Gif­ti­ge Weih­nach­ten für die Bie­nen: Not­fall­zu­las­sun­gen für Neonicotinoide 

Was nützt der ganze Insektenschutz, wenn längst Verbotenes wieder zurückkommt? © Florian Lauer / WWF

Es ist das völ­lig fal­sche Signal: Wäh­rend in ganz Deutsch­land Stra­te­gien, Pro­gram­me und Geset­ze zum Insek­ten­schutz erar­bei­tet und umge­setzt wer­den, wird eine Hin­ter­tür für Neo­ni­co­ti­no­ide geöffnet. 

Vie­le Zucker­rü­ber­n­bau­ern sind vom Ver­gil­bungs­vi­rus betrof­fen. Es dro­hen Ernet­aus­fäl­le. Meh­re­re Bun­des­län­der und Ver­bän­de haben sich des­we­gen für eine Not­fall-Behand­lung des Saat­guts mit Pflan­zen­schutz­mit­teln aus der Grup­pe der Neo­ni­ko­tin­o­ide ent­hal­ten. Die­se dür­fen aber seit 2018 EU-weit grund­sätz­lich nicht mehr im Acker­bau ver­wen­det werden.

War­um Neo­ni­co­ti­o­no­ide so schäd­lich sind

Die­se Grup­pe an sehr effek­ti­ven Pflan­zen­schutz­mit­teln wur­de aus gutem Grund von der Wis­sen­schaft ins Visier genom­men. Der Ver­dacht, dass sich die schäd­li­che Wir­kung eben nicht nur auf die Ziel-Orga­nis­men beschränkt, erhär­te­te sich. Gif­ti­ge Rück­stän­de in Pol­len und Nek­tar wer­den von den bestäu­ben­den Insek­ten auf­ge­nom­men. Und selbst wenn sich die Neo­ni­ko­tin­o­ide durch die Wit­te­rung zer­set­zen, sind die Abbau­pro­duk­te eben­falls toxisch.  

Ver­bo­ten — aber mit Ausnahmen

Fol­ge­rich­tig wur­den die wich­ti­gen neo­ni­co­ti­no­iden Wirk­stof­fe Clothia­ni­dinImi­da­clo­prid und Thi­a­me­th­oxam in der Euro­päi­schen Uni­on  ver­bo­ten. Doch es gibt wie­der­holt Aus­nah­men.  Mit Fol­gen: Die bereits mehr­fa­che Ertei­lung von Aus­nah­men unter dem Label „Not­fall­zu­las­sung“ unter­höhlt seit Jah­ren die Ver­bo­te. Und die red­li­chen Bemü­hun­gen zum Insek­ten­schutz.  

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Was nützt der mit hei­mi­schem Saat­gut ange­leg­te Blüh­strei­fen oder die neu gepflanz­te Hecke, wenn Bie­ne und Co. durch Des­ori­en­tie­rung oder gestör­te Gedächt­nis­leis­tung die­se Nah­rungs­quel­len oder Lebens­räu­me nicht finden? 

Das fal­sche Signal

Für die Landwirt:innen ist es das fal­sche Signal. Sie brau­chen Sicher­heit, mit wel­chen Mit­teln sie ihre Kul­tur­pflan­zen in Zukunft schüt­zen kön­nen. Die Alter­na­ti­ven zum fle­xi­blen und schnell ein­setz­ba­ren che­mi­schen Pflan­zen­schutz bedür­fen in der Regel eine mit­tel- bis lang­fris­ti­ge Pla­nung. Bei­spie­le sind eine abwechs­lungs­rei­che Frucht­fol­ge, die die Ent­wick­lungs­zy­klen von Schäd­lin­gen unter­bricht oder der geziel­te Ein­satz von Nütz­lin­gen, die Schäd­lin­ge bio­lo­gisch bekämp­fen. Eine Umstel­lung braucht Zeit, Know-how und eine kla­re poli­ti­sche Linie, die in der Über­gangs­zeit Unter­stüt­zung gewährt.

Kein zurück! 

Nein, aus unse­rer Sicht darf es kein Zurück mehr zNeo­ni­co­ti­no­iden geben. Bie­nen und ande­re bestäu­ben­de Insek­ten müs­sen unbe­dingt geschützt wer­den. Im Hin­blick auf die gro­ßen Bemü­hun­gen das Insek­ten­ster­ben auf­zu­hal­ten ist die­se Not­fall­zu­las­sung ein Schlag ins Gesicht für den Insek­ten­schutz.   

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Als gelernter Geoökologe interessiere ich mich besonders für die komplexen Zusammenhänge in der Umwelt. Um Ökosysteme und Schäden an der Natur zu verstehen, muss neben dem Prozessverständnis auch der Blick für das große Ganze bewahrt werden. Und genau den brauche ich bei meiner Arbeit für den WWF als Projektleiter im Insektenschutz.

Kommentare (3)

  • Die Superlandwirtschaftsministerin wird selbst in Berlin im Kabinett als n i c h t kompetent und d.....m eingestuft.

  • Mein Gott, wie unverantwortlich! Wieviel soll noch verschwinden an Biomasse, an Insekten und Vögeln und...? Kapiert haben das auch Politiker_innen. Was ist ihr Preis, immer wieder einzuknicken und noch ein bisschen mehr unsere Ökosysteme zu zerstören? Ist ihnen ihr letztes Bisschen an Verantwortungsgefühl verloren gegangen, haben sie keine Kinder und Kindeskinder?

  • Was für eine Welt!
    Die Not­fall­zu­las­sun­gen für Neonicotinoide - entpuppte sich als - Not­fall­zu­las­sun­g für ein Neonicotinoid!
    Die zugelassene Menge wurde dann auch noch auf 990 Liter begrenzt, das sind fast 1000 Liter zu viel!
    Die Zulassung wurde für die Zeit vom 1. Januar 2021 bis zum 30. April 2021 erteilt und das nur zur Saatgutbehandlung d. h. das eigentliche Saatkorn wird damit pilliert und verschwindet dann in der Erde - also eine reine Prophylaxe zum Schutz der Zuckerrübe gegen imaginäre Feinde!
    Apropos Zuckerrübe - sie ist eine zweijährig wachsende Pflanze und bildet also erst im zweiten Jahr die Blüte von Juni bis August aus - wenn von dieser verantwortungslosen heimischen Landwirtschaft bereits alles gerodet wurde und selbst die nächste Monokultur bereits abgeerntet ist.
    Wohlmöglich soll auch die Gedächt­nis­leis­tung der Biene gar nicht gestör­t werden und vielleicht soll sie auch nicht sterben?
    Aber der angelegte Blühstreifen soll sicherlich von der dahinter liegenden Monokultur ablenken und natürlich über den immensen Mittelaufwand von 82,5 ml/ha (d.h. 0,0000000825 Liter auf den Quadratmeter) hinweg täuschen!
    Warum nur wird dieses totbringende Pestizid im frühen Frühjahr unter der Erde ausgebracht und nicht an einem lauschigen Sommertag auf den Acker gesprüht?

    Was für eine Welt - in der wir leben...

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