UPDATE
Corona macht uns Angst, die Pandemie bedroht das Leben von vielen Menschen. Darüber hinaus hat sie hat aber auch verheerende Auswirkungen auf den Naturschutz: Projekte liegen brach und die Wilderei nimmt zu. Und wie unsere aktuelle Studie jetzt auch zeigt: Die Entwaldung nimmt im Shutdown 2020 enorm zu — fast überall.
Waldverlust via Satellitendaten verfolgen
Wir haben uns die Satellitendaten von 18 Ländern in Afrika, Asien und Südamerika angeschaut. Dabei haben wir die Waldbedeckung im März 2020 mit den Werten der Jahre 2017 bis 2019 verglichen. Bekommen haben wir die Bilder von der Datenbank Global Land Analysis and Discovery (GLAD) der University of Maryland. Über Satellitenbilder von Landsat wird die Baumkronenbedeckung wöchentlich und in einer etwa 30 mal 30 Meter großen Auflösung ermittelt.
Es wird deutlich mehr Wald abgeholzt
Unsere Befunde sind eindeutig: 645.000 Hektar Tropenwald wurden im März 2020 zerstört. Das ist mehr als die siebenfache Fläche von Berlin. Die Entwaldung ist um 150 Prozent höher als der März-Durchschnitt der Jahre 2017 bis 2019. Fast immer sind die Verluste menschgemacht, da selbst Feuer fast immer auf menschliches Handeln zurückzuführen sind.
Fünf der sechs untersuchten Länder (Demokratische Republik Kongo, Kamerun, Kenia, Tansania, Zentralafrikanische Republik) verloren im März 2020 im Vergleich zu den März-Werten von 2017 bis 2019 am meisten Wald. In diesen fünf Ländern liegen die Verluste 2020 über allen seit 2017 ermittelten Monatswerten.
Noch schlimmer ist es in Asien. In Indonesien, Kambodscha, Myanmar, Malaysia und Thailand ist der Waldverlust im März 2020 deutlich höher als in den Jahren 2018 und 2019. Sofern Daten vorhanden sind (Indonesien, Malaysia), gilt dies auch für das Jahr 2017. Im Vergleich zum Durchschnitt der drei März-Monate 2017–2019 stieg der Waldverlust im März 2020 in Malaysia um fast 70 Prozent an. In Indonesien und Myanmar sind es 130 Prozent, in Kambodscha 190 Prozent. Mehr als vervierfacht haben sich die Verluste in Thailand. In China hingegen lag der Wert zwischen dem sehr hohen Wert von 2018 und dem relativ niedrigen Wert im Jahr 2019.
Große Waldverluste in Südamerika
In Südamerika sind die Verluste mit einem Plus von rund 167 Prozent am höchsten. In Brasilien lag die Waldzerstörung mit 70.000 Hektar im März 2019 bereits auf einem hohen Niveau. Im März 2020 ist sie nochmals deutlich angestiegen (+55 Prozent). Eine besonders starke Veränderung beobachten wir in Argentinien. Dort stieg der Verlust von März 2019 zu März 2020 um 322 Prozent, vor allem beim Savannenwald der Chaco-Region.
Verlust staatlicher Kontrolle durch Corona?
Diese zunehmenden Verluste sind kein Zufall. Nach Einschätzung unserer WWF-Kollegen vor Ort ist der Wald durch die politischen Maßnahmen gegen die Epidemie noch stärker bedroht als zuvor. Die staatliche Kontrolle ist mindestens teilweise stark eingeschränkt. Derzeit sind weniger Polizei, Ranger und andere staatliche Kontrolleure im Wald unterwegs. Auch viele Naturschützer sitzen im Homeoffice fest. Vor allem die Gebiete der indigenen Bevölkerung sind bedroht. Schutzgebiete werden nicht respektiert. Illegale Abholzung und Landraub wie etwa für Goldminen sind für Täter gerade jetzt einfach viel leichter.
Ursache Armut
Dazu kommt, dass das Armutsrisiko durch Corona deutlich ansteigt. In Tansania ist zum Beispiel der legale Holzhandel durch den Shutdown zum Erliegen gekommen. Viele Gemeinden sind in großen finanziellen Schwierigkeiten. Das Risiko für Waldverlust und Verlust der Qualität des Waldes steigt dadurch natürlich. In Südostasien sind zudem die Einkommen durch Tourismus weggebrochen. Die Märkte für Waldprodukte wie Honig, Nüsse oder Beeren sind geschlossen. Viele Menschen sind in der Krise aus den Städten in ihre Heimatdörfer zurückgekehrt und nutzen jetzt den Wald zunehmend als Holz- und Einkommensressource. Einfach gesagt: In der Not brauchen die Menschen kurzfristig Mittel. Und greifen beim Wald zu.
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Um die Wälder weltweit zu erhalten, fordern wir deshalb:
Die Politik in Deutschland muss sich für Sofortmaßnahmen zu einem raschen Entwaldungsstopp einsetzen.
- Der illegale Holzhandel nimmt weltweit Platz 3 der organisierten Kriminalität ein und muss besser bekämpft werden. Alle Holzprodukte müssen in Europa aus legalen Quellen kommen. Die Kontrollen müssen deutlich verbessert, die Strafen bei Verstößen drastisch erhöht werden.
- Die öffentliche Beschaffung muss entwaldungsfrei, umweltgerechte Beschaffung Pflicht sein.
- Konjunkturhilfen, deren Auswirkungen die Umwelt gefährden, müssen ausgeschlossen sein.
- Ein Sechstel unserer Lebensmittelimporte trägt direkte Entwaldung auf unsere Märkte und Teller. Deutschland muss in der EU starke Gesetze zur Entwaldungsfreiheit befürworten und diese konsequent umsetzen. Damit würde die EU Verantwortung für den globalen Walderhalt übernehmen und somit zum europäischen „Green Deal“ beitragen, der bis 2050 ein klimaneutrales Europa schaffen soll.
- Die Entwaldung muss gestoppt und Wälder müssen neu aufgebaut werden. Durch den Stopp der Entwaldung wird die Gefahr weiterer schlimmer Pandemien deutlich reduziert.
Corona hat weltweit schon zu so viel Leid und zu entsetzlichen Verlusten geführt. Wir müssen uns alle dafür einsetzen, dass die Wälder, die wir für unsere Gesundheit, für das Klima und die Vielfalt auf unserem Planeten brauchen, jetzt nicht noch stärker abgeholzt werden. Der weitere Verlust von Wald führt uns in eine noch schlimmere Katastrophe.
Bei allem sollte wesentlich deutlicher hervorgehoben werden, daß den Tieren in der Erde, auf der Erde, in der Luft ihr Lebensraum für immer genommen wird. Und es sollte ebenfalls darauf hingewiesen werden, daß JEDER mit allen Naturmaterialien respektvoll, achtsam, werterhaltend umgehen sollte. Es ist dieser verantwortungslose Konsumzwang der ebenfalls viel Unheil anrichtet. Letztendlich ist die größte Pandemie der Mensch, der Un-Mensch
Der Frevel an der Natur, wie er in Amazonien getrieben wird, und dazu die Gleichgültigkeit der brasilianischen Regierung, bricht mir das Herz. Wer
den Urwald, a floresta amazónica, erlebt hat, der versteht meine Reaktion.
Bolsonaro, der die Schändung der Natur toleriert, ja sogar vorantreibt, muß
von der Weltgemeinschaft unmißverständlich und unter Auferlegung einer
Frist aufgefordert werden, den Raubbau in Amazonien und die damit verbun-
dene Verdrängung der dort ansäßigen Indiostämme mit sofortiger Wirkung
zu verbieten. Dieser Mensch, der vor der Schöpfung nicht den geringsten Re-
spekt hat, muß in die Enge getrieben werden.
Danke für diesen Beitrag. Ich kann aus eigener Reiseerfahrung (1989/2014/2016/2018/2020) in Indonesien bestätigen, dass die dortigen Verhältnisse in Bezug auf Abholzung meine schlimmsten Erwartungen weit übertroffen haben. Waldbrände, illegal logging, Kohletagebau, Goldtagebau konnte in vielen Regionen (Java, Borneo/ Sulawesi/ West Papua/Nusa Tengara) beobachtet werden. Gepaart mit korrupten Beamten und einer mafiösen Waldmanagementstruktur ist dem Abholzen Tür und Tor geöffnet. Neue Flächen für Palmöl werden rücksichtslos auch innerhalb von offiziellen Schutzgebieten und Nationalparks abgeholzt. Fehlende Kontrollen sowie die absolute Armut treibt die Menschen zu dieser Zerstörung, verdienen tun daran die wenigsten. Nachhaltigkeit ist meistens ein Fremdwort, aber es werden immer mehr Einheimische aktiv und vernetzen sich zu Gruppen, um Informationen und Erfahrungen auszutauschen. Leider ist ein finanzstarker Konzern mit bewaffneter Security immer besser aufgestellt, um sein schmutziges Handwerk zu betreiben.
Sehr geehrte Frau Winter,
hinsichtlich Klima ist nicht nur die CO2-Emission aus der Entwaldung (und der sonstigen Verödung) bedeutsam, sondern auch die Verringerung der Verdunstung, die als “Evapo-Transpiration” vom IPCC in der Wärmebilanz der Erde aufgeführt wird. Meine numerische Abschätzung hat ergeben, dass umgekehrt zu den gängigen Meinungen (sogenannte Wasserdampfverstärkung), eine sinkende Luftfeuchtigkeit (bspw. durch Entwaldung etc.) die Atmosphäre aufheizt.
Dazu habe ich etwas (auch numerisch) ausgearbeitet. Bei Interesse bitte ich um die Zusendung einer Mail-Adresse.
Mit freundlichem Gruß
Ulrich Engelke, Dipl.-Ing. Umwelttechnik