War­um wir weni­ger Fisch essen sollten

Diese Sprotten kann man noch essen. © iStock / Getty Images

Am Wochen­en­de war ich an der Ost­seeküs­te und bin an den unver­meid­li­chen Fisch­bu­den vor­bei­ge­schlen­dert. In der Aus­la­ge Aal, Mat­jes­bröt­chen und Gar­ne­len­sa­lat. Frü­her hät­te ich wahr­schein­lich zuge­langt und mir ein Fisch­bröt­chen gekauft. Aber je mehr ich mich mit dem The­ma beschäf­ti­ge, des­to mehr ver­geht mir der Fisch-Appe­tit. Über­fi­schung, Belas­tung mit Schwer­me­tal­len und Arz­nei­mit­tel­rück­stän­den sowie die gigan­ti­sche Ver­schwen­dung von Fisch durch ille­ga­le Rück­wür­fe ver­der­ben mir das Fisch­essen. Das geht lei­der nicht allen so. Glo­bal gese­hen essen wir so viel Fisch wie nie zuvor.

Fisch­bröt­chen mit Mat­jes — Lei­der geht’s auch dem hei­mi­schen Hering nicht gut. © Mar­tin Kei­ler / iStock / Get­ty Images

Über­fi­schung bedroht unse­re Mee­re 

Erst vor kur­zem wur­de der neue Fische­rei­re­port von der Welt­ernäh­rungs­or­ga­ni­sa­ti­on FAO zum Zustand der welt­wei­ten Fisch­be­stän­de vor­ge­stellt. Die Ergeb­nis­se kurz zusam­men­ge­fasst: Der Fisch­kon­sum stieg auf einen glo­ba­len Pro-Kopf-Rekord­wert von 20,5 Kilo und erhöht den Druck auf die Mee­re. Rund ein Drit­tel der Fisch­be­stän­de gel­ten als über­fischt. Wir Deut­schen essen zwar nur rund 14 Kilo Fisch im Jahr, aber den größ­ten Teil (rund 80 Pro­zent) davon müs­sen wir impor­tie­ren, da vie­le Gewäs­ser hier­zu­lan­de über­fischt sind. Selbst Nord­see-Kabel­jau und Ost­see-Hering geht es schlecht. Das UN-Nach­hal­tig­keits-Ziel, die Über­fi­schung bis 2020 zu been­den, wird ver­fehlt. Obwohl die Coro­na-Kri­se die Fische­rei ein paar Wochen lang aus­ge­bremst hat. 

Die FAO-Pro­gno­sen sagen, dass der Fischkon­sum mit stei­gen­der Welt­be­völ­ke­rung wei­ter zuneh­men wird. Doch die Fische der Ozea­ne sind end­lich 

Vol­les Fischer­netz: Fische wer­den als Maß­ein­heit in Ton­nen gemes­sen © Anto­nio Busi­el­lo / WWF US

Die EU ist Import­welt­meis­ter, doch wir haben Alter­na­ti­ven 

Für uns Euro­pä­er ist es ein­fach. Wir müs­sen nicht Fisch essen, wir kön­nen unse­ren Eiweiß-Bedarf anders stil­len. Doch noch immer ist die EU (vor den USA und Japan) der welt­weit größ­te Fisch-Impor­teur. Rund 20 Pro­zent der welt­weit gehan­del­ten Fische wer­den in die EU impor­tiert. Die Hälf­te davon stammt aus Ent­wick­lungs­län­dern. Und dort sind Hun­der­te Mil­lio­nen Men­schen auf Fisch als pri­mä­re Eiweiß­quel­le ange­wie­sen. Las­sen wir den Fisch doch also bes­ser dort, wo er drin­gen­der gebraucht wird. Und küm­mern uns end­lich dar­um, dass sich die Fisch­be­stän­de in unse­ren Gewäs­sern wirk­lich erho­len kön­nen

Kann die Aqua­kul­tur die Lösung sein? 

Schon jetzt macht die Fisch­zucht rund die Hälf­te der Fisch­pro­duk­ti­on aus. Doch noch ist die Aqua­kul­tur häu­fig nicht nach­hal­tig und ver­schärft die Pro­ble­me der Über­fi­schung. Viele Zucht­fi­sche müs­sen mit Fisch­öl oder -mehl aus Wildfischen gefüt­tert wer­den. Für ein Kilo Zucht­lachs müs­sen meh­re­re Kilo ande­rer Fisch ster­ben. 

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Dazu kom­men Pro­ble­me mit Anti­bio­ti­ka und Che­mi­ka­li­en, wie zum Bei­spiel bei der Lachs­zuchtDie Ent­wick­lung alter­na­ti­ver Fut­ter­mit­tel wie zum Bei­spiel Insek­ten­lar­ven oder eiweiß­rei­chen Pflan­zen läuft gera­de erst an.  

Fische in Mas­sen­tier­hal­tung: Aqua­kul­tur­anla­ge im Mit­tel­meer © Phil­ipp Kan­stin­ger / WWF Deutschland

Ein Licht­blick ist die soge­nann­te Aqua­po­nik, bei der Fisch­zucht (Aqua­kul­tur) und Pflan­zen­bau (Hydro­po­nik) zu einem umwelt­scho­nen­den Kreis­lauf­sys­tem kom­bi­niert wer­den. Dabei wird das Abwas­ser der Aqua­kul­tur direkt als Dün­ger für die Pflan­zen genutzt. Doch bis die­ses Sys­tem im gro­ßen Stil bei der Fisch­zucht ange­wen­det wird, kön­nen noch eini­ge Jah­re ins Land gehen.  

Wir brau­chen nach­hal­ti­ge Fische­rei und mehr Über­wa­chung  

Wir brau­chen also jetzt den poli­ti­schen Wil­len für nach­hal­ti­ge Fische­rei. Ein Schlüs­sel hier­für sind Fang­men­gen, die auf wis­sen­schaft­li­chen Emp­feh­lun­gen basie­ren, sowie eine wirk­sa­me Kon­trol­le der Fische­rei­ak­ti­vi­tä­ten auf See. Doch genau hieran man­gelt es gra­vie­rend. In vie­len Regio­nen der Welt wird die Fische­rei gar nicht regu­liert, da sich die betref­fen­den Küs­ten­län­der kei­ne wirk­sa­me Fische­rei­auf­sicht leis­ten kön­nen und ille­ga­le Fische­rei vor­herrscht.  

Aber selbst in Euro­pa, wo es von den EU-Fische­rei­mi­nis­ter:Innen fest­ge­leg­te Fangmen­gen gibt, schaf­fen wir es nicht, die Über­fi­schung in den Griff zu bekom­men. Das Mit­tel­meer und das Schwar­ze Meer gehö­ren zu den über­fisch­tes­ten Gewäs­sern welt­weit.   

Das liegt nicht zuletzt am blin­den Fleck in den Berech­nun­gen, der durch ille­ga­le Fische­rei und Bei­fang ent­steht. In der EU gilt zwar die Anlan­de­ver­pflich­tung. Das heißt, Fischer müs­sen auch den Bei­fang mit an Land brin­gen, damit die­ser auf die Fang­quo­te ange­rech­net wer­den kann. Doch oft­mals wird das umgan­gen, indem der uner­wünsch­te Bei­fang ille­gal rück­ge­wor­fen wird 

Rochen und ande­rer Bei­fang wer­den von einem Shrimps-Fang­boot gewor­fen. © Bri­an J. Sker­ry /National Geo­gra­phic Stock / WWF

Mehr Video­über­wa­chung und Fang­li­zen­zen – auch für klei­ne Fischer­boo­te 

Des­halb for­dern wir die flä­chen­de­cken­de Ein­füh­rung von elek­tro­ni­schen Moni­to­ring­sys­te­men (REMRemo­te Elec­tro­nic Moni­to­ring) auf Fang­schif­fen über zwölf Metern Län­ge, um die Umset­zung der Anlan­de­ver­pflich­tung end­lich kon­trol­lie­ren zu kön­nen. Momen­tan will die EU die Video­über­wa­chung nur für Fang­schif­fe über 24 Meter ver­pflich­tend ein­füh­ren – das trifft gera­de ein­mal rund 3,3 Pro­zent der EU-Flot­te und somit nur einen Bruch­teil jener Fang­schif­fe, die das gro­ße Pro­blem dar­stel­len.  

Wir Euro­pä­er tra­gen als Fisch-Import­welt­meis­ter eine beson­de­re Ver­ant­wor­tung, auf nach­hal­ti­gen Fisch­fang zu ach­ten. Ab Juli hat Deutsch­land die EU-Rats­prä­si­dent­schaft inne und damit die gro­ße Chan­ce und Ver­ant­wor­tung dar­auf hin­zu­ar­bei­ten, dass die Fische­rei durch eine neue Fische­rei­kon­trol­le end­lich auf nach­hal­ti­ge Füße gestellt wird.

Durch die Abschaf­fung von schäd­li­chen Sub­ven­tio­nen, die die Über­ka­pa­zi­tä­ten in den Fang­flot­ten und damit die glo­ba­le Über­fi­schung wei­ter befeu­ern, wäre zumin­dest ein ers­ter Schritt in die rich­ti­ge Rich­tung getan. Auch hier kann Deutsch­land erheb­lich dazu bei­tra­gen, dass das gelingt. Deutsch­land muss sich dafür ein­set­zen, dass die Wie­der­einführung von Sub­ven­tio­nen durch die Hin­ter­tür im Rah­men des neu­en Euro­päi­schen Mee­res- und Fische­rei­fonds ver­hin­dert wird.

Tipp für Ver­brau­cher: Weni­ger Fisch essen und WWF-Fisch­rat­ge­ber nut­zen  

Was kön­nen wir tun, um die Über­fi­schung nicht noch wei­ter anzu­hei­zen? Zunächst soll­ten wir unse­ren Fisch­kon­sum über­prü­fen. Und Fisch essen als sel­te­ne Deli­ka­tes­se betrach­ten oder ganz dar­auf ver­zich­ten. Beim Fisch­kauf soll­te man auf Nach­hal­tig­keits­sie­gel ach­ten (Bio­land, Natur­land, ASC und MSC). Und wer sich unsi­cher ist, kann unse­ren Fisch­rat­ge­ber nut­zen und nur mit „grün“ bewer­te­te Fische kau­fen.  

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Kommentare (7)

  • Katja Graf schrieb: "... Für uns Europäer ist es einfach. Wir müssen nicht Fisch essen, wir können unseren Eiweiß-Bedarf anders stillen. ..."

    Der Eiweiß-Bedarf ist die eine Sache, aber der Bedarf an essentiellen Omega3 Säuren ist wohl die andere Seite der Medaille.

    Gelesen habe ich, es gebe ausreichend Alternativen zu Omega-3-Produkten aus Fisch. Quellen für die kurzkettige Omega3 Fettsäure ALA sollen pflanzliche Öle wie Leinöl, Leindotteröl oder Hanföl, außerdem Walnüsse sein.
    Die langkettigen Fettsäuren EPA und DHA seien hingegen in Landpflanzen nicht enthalten. Wer seinen Bedarf an EPA und DHA nicht über fetten Seefisch abdecken möchte, finde Nahrungsergänzungsmittel auf z.B. Mikroalgenbasis.

    Hmmmm, brauche ich nun die EPA und DHA zum Leben? Oder brauche ich tatsächlich nur Eiweiß aus dem Fisch?
    Ich meine die Fragen ernst, bin kein Vertreter von Nahrungsergänzungsmitteln.

    MfG

    • Hallo Ackergaul,

      wie Du bereits beschrieben hast, Mikroalgen produzieren (auch) EPA und DHA. Soviel ich weiß haben die Fische auch deswegen mehr EPA und DHA als die Landtiere, weil die eben mehr davon von den Produzenten (also Pflanzen) konsumieren, weil die Landpflanzen oft viel weniger bis kein EPA/DHA enthalten.

      Eiweiß aus dem Fisch benötigt man genauso wenig, wie Eiweiße aus anderen Tieren. Allgemein synthesieren Tiere (inklusive Menschen) ihre Proteine selbst, aus den Aminosäuren, die sie in der Nahrung bekommen. Die Pflanzen produzieren alle essentielle Aminosäuren, die ein Mensch braucht.

      MFG Andi

  • Ihr macht gute und notwendige Arbeit.
    Was mich stört, sind die vorgegebenen, allgemein gehaltenen Antworten zu Umfragen.

  • Sie schrieben zwar, dass wir Europäer unser Eiweiß-bedarf anders stillen können. Aber das andere Problem wäre da der Bedarf an essentiellen Omega3 Säuren. Trotz alledem bin ich auch deiner Meinung Katja, den es gibt tausende andere Möglichkeiten.

    MfG

    • Hallo Davut,

      wertvolle Omega3-Fettsäuren liefern z.B. Lein (und Leinöl), Raps(öl), Walnüsse, Hanf.
      Wenn man bereits fertiges EPA/DHA konsumieren will, da kann man auch direkt diese aus Mikroalgen nutzen. Von EPA/DHA braucht man täglich weniger als einen halben Gramm pro Tag.

      MfG Andi

  • Gegen die überfischen. Kein Müll in die Meere. Keine tierquälerei gegen Fische.

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