Value Balan­cing Alli­ance: gut gemeint, nicht gut gemacht

Leider ungeeigent: die Methode des VBA © Fokusiert/iStock/Getty Images

Der Rech­nungs­le­gungs­an­satz der Unter­neh­mens­in­itia­ti­ve Value Balan­cing Alli­ance (VBA) ist eben nicht nach­hal­tig. Auch wenn er genau dies behauptet.

Kürz­lich haben wir hier berich­tet, dass Unter­neh­men effek­ti­ve Nach­hal­tig­keits­be­richt­erstat­tung in den Kon­text der pla­ne­ta­ren Gren­zen ein­ord­nen müs­sen. Dafür müs­sen sie min­des­tens wis­sen­schaft­lich-fun­diert und zukunfts­ge­rich­tet sein. Heu­te zei­gen wir, dass ein weit ver­brei­te­ter Ansatz, der Ansatz der Value Balan­cing Alli­ance (VBA), nicht die­sen Kri­te­ri­en entspricht.

Fol­ge uns in Social Media

Die VBA ist ein Netz­werk aus 23 gro­ßen Unter­neh­men wie etwa BASF, Deut­sche Bank oder Por­sche). Die VBA ent­wi­ckelt aktu­ell einen Ansatz, den es als glo­ba­len Stan­dard eta­blie­ren und in Geset­ze über­füh­ren möch­te. Ziel ist es laut eige­nen Anga­ben, eine Metho­dik bereit­zu­stel­len, die den posi­ti­ven und nega­ti­ven Wert von Unter­neh­men für Gesell­schaft und Umwelt misst. Damit wol­le man Entscheider:innen ein Steue­rungs­werk­zeug für mehr Nach­hal­tig­keit an die Hand geben.

Eine detail­lier­te Vor­stel­lung des VBA ‑Ansat­zes fin­det ihr hier.

Lei­der ist der VBA mangelhaft

Der Ansatz der VBA ist aber unge­eig­net, um die selbst for­mu­lier­ten Zie­le zu errei­chen. Er sagt eben nicht aus, ob ein Unter­neh­men tat­säch­lich posi­tiv oder nega­tiv wirkt. Für uns ist ganz klar: Der VBA ist daher für die Unter­neh­mens­steue­rung nicht hilfreich.

War­um der VBA-Ansatz man­gel­haft ist

  • Die pla­ne­ta­ren Gren­zen sind nicht berücksichtigt

Dem VBA-Ansatz feh­len jeg­li­che Bezü­ge zu den pla­ne­ta­ren Belas­tungs­gren­zen der Erde. Statt­des­sen berech­net und nor­miert der VBA-Ansatz mone­tä­re Wer­te für die Unter­neh­mens­wir­kung in den Berei­chen Umwelt, Wirt­schaft und Sozia­les (Sie­he Bei­spiel in Abbil­dung 1). Im Ergeb­nis wird ein Geld­be­trag aus­ge­wie­sen, der bei­spiels­wei­se die aus­ge­sto­ße­nen Treib­haus­gas­emis­sio­nen bezif­fert. Die­ser Wert ist kaum inter­pre­tier­bar. Es bleibt voll­kom­men unklar, ob der Wert – und damit die dahin­ter­ste­hen­de unter­neh­me­ri­sche Akti­vi­tät – im Ein­klang mit den pla­ne­ta­ren Gren­zen oder dem 1,5‑Grad-Limit steht.

  • Der Ansatz der VBA setzt Umwelt, Wirt­schaft und Sozia­les gleich

Dar­über hin­aus sen­det der Ansatz der VBA die fata­le Bot­schaft, dass nega­ti­ve Ein­flüs­se etwa durch Kli­ma­zer­stö­rung, durch posi­ti­ve Bei­trä­ge wie die Zah­lung von Manage­ment­ge­häl­tern (Kate­go­rie „Löh­ne“) oder Steu­er­zah­lun­gen kom­pen­siert wer­den könn­ten. Es wer­den Äpfel mit Bir­nen ver­gli­chen, wenn durch die Nor­mie­rung eine in der Rea­li­tät nicht-exis­tie­ren­de Gleich­heit von Wirt­schaft, Sozia­lem und Umwelt her­ge­stellt wird.

Das hat absur­de Kon­se­quen­zen: Es sug­ge­riert, dass „posi­ti­ve“ Bei­trä­ge und „nega­ti­ve“ Impacts gegen­ein­an­der ver­rech­net wer­den könn­ten. So könn­te der Ver­lust von Men­schen­le­ben (wird im VBA-Ansatz mit vier Mil­lio­nen US-Dol­lar bewer­tet), zum Bei­spiel in Fol­ge eines Arbeits­un­falls, unter­neh­me­ri­schen Pro­fi­ten oder Gehäl­tern gegen­über­ge­stellt wer­den. Auch könn­te ein Unter­neh­men, des­sen Geschäfts­mo­dell aus­schließ­lich aus Koh­le­ver­stro­mung besteht, eine ins­ge­samt posi­ti­ve Bilanz nach dem VBA-Ansatz ausweisen.

Auch wenn die VBA emp­fiehlt, dass ein sol­ches Auf­rech­nen wegen der Gefahr von Green­wa­shing ver­mie­den wer­den soll­te, nut­zen es VBA-Unter­neh­men in der Pra­xis doch in ihrer Kom­mu­ni­ka­ti­on. Etwa wenn BASF schreibt, dass die posi­ti­ven Effek­te die nega­ti­ven Effek­te auf jeder Stu­fe der Wert­schöp­fungs­ket­te klar übersteigen.

  • VBA ist weder zukunfts­ge­rich­tet, noch wis­sen­schaft­lich basiert

Der Ansatz fährt nur mit dem Blick in den Rück­spie­gel. Er lässt ledig­lich Aus­sa­gen über die Ver­gan­gen­heit zu. Weder bezieht sich die Metho­dik auf wis­sen­schafts­fun­dier­te Nach­hal­tig­keits-Zie­le, noch auf dar­aus abge­lei­te­te Trans­for­ma­ti­ons­pfa­de. Damit ist unmög­lich zu sagen, ob ein Unter­neh­men tat­säch­lich zukunfts­fä­hig auf­ge­stellt ist. Die Ver­än­de­rungs­fä­hig­keit von Unter­neh­men und die Fra­ge, ob sie glaub­wür­di­ge Plä­ne haben, um bei­spiels­wei­se auf einen 1,5‑Grad-Pfad zu kom­men, wer­den nicht berücksichtigt.

Höchst pro­ble­ma­tisch ist zudem ein wei­te­rer Punkt: Der Ansatz bemisst zukünf­ti­ge Schä­den nicht nur ohne Bezug zu pla­ne­ta­ren Trag­fä­hig­kei­ten, son­dern er spricht ihnen durch die Anwen­dung von soge­nann­ten Dis­kont­ra­ten sogar einen gerin­ge­ren Wert zu als gleich­wer­ti­gen Schä­den in der Gegen­wart. Das heißt: Kos­ten, die in fer­nen Jahr­zehn­ten ent­ste­hen, wer­den nur mit einem Bruch­teil ihrer tat­säch­li­chen der­zei­ti­gen Kos­ten bewertet.

Mit dem WWF Cor­po­ra­te News­let­ter nichts mehr verpassen!

Zum Bei­spiel wird ein heu­te ver­ur­sach­ter Umwelt­scha­den in Höhe von 500 Euro, der erst in 50 Jah­ren spür­bar wird, nur mit knapp 90 Euro bewer­tet. Dabei ist davon aus­zu­ge­hen, dass die rea­len Effek­te, zum Bei­spiel für das Kli­ma, gleich sind. Denn schließ­lich ver­ur­sacht eine Ton­ne Treib­haus­ga­se heu­te den glei­chen Scha­den wie in einem hal­ben Jahr­hun­dert. Somit ist der Ansatz struk­tu­rell nicht in der Lage, steue­rungs­re­le­van­te Abwä­gun­gen für die Zukunft zu leis­ten und einen ech­ten Ver­än­de­rungs­pro­zess einzuleiten

  • Der VBA-Ansatz ist nicht entscheidungsrelevant

Unse­re heu­ti­ge Art des Wirt­schaf­tens ent­schei­det dar­über, wie schwer­wie­gend die Fol­gen der Erd­er­hit­zung und des Bio­di­ver­si­täts­ver­lusts für zukünf­ti­ge Gene­ra­tio­nen sein wer­den. Wir müs­sen viel exak­ter als bis­lang zu erfas­sen, wel­che Aus­wir­kun­gen Unter­neh­men auf Kli­ma und Umwelt haben. Eine Bericht­erstat­tung, die zur Steue­rung von Unter­neh­men in Bezug auf eine nach­hal­ti­ge Wirt­schaft die­nen soll, muss zukunfts­ge­rich­tet und wis­sen­schaft­lich basiert sein. Aus rein ver­gan­gen­heits­ba­sier­ten Infor­ma­tio­nen las­sen sich kei­ne fun­dier­ten Ent­schei­dun­gen ablei­ten. Unter­neh­me­ri­sche Steue­rung für mehr Nach­hal­tig­keit ist so nicht möglich.

Fazit: Der VBA-Ansatz – untaug­lich für mehr Nach­hal­tig­keit in Unternehmen!

Trotz die­ser Män­gel wird die Arbeit der VBA bis­her unkri­tisch in Öffent­lich­keit und Poli­tik beglei­tet. Die Initia­ti­ve und ihrer zen­tra­len Akteu­re gestal­ten an rele­van­ten Stel­len sogar aktu­el­le euro­päi­sche Gesetz­ge­bung im Bereich des Nach­hal­tig­keits­re­portings mit. Zum Bei­spiel als Mit­glied des Rats für Nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung, der EU Plat­form on Sus­tainable Finan­ce und der G7 Impact Taskforce. Die Wei­ter­ent­wick­lung des Ansat­zes wird zudem von der EU-Kom­mis­si­on geför­dert. Und auch die offi­zi­el­le Bewer­bung Frank­furts als Sitz des Inter­na­tio­nal Sus­taina­bi­li­ty Stan­dards Board, das zukünf­tig glo­ba­le Min­dest­stan­dards im Bereich der finan­zi­el­len Nach­hal­tig­keits­be­richt­erstat­tung set­zen soll, wur­de von der VBA unterstützt.

Bes­ten­falls nutzlos

Wir müs­sen drin­gend sicher­stel­len, dass der nicht aus­ge­reif­te und nicht zu Ende gedach­te Ansatz der VBA kei­nen Ein­zug in aktu­el­le oder geplan­te Regu­lie­rung fin­det. Eine gesetz­li­che Ver­an­ke­rung des VBA-Ansat­zes gäbe Unter­neh­men ein bes­ten­falls nutz­lo­ses Werk­zeug an die Hand, mit dem sich Unter­neh­men nicht-nach­hal­ti­ge Geschäf­te schön­rech­nen könnten.

So ein Stan­dard wür­de kei­nen rele­van­ten Bei­trag zu Nach­hal­tig­keits- und Kli­ma­zie­len leis­ten. Gleich­zei­tig besteht die Gefahr, dass fun­dier­te und sach­ge­rech­te Ansät­ze, wie sie der­zeit auf euro­päi­scher und inter­na­tio­na­ler Ebe­ne ent­wi­ckelt wer­den – zum Bei­spiel von der Euro­pean Finan­cial Report­ing Advi­so­ry Group (EFRAG) — behin­dert oder ver­wäs­sert wer­den. Anspruch muss es sein, bei der Inte­gra­ti­on von ESG-Fak­to­ren in die Rech­nungs­le­gung eine zukunfts­ge­rich­te­te Steue­rungs­fä­hig­keit zu etablieren.

Fol­ge uns in Social Media:
Ich arbeite beim WWF zum Thema „Sustainable Finance“ weil ich der Überzeugung bin, dass wir das Finanzsystem viel stärker einbeziehen müssen, wenn wir gesellschaftliche Ziele wie das Pariser Klimaschutzabkommen oder die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen erreichen wollen. Denn mit ihren Finanzierungs- und Investitionsentscheidungen haben Finanzmarktakteure einen großen Einfluss darauf, welche Aktivitäten in der Realwirtschaft finanziert werden und welche nicht. Beim WWF setze ich mich deshalb dafür ein, dass Kapitalströme so umgelenkt werden, dass sie den notwendigen Wandel in unserem Wirtschafts- und Gesellschaftssystems unterstützen, der notwendig ist, um unsere Lebensgrundlagen für die Zukunft zu erhalten.
Auch interessant
[Sassy_Social_Share]