Der Boden ernährt uns alle. Umso erstaunlicher, wie wenig wir uns dafür interessieren. Meistens nur an ein paar Tagen im Sommer — und dann noch am 5. Dezember.
Im Juni oder Juli sind häufig die ersten, über mehrere Tage andauernden Hitzephasen. Wälder vertrocknen, Parks und Wiesen werden braun, der Landwirtschaft geht das Tierfutter aus und die Früchte auf den Äckern verdorren. Dann werden erste Ernteausfälle gemeldet. Kurz taucht das Gespenst der Versorgungssicherheit auf. Dann schauen wir wieder auf die Böden. Und erkennen, wie wichtig es ist, sie zu schützen. Damit sie auch in trockenen Phasen noch Wasser speichern und Lebensmittel erzeugen können.
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Der zweite Anlass ist der 5. Dezember — der Welttag des Bodens. An diesem Tag werden gerne die Funktionen der Böden ins Gedächtnis gerufen. Unsere Böden versorgen uns mit Lebensmitteln. Sie sind Habitat für vielerlei Lebewesen, filtern Wasser und liefern uns Rohstoffe.
Eine Funktion oder Bedeutung findet in den letzten Jahren allerdings immer stärker Beachtung: Böden können Kohlenstoff speichern. Und das in großen Mengen. In den Böden unserer Erde ist mehr Kohlenstoff gespeichert als in der gesamten oberirdischen Biomasse zusammen. Vor dem Hintergrund der immer weiter steigenden Treibhausgasemissionen eine beachtliche Tatsache.
In Europa sind nur drei Prozent der landwirtschaftlichen Fläche Moorböden. Allerdings sind die für ein Viertel der Emissionen aus der Landwirtschaft verantwortlich. Etwa ein Viertel der Landesfläche der Europäischen Union ist Ackerland. Und auch Ackerland kann große Mengen Kohlenstoff speichern.
Es könnte noch viel mehr gespeichert werden
Wir haben in einer Studie des WWF überschlagen, dass Verbesserungen im Ackerbau, wie mehr unterschiedliche Kulturen, reduzierte Stickstoffdüngung und weniger Pestizide, dazu führen können, dass pro Hektar und Jahr durchschnittlich 300 Kilogramm Kohlenstoff in Form von Humus im Boden gespeichert werden können. Das entspricht etwas mehr als einer Tonne CO2. Auf die gesamte ackerbaulich genutzte Fläche der Europäischen Union hochgerechnet ergäbe sich hier ein CO2-Speicherpotenzial von 113 Millionen Tonnen, was fast einem Drittel der momentanen Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft in der Europäischen Union entspricht.
Speicherziele für Ackerböden in der Diskussion
Diese Tatsache ist unter dem Schlagwort Carbon Farming derzeit Gegenstand vieler Diskussionen über die Kohlenstoffspeicherung in der Landwirtschaft. Und wie sie honoriert werden soll. Es wird diskutiert, ob die Landwirtschaft in den Emissionshandel aufgenommen werden soll. Gleichzeitig formieren sich eine Reihe von Initiativen und Unternehmen, die den Humusaufbau über freiwillige Klimaschutzzertifikate fördern wollen.
Doch diese Überlegungen sind nicht zielführend:
- Die Einbeziehung der Landwirtschaft in den Emissionshandel ist nicht sinnvoll, denn die Reduktionsverpflichtung des Sektors Landwirtschaft müsste zunächst selbst angegangen werden. Immerhin ist der Sektor Landwirtschaft immer noch Netto-Emittent.
- Der Boden als Kohlenstoffspeicher ist sehr unbeständig. Landwirtschaftliche Böden können Kohlenstoff in Form von Humus langfristig speichern, wenn sie mit genügend organischem Material versorgt werden. Ändert sich allerdings die Bewirtschaftung oder externe Einflüsse wie Temperatur, Wasser oder ph-Wert, kann Humus auch wieder abgebaut werden. Und dabei CO2 freisetzen. Die Standortgegebenheiten sind in Hauptfaktoren für den Humusgehalt natürlicher Böden. Diese Faktoren können jedoch durch die Bewirtschaftung von Acker- und Grünland überprägt werden. Dies gilt nicht nur für die humusvernichtende Drainierung von Feuchtböden oder für Grünlandumbruch, sondern für Ackerböden allgemein. Viehhaltung und Fruchtfolgen, Bodenbedeckung und Maschineneinsatz beeinflussen den Humusgehalt stark. Im Übrigen herrschen in Agrarlandschaften Lokal- und Mikroklimata, die sich durch Landschaftsstruktur und Bewirtschaftung erklären und die Bedingungen für Humus mitbeeinflussen.
- Die Messung und Inwertsetzung (Monitoring & Evalulation) von Kohlenstoffspeicherung ist schwierig und kostspielig. Es ist einfach sehr schwer festzulegen, von welchem Level an Kohlenstoffgehalt man in den Ackerböden ausgeht. Diese variieren sehr stark nach Region, Klima und Bewirtschaftungsweise. Es ist auch eine Frage der Gerechtigkeit, welche Bauern Geld für Humusaufbau bekommen. Ist es zu rechtfertigen, wenn Bauern, die bereits seit Jahrzehnten Humus aufgebaut haben und nun nur noch wenig Potential für weitere CSpeicherung haben, weniger Geld bekommen können als die, die ihre Böden ausgelaugt haben? Wie können Bauern auf Standorten, auf denen nur schwer Humus aufzubauen ist, genauso honoriert werden, wie Bauern auf guten Standorten?
- Der Sektor ist nicht geeignet, um freiwillige Klimaschutzzertifikate zu generieren. Zum einen gibt es die vielen Unsicherheiten. Zum anderen ist die Zusätzlichkeit kaum gegeben. Zusätzlichkeit heißt, dass ein Klimaschutzprojekt über freiwillige Klimaschutzzertifikate zusätzlich zu bestehenden Projekten finanziert werden muss. Die Zusätzlichkeit ist das wichtigste Prinzip, wenn man ein Klimaschutzprojekt über freiwillige Klimaschutzzertifikate finanzieren will. Die Zusätzlichkeit bei Humusausbau ist aber sehr schwer zu beweisen.
- Der Humusaufbau darf Anstrengungen in den anderen Wirtschaftssektoren nicht ersetzen. Um Netto-Null-Treibhausgasemissionen bis spätestens 2050 zu erreichen, müssen Unternehmen anhand einer wissenschaftlich fundierten 1,5°CStrategie vor allem ihre eigenen Emissionen drastisch reduzieren. Darüber hinaus müssen bestehende biogene Kohlenstoffvorräte in den Wertschöpfungsketten erhalten bleiben. Unternehmen müssen sich also zu entwaldungsfreien Lieferketten bekennen und diese umsetzen. Für CO2-Emissionen, die (noch) nicht reduziert werden können, sollten Unternehmen ein internes CO2-Budget festlegen. Mit diesem internen “Klima-Budget“ kann in Klimaschutzprojekten investiert werden, die aber nicht für Kompensationszwecke angerechnet werden können.
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Unterm Strich ist festzuhalten: Die Gleichung „1 Tonne fossile CEmissionen – 1 Tonne CSpeicherung = 0 Emissionen“ geht einfach nicht auf. Denn wir brauchen viel mehr als ein Null-Summen-Spiel, um die Ziele des Pariser Abkommens einzuhalten. Es müssen sowohl Emissionen reduziert werden, als auch Kohlenstoff so lange wie möglich gespeichert werden. Daher brauchen wir separate Reduktionsziele und Speicherziele, die nicht miteinander verrechnet werden können.
Ja, landwirtschaftlich genutzte Böden können eine Rolle bei den Speicherzielen spielen. Aber sie dürfen nicht einseitig als Kohlenstofflager gesehen werden. Die Anpassung unserer Böden an die Folgen des Klimawandels und deren Funktion als Habitat für Bodenlebewesen, das wiederum die Fruchtbarkeit der Böden massiv bestimmt, müssen im Vordergrund stehen.
Kommentare (1)
Super geschriebener und informativer Artikel :-). In diesen Blog werde ich mich noch richtig einlesen