Manchmal muss man auch Zugvögeln Beine machen. Wie zum Beispiel den Waldrappen am Bodensee.
Nachdem die Überlinger Waldrapp einfach nicht nach Süden losfliegen wollten in ihrem Brutgebiet verharrten, entschlossen wir uns dazu, die Vögel nach Südtirol zu transferieren – per Auto. Ende November wurden die ersten 18 Vögel auf einem Sportplatz bei Frickingen eingefangen, einzeln in Umzugskartons „verpackt“, im Auto über den Reschenpass nach Bozen transferiert — und dort am Nachmittag freigelassen.
Das klappte ganz gut.
Die Klimakrise stört die Zugvögel
Aber am Beispiel „unserer“ Vögel in Überlingen zeigt sich eindrücklich, dass die Auswirkungen der Klimakrise bereits unmittelbar und vielfältig präsent sind. Die zunehmende Variabilität der Wetterbedingungen im Herbst und Frühwinter erschwert den Zugvögeln zunehmend das richtige Timing. Viele Arten, zu denen auch der Waldrapp gehört, synchronisieren den Beginn und den Verlauf des Herbstzuges mit Umweltparametern. Und diese Parameter werden zunehmend unzuverlässig. Das führt dazu, dass der Beginn des Herbstzug bei vielen Arten immer mehr variiert und sich immer weiter nach hinten verschiebt. Mit dem Risiko, durch einen Wintereinbruch letztlich am Fortkommen oder Weiterkommen gehindert zu werden.
Zum Fliegen eh zu spät
Noch vor wenigen Tagen ist ein einzelner Waldrapp aus der Ostschweiz nach Süden migriert, zeitgleich mit drei Vögel aus Kärnten. Demnach ist die Zugmotivation bei den Waldrappen noch nicht abgeklungen. Wir waren froh, dass die Überlinger Waldrappe nicht auch noch losgeflogen sind. Die Querung der tiefwinterlichen Zentralalpen ist für die Waldrappe in dieser Saison wohl nicht mehr möglich und ein Versuch hätte zu erheblichen Verlusten führen können.
Folge uns in Social Media
Allerdings gingen wir aus Erfahrung davon aus, dass die Vögel bei einem Transfer an einen Ort südlich des Alpenhauptkammes noch die nötige Zugmotivation zeigen, um zügig weiter nach Süden zu fliegen. Und damit lagen wir offensichtlich richtig. Der Großteil der in Bozen freigelassenen Vögel hat bereits die Poebene überflogen und die Toskana erreicht. Ob und wie viele Vögel noch vor Ort in Bozen sind, lässt sich derzeit nicht genau einschätzen. Bei der Mehrzahl der Vögel ist der Solartracker mangels Sonnenlicht temporär ausgefallen.
Hoffen auf die Rückkehr der Walrappen
Auch die restlichen zwölf Vögel sollen noch diese Woche gefangen und ebenfalls nach Bozen transferiert werden. Damit ist dann auch die Saison in Überlingen abgeschlossen. Und wir sind guten Mutes für die kommende Saison, gehen von einer eigenständigen Rückkehr der Waldrappe nach Überlingen aus. Und wir hoffen auch auf einen reguläre Herbstmigration im folgenden Frühjahr.
Grundsätzlich müssen wir uns aber darauf einstellen, dass das Zugverhalten der Waldrappe wie auch vieler anderer Zugvogelarten immer stärker variiert. Mit allen damit verbundenen Risiken. In einer noch jungen Kolonie wie Überlingen ist es begründet, in solchen Fällen einzugreifen, um Verluste zu vermeiden.
Mit dem WWF-Newsletter nichts mehr verpassen!
In einigen Jahren muss in solchen Fällen aber auch die Überlinger Kolonie selbst zurechtkommen und wir sind zuversichtlich, dass das dann auch der Fall sein wird. Waldrappe erweisen sich immer wieder als Überlebenskünstler. Auch Modellierungen liefern für diese Waldrapp-Population positive Prognosen. Trotz zunehmender Risiken durch den Klimawandel.
Sollte es zu spät sein, fürs Fliegen, macht der Umzug der Vögel in Umzugskartons durchaus Sinn.