(M)eine Ode an den Ackerboden

Wir setzen unsere Zukunft aufs Spiel, wenn wir die Natur weiter der Industrie opfern © Imago/Shotshop/Valentyn Semenov

Was haben BMW und Land­wirt­schaft mit­ein­an­der zu tun? Genau: Nichts! Und das wird zum Pro­blem. Denn BMW plant eine rie­si­ge Fer­ti­gungs­an­la­ge für Auto­bat­te­rien auf bes­tem Acker­bo­den. Für mich als Umwelt­schüt­zer und Agrar­ex­per­te eine Kata­stro­phe. Außer­dem liegt der Hof mei­ner Fami­lie nur zwei Trak­tor­mi­nu­ten entfernt.

Vie­le hal­ten mir jetzt sicher gleich zu Beginn die­ses Bei­trags ent­ge­gen, dass wir eine Ver­kehrs- und Ener­gie­wen­de brau­chen, ich das aber „not in my back­yard“ haben will. Die­ses Argu­ment wird tau­send­fach bemüht, wenn es um die Errich­tung von Wind­kraft­an­la­gen oder Pho­to­vol­ta­ik­parks geht. Kli­ma­schutz und Ener­gie­wen­de ger­ne, aber bit­te nicht in mei­nem Hin­ter­hof. Oder halt nicht auf mei­nem Acker vor der Haus­tür. Ver­stan­den. Doch möch­te ich ger­ne zei­gen, dass es um weit mehr geht, als um den Bau von Elek­tro­au­tos. Es geht näm­lich unter ande­rem auch: um Bier.

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Als Umwelt­schüt­zer bezweif­le ich zum einen, dass BMW die gro­ße Ver­kehrs­wen­de mit Luxus­ka­ros­sen bestrei­tet. Dazu braucht es ganz ande­re Kon­zep­te: Etwa den Aus­bau des ÖPNV und eine funk­tio­nie­ren­de Bahn-Infra­struk­tur. Zudem ist die Fra­ge, wo die gan­zen Bau­tei­le für die­se Bat­te­rien her­kom­men? Dafür benö­tigt es eine Men­ge Roh­stof­fe, sel­te­ne Erden, Kup­fer, Alu­mi­ni­um, die unter teil­wei­se men­schen­un­wür­di­gen und äußerst umwelt­schäd­li­chen Bedin­gun­gen in Chi­na, Bra­si­li­en oder sonst wo abge­baut wer­den. Auch hier: Elek­tri­fi­zie­rung ja ger­ne, aber Umwelt­pro­ble­me, die durch die Roh­stoff­ge­win­nung ent­ste­hen – bit­te „not in my back­yard“. Woher die sel­te­nen Erden kom­men, kei­ne Ahnung!

Der Abbau sel­te­ner Erden, wie hier in einer Mine in Chi­na, ver­ur­sacht enor­me Umwelt­schä­den © Ima­go Images/Xinhua

Wir müs­sen Wohl­stand neu denken

Als Umwelt­schüt­zer mache ich mir noch über eine wei­te­re Tat­sa­che Sor­gen. Die­se Art von Flä­chen­nut­zung birgt enor­me Risi­ken für die Arten­viel­falt, für Res­sour­cen- und Kli­ma­schutz. In Zei­ten der Kli­ma­kri­se soll­te es doch unse­re größ­te Sor­ge sein, wie wir unse­re Res­sour­cen – auch Bio­di­ver­si­tät ist eine über­le­bens­wich­ti­ge Res­sour­ce – schüt­zen und Öko­sys­te­me stär­ken kön­nen. Sie sind schließ­lich „unser“ Natur­ka­pi­tal, also unse­re wirt­schaft­li­che Grund­la­ge und somit auch Grund­la­ge unse­rer gesell­schaft­li­chen Sta­bi­li­tät. Sicher: Bebau­ung, Schaf­fung von Infra­struk­tur, von Indus­trie­an­la­gen und Gewer­be­ge­bie­ten haben den Weg für wirt­schaft­li­chen Wohl­stand berei­tet. Doch heu­te, in zuneh­mend unsi­che­ren Zei­ten und einer über allem schwe­ben­den Kli­ma- und Bio­di­ver­si­täts­kri­se, müs­sen wir Wohl­stand neu betrachten.

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Ver­sie­gel­te Böden jeden­falls tra­gen nur in sehr begrenz­tem Maße dazu bei und wenn über­haupt, dann nur für weni­ge. So kön­nen ver­sie­gel­te Böden bei­spiels­wei­se kein Was­ser mehr spei­chern und in die Grund­was­ser­schich­ten abfüh­ren. Die letz­ten Jah­re haben uns aber gezeigt, wie abhän­gig wir vom Was­ser sind. Ein Dür­re­som­mer folgt auf den nächs­ten und trifft auf loka­le Extrem­wet­ter­er­eig­nis­se. In Nie­der­bay­ern waren die Nie­der­schlä­ge in den letz­ten Jah­ren zwar aus­rei­chend.  Was aber eine ent­fes­sel­te Natur anstel­len kann, wur­de vie­len 2013 beim Jahr­hun­dert­hoch­was­ser in Deg­gen­dorf bewusst. Da wer­den nun 160 Hekt­ar Fer­ti­gungs­hal­le nicht den gro­ßen Unter­schied machen, könn­te man meinen.

Aber doch, sie machen einen Unter­schied! Nicht die 160 Hekt­ar allein. Aber die hun­der­ten neu gebau­ten Logis­tik­zen­tren, Super­märk­te, Gewer­be- oder Sied­lungs­ge­bie­te. Was­ser kann nicht mehr ver­si­ckern und sucht sich sei­nen Weg auf der Erd­ober­flä­che. Auch Hit­ze­fel­der kön­nen ent­ste­hen. Das kennt jeder, der im Som­mer von einer Stra­ße in den Park geht. Acker­flä­chen, ins­be­son­de­re bewach­se­ne Acker­flä­chen, absor­bie­ren Wär­me bes­ser als Beton­flä­chen. Und das berei­tet mir als Agrar­ex­per­te und Land­wirts­sohn beson­de­re Kopfschmerzen.

Ver­sie­gel­te Böden spei­chern kein Was­ser mehr, das kann zu Hoch­was­ser füh­ren wie hier in Deg­gen­dorf 2013 © Imago/Wiegand Wagner

Auch im geseg­ne­ten Bay­ern spü­ren wir die Klimakrise

Wir spü­ren die Kli­ma­kri­se immer deut­li­cher, über­all. Auch im von Gott geseg­ne­ten Bay­ern mit dem schö­nen weiß-blau­en Him­mel. Die­ser ist näm­lich häu­fig nur noch blau oder aber grau. Das heißt: Ent­we­der haben wir lan­ge Tro­cken­pha­sen – oder Extrem­wet­ter­er­eig­nis­se. In Zukunft wird also eine Land­wirt­schaft gefragt sein, die unter extre­men Ver­hält­nis­sen wei­ter hoch­wer­ti­ge Lebens­mit­tel pro­du­zie­ren kann.

Der Gäu­bo­den in Nie­der­bay­ern, mei­ner Hei­mat, ist dazu bes­tens geeig­net. Die Qua­li­tät der Böden ist her­vor­ra­gend und die kli­ma­ti­schen Ver­hält­nis­se sind immer noch sehr gut. Seit Jah­ren wer­den Rekor­der­trä­ge erzielt. In einem guten Jahr könn­ten aus die­sen 160 Hekt­ar etwa eine Mil­lio­nen Laib Brot geba­cken oder fast sechs Mil­lio­nen Liter Bier gebraut wer­den. Beto­niert man die­se 160 Hekt­ar zu, kann BMW zwar effi­zi­en­ter E‑Autos bau­en. Die Gemein­den bekom­men ihre Steu­ern und Arbeits­plät­ze gibt es viel­leicht auch noch dazu. Aber für wie lan­ge? Und wie vie­le Men­schen pro­fi­tie­ren davon?

Wie emp­find­lich unse­re Lie­fer­ket­ten sind, haben wir gemerkt, als – bedingt durch die Pan­de­mie oder durch den Krieg in der Ukrai­ne – plötz­lich vie­le elek­tro­ni­sche Gerä­te nicht mehr pro­du­ziert wer­den konn­ten. Ersatz­tei­le waren nicht mehr lie­fer­bar. Super­markt­re­ga­le blie­ben leer. Was also, wenn kei­ne Bat­te­rien mehr gelie­fert wer­den kön­nen. Dann steht da ein Rie­sen­klotz auf bes­tem Acker­land, der genau kei­ne Funk­ti­on für nie­man­den mehr erfüllt.

Erst wenn die letz­te Ähre gedro­schen, der letz­te Acker zube­to­niert ist und der letz­te Betrieb auf­ge­ge­ben hat, wer­det ihr mer­ken, dass man Auto­bat­te­rien nicht essen kann.

In der Kli­ma­kri­se wer­den wird eine robus­te Land­wirt­schaft immer wich­ti­ger, die auch Extrem­wet­ter­er­eig­nis­sen stand­hal­ten kann © Ima­go Images/Countrypixel

Über 20.000 Hekt­ar Natur­ka­pi­tal jähr­lich zerstört

Das Bei­spiel der BMW-Hal­le in Nie­der­bay­ern steht stell­ver­tre­tend für so vie­le Bau­vor­ha­ben in Deutsch­land und auf der Welt: Sie zer­stö­ren Natur­ka­pi­tal, um ver­meint­li­chen volks­wirt­schaft­li­chen Nut­zen zu gene­rie­ren. Allein in Deutsch­land wer­den täg­lich nach wie vor 55 Hekt­ar für Sied­lungs- und Ver­kehrs­flä­che ver­braucht. Über 20.000 Hekt­ar jährlich!

In den letz­ten knapp 30 Jah­ren wur­de somit eine Flä­che zuge­baut, die 13 mal so groß ist wie Ber­lin. Und der Trend setzt sich fort. Aktu­ell sol­len im Raum Mag­de­burg über 400 Hekt­ar bes­tes Acker­land für den Chip­her­stel­ler Intel bebaut wer­den. Drum­her­um soll ein gigan­ti­sches Gewer­be­ge­biet mit ins­ge­samt 1.000 Hekt­ar ent­ste­hen. Etwa 900 Kilo­me­ter Auto­bah­nen und Bun­des­stra­ßen sol­len gebaut oder erwei­tert wer­den. Der Koali­ti­ons­aus­schuss hat am 28. März 2023 erst beschlos­sen, 144 Auto­bahn­pro­jek­te beschleu­nigt (d.h. ohne Umwelt­ver­träg­lich­keits­prü­fung) durch­zu­zie­hen. Ob die­ser Tur­bo bei der Flä­chen­ver­sie­ge­lung wirk­lich lang­fris­tig einen volks­wirt­schaft­li­chen Nut­zen bringt wage ich zu bezweifeln.

Gera­de erst von der Bun­des­re­gie­rung beschlos­sen: Aus­bau von Auto­bah­nen ohne Umwelt­ver­träg­lich­keits­prü­fung © Ima­go Images/Hans Blossey

Unse­re Böden, unse­re Lebensgrundlage

Ich möch­te am Ende kei­nen Teu­fel an die Wand gemalt haben und ver­mut­lich wird Nie­der­bay­ern auch mit BMW-Fabrik noch Nie­der­bay­ern sein (was auch immer das ist). Aber ich habe die­sen Bei­trag mit fol­gen­dem Anlie­gen geschrie­ben: Ich möch­te, dass wir alle bes­ser ver­ste­hen, dass unse­re Böden unse­re Lebens­grund­la­ge sind. Und dass wir in Zei­ten von Krie­gen, Pan­de­mien, Kli­ma- und Bio­di­ver­si­täts­kri­sen mehr denn je auf sie ange­wie­sen sind. Wir soll­ten uns also ganz genau fra­gen, wofür wir die­se wert­vol­le Res­sour­ce nut­zen wol­len. Wert­vol­ler Acker­bo­den, zusam­men mit sau­be­rem Was­ser und kla­rer Luft  – das wird in Zukunft das Wert­volls­te sein, was wir haben. Viel zu lan­ge haben wir das als selbst­ver­ständ­lich hingenommen.

Immer­hin: Auf euro­päi­scher Ebe­ne wird der­zeit über ein Boden­ge­sund­heits­ge­setz ver­han­delt. Die­ses Gesetz soll den Schutz unse­rer Böden sicher­stel­len. Es ist nun an uns allen, die­ses Vor­ha­ben der EU zu unter­stüt­zen, damit wir uns nicht selbst unse­rer Lebens­grund­la­ge berau­ben. Außer­dem sind sechs Mil­lio­nen Liter Bier ein star­kes Argument!

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Aufgewachsen bin ich auf einem Bauernhof in Niederbayern und habe mich schon immer für die Verbindung von Landwirtschaft und Umweltschutz interessiert. Als studierter Agraringenieur bin ich auch heute noch davon überzeugt, dass Umweltschutz nur gemeinsam mit den Landwirten zu schaffen ist und anders herum eine zukunftsfähige Landwirtschaft, die es immer stärker mit klimatischen Herausforderungen zu tun hat, nur mit einer intakten Natur zu haben ist. Als Referent für nachhaltige Landwirtschaft beim WWF setze ich mich für mehr Artenvielfalt, für Klimaschutz, für Gewässerschutz ein - immer im Dialog mit den Landwirten.

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