Tag 5 unserer Expedition zum Schneeleoparden ganz im Westen der Mongolei:
Der Ofen in unserem Ger — dem Nomadenzelt — wird einmal am Tag, meist am frühen Abend, kräftig mit getrocknetem Dung gefüllt und zum Glühen gebracht. Dann hat es innen gut und gerne 40 Grad, egal wie kalt es ist. Danach wird es sukzessive kälter. Wir gehen also abends nur leicht zugedeckt schlafen, werden aber nachts mehrfach fröstelnd gezwungen eine Lage Kamelhaardecke nachzulegen. Und noch eine. Bis morgens nur noch die kalte Nase herausguckt.
Mongolen unterteilen die Winterkälte in neun Kategorien
Die erste: Wenn der Stutenmilchschnaps gefriert. Die schlimmste: Wenn einem Yak der Schwanz abfällt. So weit ist es noch lange nicht. Es ist sonnig und kalt, wenig Schnee. Hier fallen pro Jahr ohnehin nur 200 Millimeter Regen. Wir Westler sind alle schichtenweise eingepackt und völlig ok, solange wir in Bewegung sind, idealerweise in der Sonne. Richtig böse ist der Wind. Den fürchten auch die Mongolen. Und so treiben viele Hirten im Winter ihre Tiere in die Berge hinein, in der Hoffnung dort an einem windgeschützten Ort besser zu überwintern.
Ärger im Revier
Schafe, Pferde, Ziegen – leichte Beute im Revier des Schneeleoparden. Im Winter steigen dadurch die Fälle der gerissenen Nutztiere. Die Hirten wollen sich nur zu oft am Schneeleoparden rächen, indem sie ihre (verbotenen) Murmeltier-Fallen aufstellen. Diese schlagen dem Leoparden leicht ein Bein ab. Die Kollegen zeigen uns schlimme Bilder.
Hier im Nationalpark Khar Us Nuur dürfen die Hirten ihre Tiere nicht weiden, trotzdem sehen wir fast täglich Herden. Hunderte Tiere, darunter viele Ziegen. Diese gelten als besonders schädlich, weil sie nicht knabbern, sondern die ganze Pflanze mit der Wurzel aus dem Boden ziehen. Wo viele Ziegen waren, da wächst nichts mehr.
Die Hirten sehen es als ihr Naturrecht an prinzipiell überall zu weiden. Kontrollieren dürfen WWF-Ranger nicht, das ist Sache des Staates. Der WWF muss also überzeugen, um voran zu kommen. Ein Punkt, an dem das Schneeleopardenprogramm des WWF Mongolei ansetzt: Die Hirten dazu bringen, ihre Herden nicht in die Reviere der Schneeleoparden zu treiben. Genau dafür brauchen wir Daten von den Satellitenhalsbändern — denn bisher wissen wir nicht genau, was die Hauptstreifgebiete der Schneeleoparden sind.
Schneeleopard in der Nähe!
Abends große Aufregung: Wenige Kilometer südlich hat ein Schneeleopard ein Schaf gerissen. Der Hirte hat den WWF angerufen, was uns überrascht und die Kollegen freut. Als wir dort in der Dunkelheit ankommen ist der Schneeleopard natürlich nicht zu sehen. Die Mongolen wissen aber, dass das Tier häufig zu seinem Riss zurückkehrt. Sie bauen eine Falle auf, vielleicht klappt es ja hier. Besonders optimistisch sind sie nicht. Der Schneeleopard ist schlau. Wir sehen ihn nicht, er sieht aber alles. Das glaubt hier jeder.
Naturfotograf Thorsten übernachtet bei den Hirten. Er glaubt an die Chance auf sein Foto am frühen Morgen.
Hallo Herr Samson,
weiter oben im Kommentar schreiben Sie, dass solche Fallen den Tieren die Beine abschlagen. In einer solch grausamen Falle wurde dann der arme Leopard gefangen?
Der WWF erlaubt und unterstützt also solch schmerzhafte Verletzungen beim Fang? Widerlich! Selbst Seilzugfallen fügen den Tieren furchtbare Verletzungen zu. Sie reißen sich beim Versuch zu fliehen oft die Glieder ab. Finden das die Biologen vom WWF gut?
Ich dachte die wollen Tiere vor Leiden beschützen?
Hallo, ich schreibe in dem Beitrag von Murmeltierfallen, die Schneeleoparden tatsächlich schwer verletzten können. Die Murmeltierjagd war in der Mongolei sehr populär, ist inzwischen aber verboten. Trotzdem gibt es noch viele von diesen Fallen. Der WWF Mongolei hat schon hunderte dieser Fallen eingesammelt und vernichtet, Schulkinder haben auch eine Inititaive gestartet, bei der diese Fallen gegen einfache Haushaltsgegenstände eingetauscht werden können.
Die Biologen des WWF Mongolei benutzen hingegen so genannte Aldrich-Fallen. Diese haben sich für das Fangen des Schneeleoparden bei den extremen Bedingungen im Gebirge der Westmongolei als die beste Option erwiesen, wie mir versichert wurde. Die Gefahr einer Verletzung ist beim Fangen eines Wildtieres sicherlich nie völlig auszuschließen. Man kann aber Vorsichtsmaßnahmen treffen. Die Besenderung des Schneeleoparden durch den WWF Mongolei fand natürlich unter veterinärmedizinischer Überwachung und Versorgung statt.
Den bisher vom WWF Mongolei gefangenen Schneeleoparden scheint die Besenderung jedenfalls nicht geschadet zu haben — die Satellitendaten zeigen den zu erwartenden, großen Bewegungsradius. Und ein besenderter weiblicher Schneeleopard hat sich seitdem auch schon nachweislich vermehrt.
Lieben Gruß!