaf­ten so umzu­stel­len, dass es inner­halb der pla­ne­ta­ren Belast­bar­keits­gren­zen funk­tio­niert, müs­sen Ver­ant­wort­li­che in Unter­neh­men rich­ti­ge Ent­schei­dun­gen tref­fen. Es ist nicht neu, dass Unter­neh­men über Nach­hal­tig­keits­aspek­te berich­ten. Denn auf Basis aus­sa­ge­kräf­ti­ger Daten und Infor­ma­tio­nen kann ein Unter­neh­men trans­pa­rent sei­ne Nach­hal­tig­keits­stra­te­gie ver­bes­sern. Mit­hil­fe rele­van­ter und trans­pa­ren­ter Nach­hal­tig­keits­in­for­ma­tio­nen kön­nen Investor:innen und Finanzierer:innen prü­fen, ob die Unter­neh­mens­pra­xis den eige­nen Erwar­tun­gen an Nach­hal­tig­keit ent­spricht. Poli­tik und Zivil­ge­sell­schaft sind in der Lage, die Nach­hal­tig­keits­per­for­mance von Unter­neh­men zu ver­glei­chen und zu kon­trol­lie­ren. Für alle Akteu­re sind Infor­ma­tio­nen also die Basis, um auf Ver­bes­se­run­gen ein­zu­wir­ken. Doch was genau soll­ten Unter­neh­men wie offenlegen?

Gro­ße Qua­li­täts­un­ter­schie­de in den Regelwerken

Ver­schie­de­ne Orga­ni­sa­tio­nen, Initia­ti­ven und poli­ti­sche Akteu­re haben Vor­schlä­ge und Regel­wer­ke zur Ver­bes­se­rung und für mehr Ver­gleich­bar­keit von Nach­hal­tig­keits-Bericht­erstat­tung ent­wi­ckelt. In aktu­el­len Pro­zes­sen ent­schei­det sich nun, wel­che davon zu einem akzep­tier­ten neu­en Stan­dard wer­den. Die Kon­zep­te für die Regel­wer­ke unter­schei­den sich teil­wei­se enorm, vor allem in fol­gen­den Punkten:

Umfang: Eini­ge beleuch­ten nur Kli­ma­wir­kung, ande­re alle Umwelt­aspek­te und wie­der­um ande­re zusätz­lich auch sozia­le Aspek­te. Auch im Detail­grad unter­schei­den sie sich stark.

Zweck: Man­che rich­ten sich an Investor:innen, ande­re an die brei­te Öffent­lich­keit und wie­der ande­re sind für die inter­ne Steue­rung entwickelt.

Inhalt­li­che Aus­rich­tung: Die meis­ten Metho­den legen nur dar, wie Schutz­gü­ter beein­träch­tigt wer­den und neh­men damit eine Stich­tags-Per­spek­ti­ve ein. Nur eini­ge weni­ge Ein­schät­zun­gen berück­sich­ti­gen expli­zit und schwer­punkt­mä­ßig Zie­le, Ver­bes­se­rungs­stra­te­gien und Maßnahmenpläne.

Ambi­ti­on: Not all tar­gets are crea­ted equal. Nach­hal­tig­keits­zie­le müs­sen sich an den Schutz­gü­tern aus­rich­ten, nicht der eige­nen Per­for­mance des letz­ten Jah­res oder der eines Wettbewerbers.

Ver­pflich­tungs­grad: Man­che sind ver­pflich­tend, ande­re freiwillig.

Pla­ne­ta­re Gren­zen müs­sen in den Mittelpunkt

Wir müs­sen sicher­stel­len, dass nur Ansät­ze zur neu­en Norm wer­den, die auf Wirk­sam­keit aus­ge­rich­tet sind. Effek­ti­ve Nach­hal­tig­keits­be­richt­erstat­tung, die rele­van­te Infor­ma­tio­nen erzeugt, muss immer die Aus­wir­kun­gen auf die pla­ne­ta­ren Gren­zen – gegen­wär­tig und mit einer rele­van­ten zeit­li­chen Per­spek­ti­ve – zen­tral berück­sich­ti­gen. So kann sicher­ge­stellt wer­den, dass eine unter­neh­me­ri­sche Akti­vi­tät inner­halb der pla­ne­ta­ren Trag­fä­hig­keit statt­fin­det. Auch kann erkannt wer­den, wo die­se – gege­be­nen­falls tem­po­rär – über­schrit­ten wird oder dies zu tun droht. Nur so kann eine Dis­kus­si­on zur Rück­kehr in den Bereich der Trag­fä­hig­keit geführt und auf Maß­nah­men über­setzt werden.

Wis­sen­schaft­lich fun­dier­te Berichterstattung

Bericht­erstat­tung, die sich auf die pla­ne­ta­ren Gren­zen bezieht, ist immer wis­sen­schaft­lich-fun­diert und zukunfts­ge­rich­tet. Sie muss objek­tiv erkennt­lich machen, wie unter­neh­me­ri­sche Akti­vi­tä­ten (z. B. Aus­stoß von Treib­haus­ga­sen oder die Nut­zung von natür­li­chen Res­sour­cen) im Kon­text glo­ba­ler Leit­plan­ken ein­zu­ord­nen ist. Grund­la­ge dafür ist immer ein wis­sen­schaft­lich-fun­dier­ter, gesell­schaft­lich-man­da­tier­ter Ori­en­tie­rungs­rah­men. Für Kli­ma bei­spiels­wei­se stellt die Ein­hal­tung des 1,5‑Grad-Limits ent­lang sek­to­ra­ler, regio­na­ler und zeit­lich auf­ge­lös­ter Trans­for­ma­ti­ons­pfa­de, einen sol­chen Rah­men dar. Die Fol­gen der Über­schrei­tung sind wis­sen­schaft­lich ana­ly­siert, und die Gren­ze von der Gesell­schaft gezo­gen (Paris Agreement).

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Bericht­erstat­tung muss sich dar­auf bezie­hen und erklä­ren, wie die Unter­neh­mens­per­for­mance hin­sicht­lich die­ses Limits und der erfor­der­li­chen Ent­wick­lun­gen ent­lang von Trans­for­ma­ti­ons­pfa­den und abge­lei­tet aus kohä­ren­ten Model­len und Sze­na­ri­en ein­zu­ord­nen ist. Es gilt also: Bei der Bericht­erstat­tung müs­sen einer­seits die aktu­el­len Aus­wir­kun­gen der und ande­rer­seits die ange­streb­ten Ver­bes­se­run­gen durch unter­neh­me­ri­sche Akti­vi­tät wis­sen­schaft­lich kor­rekt mit den pla­ne­ta­ren Gren­zen in Bezug gesetzt werden.

Zukunfts­ge­rich­te­te Berichterstattung

Die Mehr­zahl von Geschäfts­mo­del­len, Tech­no­lo­gien und pro­du­zier­ten Gütern ist heu­te nicht im Ein­klang mit den pla­ne­ta­ren Trag­fä­hig­kei­ten. Daher ste­hen die meis­ten Unter­neh­men vor einem Umbau mit dem Ziel sys­te­ma­ti­scher Nach­hal­tig­keit (Trans­for­ma­ti­on). Bericht­erstat­tung, die nur mit Blick in den Rück­spie­gel fährt, gibt kei­nen Auf­schluss dar­über, ob sich ein Unter­neh­men im erfor­der­li­chen Maß, mit den rich­ti­gen Maß­nah­men und dem erfor­der­li­chen Timing trans­for­miert. Sie lässt ledig­lich Aus­sa­gen über die Ver­gan­gen­heit zu, und somit bes­ten­falls eine Ein­schät­zung zu den aktu­el­len Aus­wir­kun­gen. Zum Bei­spiel dar­über, wie hoch der Aus­stoß an Treib­haus­ga­sen im ver­gan­ge­nen Jahr war.

Dar­aus lässt sich jedoch nicht ablei­ten, ob ein Unter­neh­men zukunfts­fä­hig auf­ge­stellt ist. Bericht­erstat­tung, die pla­ne­ta­re Gren­zen zen­tral berück­sich­tigt, ver­langt daher, das ver­folg­te Trans­for­ma­ti­ons­ziel zu ver­öf­fent­li­chen. Samt einem dar­auf aus­ge­rich­te­ten Trans­for­ma­ti­ons­pfad mit Mei­len­stei­nen und Maß­nah­men­pla­nung. Nur so kann genau – und eben rele­vant – nach­voll­zo­gen wer­den, ob ein Unter­neh­men erfolg­reich auf dem rich­ti­gen Weg ist.

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Als Ent­schei­dungs­hil­fe bei der Stan­dar­di­sie­rung und Kon­so­li­die­rung kön­nen wir also fest­hal­ten: Nach­hal­tig­keits­be­richt­erstat­tung muss Auf­schluss über die unter­neh­me­ri­sche Wir­kung im Kon­text der pla­ne­ta­ren Gren­zen geben. Bei der Bewer­tung von Umwelt-Bericht­erstat­tungs-Regel­wer­ken soll­te daher immer geprüft wer­den, ob die pla­ne­ta­ren Gren­zen im Mit­tel­punkt ste­hen. Dafür müs­sen sie min­des­tens wis­sen­schaft­lich-fun­diert und zukunfts­ge­rich­tet sein. Wir müs­sen uns jetzt dafür stark machen, dass genau sol­che Ansät­ze zur unter­neh­me­ri­schen Pra­xis werden.

WWF One Pla­net Busi­ness Framework

Wir ent­wi­ckeln momen­tan das WWF One Pla­net Busi­ness Frame­work. Das Frame­work defi­niert für Unter­neh­men, was es bedeu­tet inner­halb der pla­ne­ta­ren Gren­zen zu wirt­schaf­ten und zeigt, wie sich das Unter­neh­men in die­se Rich­tung bewe­gen kann.
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Ich arbeite beim WWF zum Thema „Sustainable Finance“ weil ich der Überzeugung bin, dass wir das Finanzsystem viel stärker einbeziehen müssen, wenn wir gesellschaftliche Ziele wie das Pariser Klimaschutzabkommen oder die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen erreichen wollen. Denn mit ihren Finanzierungs- und Investitionsentscheidungen haben Finanzmarktakteure einen großen Einfluss darauf, welche Aktivitäten in der Realwirtschaft finanziert werden und welche nicht. Beim WWF setze ich mich deshalb dafür ein, dass Kapitalströme so umgelenkt werden, dass sie den notwendigen Wandel in unserem Wirtschafts- und Gesellschaftssystems unterstützen, der notwendig ist, um unsere Lebensgrundlagen für die Zukunft zu erhalten.
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