Fünf Jah­re Paris: Wie 2021 eine Ant­wort auf die Kli­ma­ka­ta­stro­phe fin­den kann

Weiß, wovon er spricht: Manuel Pulgar -Vidal © Tiana Hunter / Orange Photography / WWF-US

Die ein­jäh­ri­ge Ver­zö­ge­rung ist eine Chan­ce den glo­ba­len Kli­ma­schutz neu zu bele­ben, schreibt Manu­el Pul­gar-Vidal, Lei­ter Kli­ma von WWF Inter­na­tio­nal und ehe­ma­li­ger COP20-Präsident.

Wenn die Din­ge anders gelau­fen wären, wären wir die­ses Jahr in Glas­gow und wür­den an den jähr­li­chen UN-Kli­ma­ver­hand­lun­gen teil­neh­men. Die COP wur­de aller­dings um ein Jahr ver­scho­ben. Auch wenn das wegen der Pan­de­mie unver­meid­lich wur­de, kön­nen wir uns eine Ver­zö­ge­rung ange­sichts der Kli­ma­kri­se kaum leis­ten. Aber sie gibt uns die Zeit sicher­zu­stel­len, dass wir über die Pro­zes­se und den poli­ti­schen Wil­len ver­fü­gen, die für einen Erfolg der COP erfor­der­lich sind.

Die COP26 in Glas­gow ist jetzt für den 1. bis 12. Novem­ber 2021 geplant. Die bri­ti­sche Regie­rung arbei­tet als COP-Prä­si­dent­schaft hart dar­an, Dyna­mik und poli­ti­schen Wil­len zu gewähr­leis­ten. Eini­ge der welt­weit größ­ten Ver­ur­sa­cher von CO2-Emis­sio­nen haben Ankün­di­gun­gen gemacht, die den poli­ti­schen Kli­ma­stau durch­bre­chen könn­ten. Und dazu kommt das Ver­spre­chen des desi­gnier­ten US-Prä­si­den­ten Joe Biden, dem Pari­ser Abkom­men wie­der beizutreten.

COP 26: Glas­gow könn­te das neue Paris sein

Die COP26 ver­spricht aus zwei Haupt­grün­den rich­tungs­wei­send zu wer­den. Ers­tens, weil die COVID-19-Pan­de­mie die Wirt­schaft, ja die gan­ze Welt erschüt­tert hat. Die sozia­len und wirt­schaft­li­chen Ver­wer­fun­gen und die Maß­nah­men, mit denen dar­auf reagiert wird, haben das Poten­zi­al die Zukunft umzu­ge­stal­ten. Die COP26 wird die Par­tei­en zusam­men­brin­gen, um die glo­ba­len Bemü­hun­gen zur Bewäl­ti­gung der Kli­ma­kri­se in einem radi­kal ande­ren Umfeld neu zu star­ten. Und neu auszurichten.

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Zwei­tens, weil die Unter­zeich­ner des Pari­ser Abkom­mens die nächs­te Run­de natio­na­ler Kli­ma­bei­trä­ge vor­le­gen müs­sen. Die­se Natio­nal­ly Deter­mi­ned Con­tri­bu­ti­ons (NDCs) wur­den erst­mals 2015 ein­ge­reicht. Sie soll­ten nun mit ehr­gei­zi­ge­ren Zie­len für 2030 über­ar­bei­tet wer­den. Und eben­falls die lang­fris­ti­gen Stra­te­gien fest­le­gen, wie und wann die Län­der Net­to-Null-Emis­sio­nen errei­chen wollen.

Das Pari­ser Kli­ma­ab­kom­men muss jetzt jeden Tag gelebt wer­den CC0 Syam Sun­dar https://unsplash.com/photos/jQGgk8nziFo

Die­se Plä­ne sind von ent­schei­den­der Bedeu­tung. Sie wer­den ein wich­ti­ger Prüf­stein für die Errei­chung der Zie­le des Pari­ser Abkom­mens sein. Die bri­ti­sche Regie­rung muss ihr diplo­ma­ti­sches Netz­werk und ihren glo­ba­len Ein­fluss nut­zen, um die­se Bemü­hun­gen im kom­men­den Jahr zu maxi­mie­ren. Unab­hän­gig vom Ergeb­nis die­ser Run­de zur Ver­bes­se­rung der natio­na­len Zie­le wird die COP26 die Auf­ga­be haben, das kol­lek­ti­ve Ergeb­nis und den Stand der glo­ba­len Kli­ma­be­mü­hun­gen zu bewer­ten — und dar­auf zu reagieren.

Was macht Biden, was die EU, was China?

Die COP muss so etwa die Aus­wir­kun­gen der Rück­kehr der USA zum Pari­ser Abkom­men bewer­ten. Biden hat natio­na­le Maß­nah­men zur Beschleu­ni­gung der Dekar­bo­ni­sie­rungs­be­mü­hun­gen fest­ge­legt. Die COP26-Prä­si­dent­schaft muss auch die vor kur­zem von der EU und Chi­na ange­kün­dig­ten ein­schnei­den­den Ver­pflich­tun­gen für Emis­si­ons­re­duk­ti­ons­zie­le betrach­ten. Chi­na hat sich dazu ange­kün­digt, bis 2030 einen Höchst­stand der Treib­haus­gas­emis­sio­nen zu errei­chen und bis 2060 (und im Fal­le der EU bis 2050) Net­to-Null-Emis­sio­nen zu erreichen.

Wir hof­fen, dass Prä­si­dent Xi Jin­ping noch vor Jah­res­en­de ein neu­es und ehr­gei­zi­ge­res NDC ver­öf­fent­licht. Die EU hat auch Schrit­te zur Erwei­te­rung ihrer Zie­le für 2030 unternommen.

Gip­fel der Ambitionen

Dar­über hin­aus ver­an­stal­ten Groß­bri­tan­ni­en und Frank­reich am 12. Dezem­ber, dem fünf­ten Jah­res­tag der Ver­ab­schie­dung des Pari­ser Abkom­mens, einen Kli­ma­gip­fel. Auch hier hof­fen wir, dass die Ver­an­stal­tung eine Platt­form bie­ten wird, um ehr­gei­zi­ge Zie­le und Stra­te­gien vorzustellen.

Mit stär­ke­ren Zusa­gen Chi­nas, der EU und Groß­bri­tan­ni­ens und der bevor­ste­hen­den Rück­kehr der USA könn­te sich eine ernst­haf­te Dyna­mik ent­wi­ckeln, an der es bis vor kur­zem stark gefehlt hat. Ähn­li­che Impul­se könn­ten aus dem pri­va­ten Sek­tor und von sub­na­tio­na­len Akteu­ren kom­men. Die von den Ver­ein­ten Natio­nen ein­be­ru­fe­ne Net-Zero Asset Owners Alli­ance, die Initia­ti­ve “Sci­ence Based Tar­gets” und die Kam­pa­gne “Race to Zero” tra­gen dazu bei, die Grund­la­gen für ein erfolg­rei­ches Kli­ma­jahr 2021 zu schaffen.

Wor­auf kön­nen wir uns 2021 freuen?

Der COP-Pro­zess muss sich von der ver­lo­re­nen Dyna­mik der letz­ten Jah­re erho­len, etwa mit einer grö­ße­ren Tages­ord­nung für die Gesprä­che. Seit Paris waren die COPs wenig inspi­rie­ren­de Zusam­men­künf­te mit wenig Sinn für die Dring­lich­keit der anste­hen­den Herausforderung.

Die COP26 kann eine inspi­rie­ren­de Visi­on ent­wer­fen, die der Bedro­hung und der Chan­ce, vor der wir ste­hen, gerecht wird. Sie kann Hoff­nung und Enthu­si­as­mus für die kom­men­den Jah­re ent­fa­chen. Und einen drin­gend benö­tig­ten Fahr­plan zur Aus­rich­tung der glo­ba­len Kli­maagen­da vorlegen.

Sechs Säu­len für Kli­ma­schutz­maß­nah­men für die COP26

Wir haben sechs Säu­len fest­ge­legt, bei denen die COP26 Ergeb­nis­se erzie­len muss. Die­se sind:

1) Lösung offe­ner Fragen

Dazu gehö­ren

  • die Bei­le­gung von Strei­tig­kei­ten über den Emissionshandel
  • die Ver­ein­ba­rung, dass alle Län­der NDCs für die glei­chen Zeit­räu­me festlegen
  • ein Durch­bruch bei der Finan­zie­rung von Schä­den und Ver­lus­te durch den Klimawandel
  • die Sicher­stel­lung des Ziels von 100 Mil­li­ar­den Dollar/Jahr an Klimafinanzierung
  • einen COP-Beschluss, der den vor­an­schrei­ten­den Pro­zess definiert.

2) Stär­kung der NDCs und lang­fris­ti­gen Strategien

Ver­bes­ser­te NDCs sind für den Erfolg des Pari­ser Abkom­mens von wesent­li­cher Bedeu­tung. Alle Län­der müs­sen ihre Plä­ne so bald wie mög­lich vor­le­gen. Dar­über hin­aus muss das UN-Kli­ma­se­kre­ta­ri­at den Gesamt­ef­fekt die­ser neu­en NDCs ana­ly­sie­ren und dar­über Bericht erstat­ten. Wir müs­sen wis­sen, ob sie uns auf eine Flug­bahn von 1,5°C brin­gen. Wir müs­sen auch zuse­hen, dass der UN lang­fris­ti­ge Net­to-Null-Stra­te­gien vor­ge­legt werden.

3) Stär­kung der Agen­da nicht­staat­li­cher Akteure

Die akti­ve Betei­li­gung von Unter­neh­men, Städ­ten, Regio­nen, Inves­to­ren und der Zivil­ge­sell­schaft war für die Dyna­mik nach Paris von ent­schei­den­der Bedeu­tung. Ihre Rol­le soll­te aus­ge­wei­tet wer­den, indem etwa die Indus­trie ermu­tigt wird, glo­ba­le Emis­si­ons­zie­le fest­zu­le­gen, die mit der Kli­ma­wis­sen­schaft abge­stimmt sind.

4) Zusam­men­hang zwi­schen Kli­ma und Natur

Die Natur ist durch die Kli­ma­kri­se ernst­haft gefähr­det. Sie hat aber gleich­zei­tig auch das Poten­zi­al für eine erheb­li­che Min­de­rung der Emis­sio­nen. Natur­ba­sier­te Lösun­gen kön­nen den Men­schen und der bio­lo­gi­schen Viel­falt oft einen Zusatz­nut­zen brin­gen und zur Errei­chung der UN-Zie­le für nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung bei­tra­gen. Natur­ba­sier­te Lösun­gen müs­sen ein Schlüs­sel­be­reich der Zusam­men­ar­beit sein. Die Ver­bin­dun­gen zwi­schen der Kon­ven­ti­on über die bio­lo­gi­sche Viel­falt (CBD) und der COP26 müs­sen wir stär­ken. Das “Leader’s Pledge for Natu­re” ist bereits ein Hin­weis auf den poli­ti­schen Appe­tit auf so etwas.

5) Grü­ne Erholung

Die Pan­de­mie droht, die Maß­nah­men zum Kli­ma­schutz zu ver­schie­ben oder sogar auf­zu­he­ben. Statt­des­sen müs­sen die Län­der sicher­stel­len, dass die Wie­der­auf­bau­plä­ne für die Zeit nach COVID-19 auch die dop­pel­te Her­aus­for­de­rung von Kli­ma und Natur ange­hen. Dafür müs­sen sie das Poten­zi­al grü­ner Arbeits­plät­ze nut­zen und den Ener­gie­wan­del fördern.

6) Kli­ma­fi­nan­zie­rung

Wir hof­fen auf eine Aus­rich­tung des Finanz­sek­tors an den glo­ba­len Kli­ma­zie­len. Anla­ge­port­fo­li­os müs­sen so posi­tio­niert sind, dass die Begren­zung auf das 1,5°C‑Ziel erreicht wird. Das Kli­ma­ri­si­ko muss obli­ga­to­risch offen­ge­legt, wis­sen­schaft­lich fun­dier­ten Zie­le für Unter­neh­men und Inves­to­ren geför­dert wer­den.  Ent­wal­dung und fos­si­le Brenn­stof­fe dür­fen nicht mehr finan­ziert wer­den. Die Län­der soll­ten auch ihre Ver­pflich­tun­gen im Bereich der öffent­li­chen Finan­zen erfül­len und ausbauen.

Die­se Zie­le stel­len ein abso­lu­tes Mini­mum für die Wie­der­be­le­bung des inter­na­tio­na­len Kli­ma­pro­zes­ses dar. Wir hof­fen, dass das Jahr 2021, in dem wir aus der glo­ba­len COVID-19-Pan­de­mie her­vor­ge­hen und die Men­schen auf der gan­zen Welt zuneh­mend Maß­nah­men zur Bewäl­ti­gung der Kli­ma­kri­se for­dern, die ver­lo­re­ne Zeit wie­der auf­ho­len. Und eine über­zeu­gen­de Ant­wort auf die Kli­ma­kri­se liefern.

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Manuel Pulgar-Vidal ist der globale Klima- und Energiechef von WWF International. Zuvor unter anderem Umweltminister von Peru - und Präsident der COP20 in Lima im Jahr 2014.
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