Wisen­te – Wie die Kolos­se unse­re Natur schützen

Wisente im Rothaargebirge © Jonathan Fieber / WWF

Wie geht es wei­ter mit den Wisen­ten im Rot­h­aar­ge­bir­ge? Auch nach der heu­ti­gen Urteils­ver­kün­dung des Ober­lan­des­ge­richts Hamm bleibt die­se Fra­ge nach jah­re­lan­gem Recht­streit offen.
Fakt ist: Wald­be­sit­zer müs­sen nicht län­ger Schä­den durch Wisen­te in ihren Wäl­dern akzep­tie­ren, bis über die Zukunft der frei­le­ben­den Tie­re ent­schie­den ist. Eine Revi­si­on vor dem Bun­des­ge­richts­hof steht sowohl Klä­gern (zwei Wald­be­sit­zer) als auch Beklag­ten (Trä­ger­ver­ein „Wisent-Welt-Witt­gen­stein e.V”) offen.

Das Wie­der­an­sied­lungs­pro­jekt um den Ver­ein Wisent-Welt-Witt­gen­stein ist ein wich­ti­ges Pio­nier­pro­jekt für den Schutz frei­le­ben­der Wisen­te in Deutsch­land und West­eu­ro­pa. Was es nun braucht, ist ein kla­res Bekennt­nis der Lan­des­re­gie­rung von Nord­rhein-West­fa­len. Nur durch ihre Unter­stüt­zung kann die Wie­der­an­sied­lung der Wisen­te lang­fris­tig gelin­gen. Die Ver­ant­wor­tung für die streng geschütz­te Art im Rot­h­aar­ge­bir­ge liegt nun in ihren Händen.

Gerichts­streit um eine Wisent-Herde

Geklagt hat­ten zwei Wald­be­sit­zer, deren Wäl­der durch die Wild­rin­der beschä­digt wur­den. Ins­be­son­de­re wenn im Win­ter und Früh­jahr ande­re Nah­rung knapp ist, schä­len Wisen­te auch Rin­de von Bäu­men. Dadurch wird der Trans­port von Nähr­stof­fen und Was­ser in die Baum­kro­ne unter­bro­chen und Schäd­lin­ge und Pilz­in­fek­tio­nen kön­nen leich­ter in den Baum eindringen.

Doch wie so vie­les, hat auch das Nah­rungs­ver­hal­ten von Wisen­ten zwei Sei­ten einer Medail­le. Was in forst­wirt­schaft­lich genutz­ten Wäl­dern einen finan­zi­el­len Scha­den anrich­tet, bedeu­tet für die Natur vie­ler­orts eine Chan­ce. Denn Wisen­te sind von gro­ßer Bedeu­tung für das Ökosystem.

Der Wisent als Gärtner

Wisen­te ernäh­ren sich vege­ta­risch und sind als soge­nann­te Mega­her­bi­vo­re — also Groß­pflan­zen­fres­ser – sehr wich­tig für die Natur. Durch ihren enor­men Nah­rungs­be­darf von bis zu 60 Kilo­gramm am Tag neh­men die Wild­rin­der Ein­fluss auf die Vege­ta­ti­on. Sie erhal­ten Wie­sen und Hei­den, indem sie die­se vor dich­tem Bewuchs schüt­zen. Im Wald sor­gen sie für Lich­tun­gen und Son­nen­ein­strah­lung bis zum Boden.

Eine Stu­die bewies jüngst, das Euro­päi­sche Bisons (wie sie auch genannt wer­den) in der Gestal­tung von Öko­sys­te­men sogar eine grö­ße­re Rol­le spie­len als ande­re Pflan­zen­fres­ser wie Rot­hirsch, Reh oder Elch. Wisen­te tra­gen damit direkt zur bio­lo­gi­schen Viel­falt bei: In der geschaf­fe­nen Struk­tur­viel­falt aus offe­nen und bewal­de­ten Flä­chen fin­den ver­schie­de­ne, auch sel­te­ne Tier- und Pflan­zen­ar­ten mit unter­schied­li­chen Ansprü­chen neu­en Lebens­raum. Die gestal­te­ri­schen Fähig­kei­ten der Wild­rin­der machen sich auch Wisent-Wie­der­an­sied­lungs­pro­jek­te wie das WWF-Pro­jekt im Kau­ka­sus zu Nut­ze.

Der Wisent als Artenschützer

Auf dem Boden wäl­zen schafft neue Habi­ta­te © Ralph Frank / WWF

Selbst die blo­ße Anwe­sen­heit von Wisen­ten in einem bestimm­ten Gebiet hat posi­ti­ve Effek­te auf die dor­ti­ge Arten­viel­falt. Über Fell und Kot ver­tei­len sie auf­ge­nom­me­ne Samen und unter­stüt­zen Pflan­zen, in neue Gebie­te vor­zu­drin­gen. Insek­ten wie Käfer oder Wür­mer fin­den im Dung Nah­rung und Lebens­raum. Die ange­lock­ten Insek­ten wie­der­um bie­ten ein Buf­fet für wei­te­re Wald­tie­re wie Vögel und Fledermäuse.
Brut­vö­gel nut­zen abge­streif­tes Wisent-Fell zur Iso­lie­rung ihrer Nes­ter. Wisen­te lie­ben es außer­dem, aus­ge­dehn­te Sand­bä­der zu neh­men. Mit allen vie­ren von sich gestreckt wäl­zen sie sich auf der Sei­te und drü­cken dadurch den Boden unter sich fest. In den ent­stan­de­nen Boden­kuh­len und Huf­abdrü­cken bil­den sich Habi­ta­te für Pio­nier­pflan­zen, Insek­ten und Eidech­sen. Wer den Wisent schützt und sei­ne Wie­der­an­sie­de­lung unter­stützt, hilft damit auch einer Viel­zahl von ande­ren Pflan­zen- und Tierarten.

Wisen­te als Feuerwehrleute 

Anhal­ten­de Hit­ze, pla­gen­de Dür­re, ver­hee­ren­de Wald­brän­de – die Lage in unse­ren Wäl­dern wird durch die Kli­ma­kri­se immer schwer­wie­gen­der. In Spa­ni­en sol­len Wisen­te daher bei der Ein­däm­mung von Feu­ern hel­fen. Sie schaf­fen Lücken in der Vege­ta­ti­on, fres­sen das tro­cke­ne Kraut am Boden und ver­hin­dern das Ver­bu­schen von Flä­chen. Statt­des­sen kann auf den offen gehal­te­nen Area­len Gras wach­sen. Die Gefahr von Wald­brän­den wird dadurch redu­ziert und ent­fach­tes Feu­er kann sich über die geöff­ne­ten Flä­chen weni­ger ein­fach ausbreiten.

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… und als Klimaretter

Im Süden bren­nen die Wäl­der, im Nor­den schmilzt das Eis in immer grö­ße­rer Geschwin­dig­keit. Sibi­ri­en hofft nun auf Unter­stüt­zung durch die Schwer­ge­wich­te: Wisen­te könn­ten dabei hel­fen, dau­er­haft gefro­re­nen Boden — den soge­nann­ten Per­ma­frost zu erhal­ten. Das Gewicht eines frei­le­ben­den Wisent­bul­len über­steigt nicht sel­ten die 900-Kilo-Mar­ke. Gut gefüt­ter­te Wisen­te in Gehe­gen kön­nen sogar über eine Ton­ne schwer wer­den. Mit ihren Hufen schar­ren die Tie­re Schnee zur Sei­te, wodurch der Per­ma­frost wie­der Käl­te und Frost aus­ge­setzt ist und weni­ger stark schmilzt. Ein wich­ti­ger Bei­trag zum Kli­ma­schutz! Denn in den gefro­re­nen Böden wer­den Unmen­gen an Koh­len­stoff gespei­chert. Tau­en sie ab, wird kli­ma­schäd­li­ches Treib­haus­gas freigesetzt.

Der WWF unter­stützt den Wisent in Deutschland

Die Rück­kehr von frei­le­ben­den Wisen­ten birgt also Chan­cen für die Arten­viel­falt und Bio­di­ver­si­tät, aber natür­lich gibt es auch gro­ße Her­aus­for­de­run­gen im Zusam­men­le­ben, wie man am Fall des Rot­h­aar­ge­bir­ges sehen kann.

Im EU-Inter­reg finan­zier­ten deutsch-pol­ni­schen Pro­jekt „Łoś­Bo­nasus – Crossing!“ ent­wi­ckeln wir des­halb gemein­sam mit Part­nern neue Stra­te­gien für das Zusam­men­le­ben von Mensch und Wisent. Denn nur weni­ge Kilo­me­ter von der deut­schen Gren­ze ent­fernt lebt bereits die nächs­te Wisent-Her­de in Polen. Es ist daher nur eine Fra­ge der Zeit, bis eines der Tie­re nach Deutsch­land wan­dert und wir Lösun­gen für ein Zusam­men­le­ben brauchen.

Denn der Wisent soll trotz der momen­tan schwie­ri­gen Situa­ti­on im Rot­h­aar­ge­bir­ge lang­fris­tig die Mög­lich­keit bekom­men, sich dort aus­brei­ten zu dür­fen, wo er geeig­ne­te Lebens­räu­me vorfindet.

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Zusam­men für den Umweltschutz“

Das Pro­jekt „Łoś­Bo­nasus – Crossing!“ wird durch die Euro­päi­sche Uni­on aus Mit­teln des Fonds für Regio­na­le Ent­wick­lung (EFRE) im Rah­men der Gemein­schafts­in­itia­ti­ve „Inter­reg VA Meck­len­burg-Vor­pom­mern / Bran­den­burg / Polen“ kofi­nan­ziert. Ziel der Initia­ti­ve ist die För­de­rung der ter­ri­to­ria­len Zusam­men­ar­beit zwi­schen EU-Mit­glied­staa­ten und benach­bar­ten Nicht-EU-Län­dern. Das Pro­gramm för­dert grenz­über­grei­fen­de Maß­nah­men der Zusam­men­ar­beit u.a. im Bereich des Umweltschutzes.

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Wildnis und Wildtiere – bei mir dreht sich alles um diese beiden Themen: ob in der Freizeit in Wald und Wiese, im Urlaub in Dschungel und Savanne oder im Arbeitsalltag durch Management und Meetings. Nach meinem Studium mit Spezialisierung in Wildtier- und Schutzgebietsmanagement (M.Sc.) und einem Praxisjahr in Afrika und Kanada, darf ich mich nun beim WWF als Referentin für den Schutz von Wildnis und Wildtieren einsetzen.
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