Euro­tier 2016: Schwei­ne­rei­en und Rindviecher

Kein Witz: Der Trend geht zu virtual Reality für Schweine - damit sie das Elend nicht mehr sehen müssen. © Markus Wolter / WWF

In der ver­gan­ge­nen Woche fand in Han­no­ver die Euro­tier statt. Dabei han­delt es sich um die welt­größ­te Mes­se rund um die The­men Tier­hal­tung und Nutz­tie­re. Zu sehen gibt es neben Stall­bau­sys­te­men, Inno­va­tio­nen in der Füt­te­rung natür­lich auch die Tie­re sel­ber. So wie die­sen statt­li­chen Bul­len, der die vie­len Besu­cher sehr gelas­sen an sich vor­bei­zie­hen lässt. Ich war am Mitt­woch in Han­no­ver und habe mich dort ein­mal umge­schaut. Ein paar Impres­sio­nen und Mit­bring­sel aus die­ser zum Teil erstaun­li­chen Welt habe ich in den fol­gen­den Fotos zusammengestellt.

Das Ende des Elends: Vir­tu­al Rea­li­ty für Schweine

Alles dreht sich bei der Euro­tier um Nutz­tie­re – und eine gro­ße Bedeu­tung hat dabei natür­lich das Schwein – der Deut­schen liebs­tes Fleisch. Geht der Trend dazu Schwei­nen eine Vir­tu­al Rea­li­ty (VR) Bril­le auf­zu­set­zen, damit sie die nicht tier­ge­rech­te Hal­tung in dem 99 Pro­zent der deut­schen Schwei­ne leben, nicht mehr sehen müs­sen? Die meis­ten kon­ven­tio­nell gehal­te­nen Schwei­ne dür­fen ihre art­ei­ge­nen Bedürf­nis­se kaum aus­le­ben: Sie haben kei­nen Aus­lauf nach drau­ßen, leben auf engem Raum auf stroh­lo­sen Voll­spal­ten­bö­den und ihnen wird als klei­nes Fer­kel der Rin­gel­schwanz abge­schnit­ten.

Das Ende des Elends Teil II: Vir­tu­al Rea­li­ty für Verbraucher

Das Ende des Elends Teil II: Vir­tu­al Rea­li­ty gibt es aber auch für Men­schen © Mar­kus Wol­ter / WWF

Falls es nicht reicht, dass die Schwei­ne sich in einer ande­ren Rea­li­tät wäh­nen, kön­nen sich die Land­wir­te damit behel­fen und eben­falls die Vir­tu­al Rea­li­ty-Bril­le auf­set­zen. Mich erin­nert das alles sehr stark an Geor­ge Orwells düs­te­re Visio­nen. Ganz so, als hät­te ich so etwas in der Art schon ein­mal gele­sen — “Die Farm der Tie­re 2.0”.

Lie­be im Labor: Die natür­li­che Fort­pflan­zung ist passé

So sieht die tat­säch­li­che Rea­li­tät für Schwei­ne aus. Künst­li­che Befruch­tung soll bes­te Qua­li­tät garan­tie­ren. © Mar­kus Wol­ter / WWF

Den Natur­sprung gibt es in der inten­si­ven Tier­hal­tung fast gar nicht mehr. Es wird von aus­ge­wähl­ten Zuchte­bern ein­ge­kauf­tes Sper­ma ein­ge­setzt. Hier auf der Euro­tier zeigt ein Modell, wie die­ses Sper­ma gewon­nen wird.

Schnel­les Wachs­tum, schnel­les Schlachten

Wahn­sinn im Stall: Ein Schwein, das 1000 Gramm am Tag zunimmt. © Mar­kus Wol­ter / WWF

Aus die­sem Labor-Sper­ma wer­den irgend­wann auch Fer­kel und dann schließ­lich Mast­schwei­ne. Der Trend geht zu Leis­tun­gen von über 1 kg Gewichts­zu­nah­me pro TAG! Dafür frisst ein Schwein bis zu 3 Kilo Fut­ter am Tag mit einer gehö­ri­gen Por­ti­on gen­tech­nisch ver­än­der­tem Soja­schrot aus Süd­ame­ri­ka, um das zu errei­chen. Ihr könnt Euch vor­stel­len, was das für eine Belas­tung für den Orga­nis­mus dar­stellt, jeden Tag ein Kilo zuzu­neh­men. Dafür fres­sen Schwei­ne auch hoch­kon­zen­trier­tes Fut­ter. Das wäre so, als ob wir jeden Tag aus­schließ­lich Scho­ko­la­den­ku­chen essen. Es geht aber auch anders.

Der “Wert” der Uni­for­mi­tät: Alle Hüh­ner sind gleich

Ein Tier­art, eine Form: Uni­for­mi­tät ist ein Qua­li­täts­merk­mal © Mar­kus Wol­ter / WWF

Der gro­ße Trend in Deutsch­land und auch welt­weit ist das Geflü­gel­fleisch. Damit die Mast­hüh­ner mög­lichst gut zu schlach­ten und zu ver­ar­bei­ten sind für z.B. Chi­cken Nug­gets müs­sen die­se mög­lichst alle gleich aus­se­hen. Vor­her­sag­ba­re Uni­for­mi­tät – Aus­rei­ßer wer­den dabei nicht ger­ne gese­hen. Vie­le der Mast­hüh­ner Betrie­be haben sehr gro­ße Her­den (ein Fami­li­en­be­trieb hat meist 80.000 Tie­re oder mehr, ver­teilt auf zwei Stäl­le) und häu­fig nicht genug Acker­flä­chen, um den Mist sinn­voll zu nut­zen. Die­ser Mist wird dann in ande­re Regio­nen, meist Rich­tung Osten gefah­ren. Es ent­steht ein so genann­ter „Gül­le­tou­ris­mus“. Gera­de in Nord­west­deutsch­land gibt es zu viel Mist aus der Tier­hal­tung, der dort die Öko­sys­te­me und das Grund­was­ser belastet.

Men­schen­freund­li­ches Hühnereinsammeln

Frü­her muss­ten Men­schen Hüh­ner noch mit der Hand ein­sam­meln. das ist nun vor­bei, denn es gibt inzwi­schen Hüh­ner­ein­sam­mel­ma­schi­nen © Mar­kus Wol­ter / WWF

Wer errät, was das ist? Nein, kei­ne Rau­pe zum Schnee­räu­men – hier­mit wer­den Mast­hüh­ner im Stall ein­ge­sam­melt. In so einem Stall leben in der Regel 40.000 Mast­hüh­ner. Nach einer Mast­zeit von 32–39 Tagen sind die Mast­hüh­ner fer­tig zum Schlach­ten und neh­men dabei in die­ser Zeit ein Gewicht von 40 g auf ca. 1,5–2 kg zu – also über das 300-fache ihres Geburts­ge­wich­tes. Auch dies ist nur mög­lich mit einer sehr kalo­rien- und eiweiß­hal­ti­gen Mast und geht häu­fig zulas­ten des Kno­chen­ge­rüs­tes, das so schnell nicht mit­wach­sen kann und kann zu defor­mier­ten Kno­chen und Gelen­ken füh­ren.

Kuh-Kom­fort für mehr Leistung

Kuh-Well­ness ist in den Fokus gerückt. © Mar­kus Wol­ter / WWF

Kuh­kom­fort wird mitt­ler­wei­le groß geschrie­ben und hat im Milch­vieh­be­reich in der Hal­tung zu deut­li­chen Ver­bes­se­run­gen geführt. Nach­dem man fest­ge­stellt hat, dass Milch­kü­he mehr Leis­tung geben, wenn sie sich wohl füh­len tun Land­wir­te deut­lich mehr für Tier­wohl. Dazu gehö­ren luf­ti­ge Boxen­lauf­stäl­le und als Well­ness-Ein­rich­tung auch sol­che Bürs­ten, die in eini­gen Stäl­len schon hän­gen und die sehr ger­ne ange­nom­men wer­den. Die­se Modell-Kuh hat noch Hör­ner – das ist wie­der­um lei­der die Aus­nah­me. Die meis­ten Käl­ber wer­den eini­ge Wochen nach der Geburt ent­hornt. Hier wird eine Kuh vor­ge­stellt, die so fast nicht mehr existiert.

Wer noch mehr zum The­ma Rin­der wis­sen möch­te, kann dies hier tun.

Das Was­ser­bett für Kühe

Das Was­ser­bett für Kühe © Mar­kus Wol­ter / WWF

Aber Kuh­bürs­ten sind nur der Anfang. Kühe lie­gen auch ger­ne weich. Daher die­ses Was­ser­bett für Kühe – wirk­lich weich, ich lag sel­ber drauf

Euro­tier 2016 — mein Fazit

Die Euro­tier ist ein Spie­gel­bild dafür, dass das Tier immer mehr zum Pro­duk­ti­ons­mit­tel wird: Ein­ge­bet­tet in hoch­tech­ni­sier­te und spe­zia­li­sier­te Pro­duk­ti­ons­sys­te­me und kaum mehr als leben­di­ges, sozia­les und lei­dens­fä­hi­ges Geschöpf wahr­ge­nom­men. Es geht um immer mehr Effi­zi­enz und Leis­tung, noch mehr Leis­tung —  Hoch­leis­tung. Aber die gro­ßen Fra­gen, wie wir mit unse­ren Tie­ren umge­hen wol­len, wie und womit sie gefüt­tert wer­den sol­len, dar­auf fin­det man nur wenig Ant­wor­ten. Es gilt die Fleisch­pro­duk­ti­on auf den erwar­te­ten Bedarf von 9,6 Mrd. Men­schen aus­zu­rich­ten, die 2050 alle viel mehr Fleisch, Milch und Eier als heu­te essen wol­len. Wenn ihr unse­re Posi­tio­nen und Emp­feh­lun­gen zu dem The­ma lesen wollt, fin­det ihr hier mehr dazu:

Nach­hal­ti­ger Fleischkonsum Soja als Futtermittel

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Referent für Agrarrohstoffe und Tierhaltung beim WWF Deutschland. Landwirtschaft prägt mein Leben. Mich fasziniert dabei, dass es die weltweit einzige Wirtschaftsweise ist, die dank der Photosynthese in der Lage ist mehr zu erzeugen, als sie verbraucht. Und das mit der Natur und nicht gegen sie - das ist wahre Nachhaltigkeit! Ich bin Landwirt, Entwicklungshelfer, landwirtschaftlicher Berater, Einkäufer für Bio-Ölsaaten gewesen und jetzt Projektleiter für nachhaltigere Nutztierfütterung.-Markus hat den WWF inzwischen verlassen-
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