So geht Zukunft: Super­blocks und Fahrradstadt

Mobilität der Zukunft: Fahrrad vor dem Arc de Triomphe in Paris © IMAGO-Le-Pictorium

So geht Zukunft

Das haben wir alle ver­stan­den: Wir müs­sen unser Leben sozi­al-öko­lo­gisch aus­rich­ten, um die Gren­zen unse­res Pla­ne­ten nicht zu über­schrei­ten. Doch wie geht das? Wir haben uns gemein­sam mit dem Insti­tut für öko­lo­gi­sche Wirt­schafts­for­schung (IÖW) auf die Suche nach guten sozi­al-öko­lo­gi­schen Vor­bil­dern gemacht. Und haben dabei erstaun­lich viel­fäl­ti­ge inno­va­ti­ve Ansät­ze mit posi­ti­ven öko­lo­gi­schen und sozia­len Effek­ten gefun­den. So geht Zukunft. Wir stel­len eini­ge die­ser Ansät­ze in locke­rer Serie hier vor. Hier: Mobi­li­tät

Bar­ce­lo­na. Mil­lio­nen Tou­ris­ten pil­gern jedes Jahr durch die Stadt. Sie bestau­nen den Bau­fort­schritt an der Sagra­da Fami­lia, einer Kathe­dra­le, die wohl nie­mals fer­tig wird, fla­nie­ren über die Ram­blas und das Bar­rio Góti­co. Oder machen einen Abste­cher zum FC Bar­ce­lo­na ins Camp Nou.

Neu­er­dings mischen sich unter die Fans von Jugend­stil­bau­wer­ken und gepfleg­tem Ball­be­sitz­fuß­ball ver­mehrt Ver­kehrs­pla­ner und Lokal­po­li­ti­ker, um einen neu­en Ansatz in der Stadt­pla­nung unter die Lupe zu neh­men: „Superil­les“ oder „Super­blocks“ heißt das Kon­zept, das inzwi­schen auch außer­halb Kata­lo­ni­ens Nach­ah­mer fin­det. Auch In Ber­lin ent­ste­hen nach dem Vor­bild Bar­ce­lo­nas Blocks, in denen kaum noch Autos fah­ren dürfen.

Das Prin­zip ist ein­fach. Schach­brett­ar­tig wer­den rund ein Dut­zend Häu­ser­blö­cke ver­kehrs­tech­nisch zu Inseln zusam­men­ge­fasst, aus denen der Durch­gangs­ver­kehr sys­te­ma­tisch aus­ge­sperrt wird. Anders als in auto­frei­en Quar­tie­ren dür­fen Anwoh­ner mit ihren Fahr­zeu­gen wei­ter bis vor die Haus­tür fah­ren und auch der Lie­fer­ver­kehr hat Zugang, aller­dings mit deut­lich redu­zier­ter Geschwin­dig­keit. Geparkt wird in Tief­ga­ra­gen. Fuß­gän­ger und Rad­fah­rer haben grund­sätz­lich Vor­rang. Ers­te Pilot­pro­jek­te gab es schon in den 1990er Jah­ren. Doch erst in den letz­ten Jah­ren scheint das Kon­zept rich­tig durchzustarten.

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Der Grund dafür liegt zum einen an den poli­ti­schen Mehr­heits­ver­hält­nis­sen in der Stadt. Zum ande­ren an einem erheb­li­chen Lei­dens­druck. Wie die meis­ten Groß­städ­te ist Bar­ce­lo­na in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten mehr und mehr unter die Räder gekom­men. Die Stadt lei­det seit Jah­ren unter Staus, hoher Luft­ver­schmut­zung und Lärm­be­las­tung. Jedem Bewoh­ner ste­hen durch­schnitt­lich nur 6,6 Qua­drat­me­ter Grün­flä­che zur Ver­fü­gung, in den Innen­stadt­vier­teln sogar nur 1,85 — wäh­rend die WHO min­des­tens neun Qua­drat­me­ter pro Kopf empfiehlt.

Lebens­qua­li­tät statt Stau

Zeit etwas zu ändern, nicht nur in Kata­lo­ni­en. Es geht letzt­lich dar­um, die Stadt nicht mehr allein durch die Wind­schutz­schei­be zu pla­nen. Noch bean­spru­chen Autos 60 Pro­zent der Ver­kehrs­flä­che in Bar­ce­lo­na, sie bewäl­ti­gen aber nur 20 Pro­zent der Mobi­li­tät. Mit den Super­blocks will die Stadt die Domi­nanz der Autos bre­chen. Das beginnt bei der Neu­ver­tei­lung des öffent­li­chen Raums. Neue Rad- und Fuß­we­ge wer­den gebaut, zwi­schen die Häu­ser pflanzt man Bäu­me. Es ent­ste­hen Plät­ze mit Bän­ken und Spiel­mög­lich­kei­ten, die als „erwei­ter­tes Wohn­zim­mer“ eine gemein­schaft­li­che Nut­zung der Stra­ßen ermög­li­chen sol­len. Im Ide­al­fall ent­ste­hen Cafés, Spiel­stra­ßen und klei­ne grü­ne Oasen, die die gan­ze Nach­bar­schaf­ten auf­blü­hen las­sen. Das Gan­ze hat aller­dings auch einen Haken: Nicht nur die Lebens­qua­li­tät steigt, son­dern auch die Mie­ten. Die Angst vor Gen­tri­fi­zie­rung geht um.

Lebens­qua­li­tät statt Stau: Superil­les in Bar­ce­lo­na © ima­go / ZUMA Press

Viel­leicht wird sich die­ses Pro­blem lösen, wenn die Zahl der umge­stal­te­ten Quar­tie­re wächst. Bis­lang hat Bar­ce­lo­na sechs sol­cher Super­blocks rea­li­siert. Dort woh­nen gera­de mal 40.000 der 5,6 Mil­lio­nen Bewoh­ner. Es bleibt also noch eini­ges zu tun, damit das Kon­zept mess­ba­re Wir­kung ent­fal­tet. Die Stadt­ver­wal­tung will 500 wei­te­re Blocks umset­zen. Die Ver­ant­wort­li­chen rech­nen damit, dass dadurch der moto­ri­sier­te Indi­vi­du­al­ver­kehr um knapp 20 Pro­zent zurück­geht und damit zugleich Luft­ver­schmut­zung und Lärm­be­las­tung in den Quartieren.

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Vie­le Städ­te sind inzwi­schen auf der Suche nach Wegen aus der ver­kehrs­po­li­ti­schen Sack­gas­se. Die Coro­na Pan­de­mie hat inno­va­ti­ve Ansät­ze vie­ler­orts beschleu­nigt. Auch wenn aus Angst vor Anste­ckung so man­cher wie­der die Flucht ins eige­ne Auto ange­tre­ten hat, wer­den vie­le Pop-Up-Rad­we­ge nach der Pan­de­mie nicht wie­der mehr­spu­ri­gen Schnell­stra­ßen wei­chen. Die Mobi­li­täts­wen­de hat Fahrt auf­ge­nom­men. Beob­ach­ten kann man das bei­spiels­wei­se in Paris. Bür­ger­meis­te­rin Anne Hidal­go hat vor Kur­zem ange­kün­digt, die welt­be­kann­ten Champs-Ély­sées in einen außer­ge­wöhn­li­chen Gar­ten zu verwandeln.

Paris, Stadt der Fahrräder

Bis es soweit ist kön­nen sich die Pari­ser bereits an die moder­nen Zei­ten gewöh­nen. An jedem ers­ten Sonn­tag im Monat ist der Pracht­bou­le­vard und vier wei­te­re Innen­stadt­be­zir­ke bereits seit 2019 für den Auto­ver­kehr gesperrt. Wenn das auto­freie Zen­trum von kommt, sol­len dort elek­tri­sche Shut­tle­bus­se für zusätz­li­che Mobi­li­tät sorgen.

Die Plä­ne sind Teil eines grö­ße­ren Vor­ha­bens, Die Bür­ger­meis­te­rin ist ange­tre­ten für eine Stadt der kur­zen Wege. In 15 Minu­ten soll jeder Bür­ger Super­märk­te, Schu­len und Ärz­te zu Fuß oder per Fahr­rad errei­chen können.

Fahr­rad for future

Paris ist damit auf den Spu­ren von Ams­ter­dam oder Kopen­ha­gen. Ins­be­son­de­re das Fahr­rad soll als inner­städ­ti­sches Ver­kehrs­mit­te an Bedeu­tung gewin­nen. 60.000 Park­plät­ze wer­den gestri­chen. Statt­des­sen sol­len in den nächs­ten Jah­ren in jeder Stra­ße ein Fahr­rad­weg entstehen.

Was­ser als Verkehrsweg

Es tut sich eini­ges in der fran­zö­si­schen Haupt­stadt und nicht nur auf Stra­ßen und Plät­zen, son­dern auch auf der Sei­ne. Vor­rei­ter war der Lebens­mit­tel­händ­ler Fanx­prix. Das Unter­neh­men star­te­te 2012 damit, sei­ne Märk­te auf dem Was­ser­weg zu belie­fern. Inzwi­schen wer­den rund 300 Super­märk­te auf die­se Wei­se ver­sorgt. Last­käh­ne fah­ren täg­lich zwei Hal­te­punk­te in der fran­zö­si­schen Haupt­stadt an und lie­fern Con­tai­ner voll mit Tro­cken­nah­rungs­mit­tel, Haus­halt­wa­ren und Geträn­ken. Nur die letz­ten Kilo­me­ter Super­markt wer­den noch mit dem LKW bewältigt.

Die Rück­be­sinn­nung auf die Bin­nen­schiff­fahrt ist ein wenig aus der Not gebo­ren, denn schon lan­ge ächzt die Metro­po­le unter dem zuneh­men­den Waren­ver­kehr. Das enge Pari­ser Stra­ßen­netz ist dem inner­städ­ti­schen Schwer­last­ver­kehr nicht gewach­sen und es fehlt an geeig­ne­ten Park­mög­lich­kei­ten. Das führt nicht nur zu Frust bei Kun­den und Lie­fe­ran­ten, son­dern auch zu hoher Belas­tung der Stra­ßen, Staus und Luftverschmutzung.

Fracht­käh­ne ver­brau­chen im Ver­gleich zum Waren­trans­port mit Lkws fünf­mal weni­ger Kraft­stoff. Kein Wun­der also, dass die Stadt Güter­ver­kehr auf Was­ser­stra­ßen för­dern will. Ins­ge­samt soll er sich ver­drei­fa­chen — und damit zwei Mil­lio­nen Last­wa­gen­fahr­ten einsparen.

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