Ich kann mich nicht zurückhalten und muss einfach meinen Zorn wegschreiben. Was ist passiert? Der Lebensmittelgigant Nestlé wurde vor zwei Wochen vom RSPO suspendiert. In einigen deutschen Medien und Diskussionen wurde Nestlé dann erstmal als das gute Unternehmen dargestellt, das sich aus dem RSPO werfen lässt, weil er ihnen zu schwach sei. Wenn es doch so einfach wäre!
Warum Nestlé vom RSPO suspendiert wurde
Nestlé wurde suspensiert, weil sie den vorgeschriebenen jährlichen Fortschrittsbericht nicht eingereicht haben beziehungsweise weil sie dort kein klares zeitliches Ziel angeben. Und sie haben 2000 Euro Mitgliedsbeitrag nicht gezahlt. 2000 Euro! Ich bin mir sehr sicher, dass Nestlé, das Geld hat. Und sie haben sicher auch nicht bloß vergessen, ihre Berichte abzugeben. Einen Tag vor der Suspendierung saßen mehrere Nestlé Vertreter beim europäischen Treffen des RSPO auf dem Panel. Sie haben dort betont, wie sehr ihnen das Thema Nachhaltigkeit am Herzen liegen würde. Gut zu wissen.
Und als bei mir auf dem Handy die Meldung kam, dass Nestlé suspendiert wurde, saß ein Nestlé Mann gerade auf Einladung der französischen Regierung auf einem Panel in Paris zum Thema „nachhaltiges Palmöl“. Für schöne Worte haben sie also Zeit.
Was steckt dann dahinter? Ich spekuliere jetzt, aber nur so viel: Nestlé ist seit Jahren Mitglied beim RSPO. Laut dem eigenen Nachhaltigkeitsbericht verwenden sie aber nur 34,6 Prozent zertifiziertes, segregiertes Palmöl. Segregiert bedeutet, dass zertifiziertes von nicht-zertifiziertem Palmöl getrennt wird. Nur so kann man zurückverfolgen, woher das Öl im Produkt stammt und vermeiden, dass zum Beispiel illegales Palmöl mit reingemischt wird.
Der Rest der 420.000 Tonnen ist laut Nestle nach der eigenen „Responsible Sourcing Guideline“ zertifiziert. Und die seien – so Nestlé – strenger als die RSPO Kriterien. Zertifiziert? Wirklich? Aber – wer überprüft das eigentlich? Ich finde keine öffentlichen, transparenten Berichte dazu. Was ich finde: Bericht über Bericht von Organisationen in Indonesien, die belegen, dass Nestlé seine Lieferketten NICHT im Griff hat.
Von wegen, Nestlé!
Der aktuellste ist im Juni 2018 von „Eyes on the Forest“, einem Zusammenschluss mehrerer indonesischer NGOs, veröffentlicht worden. Sie zeigen, dass illegales Palmöl aus dem Tesso Nilo Nationalpark, der durch illegale Palmöl-Pflanzungen bereits zu drei Vierteln zerstört wurde – auch bei Nestle landet. 75 Prozent, ich könnte echt heulen! Und das ist bereits der vierte Bericht von „Eyes on the Forest“. Das Problem ist bekannt!
Ebenfalls im Juni: Greenpeace Bericht zu Abholzung auf Papua. Wieder taucht Nestlé am Ende der Kette auf. Von wegen die haben wirklich alles im Griff!
Wir wollen strengere Regeln im RSPO!
Ja, strengere Kriterien als der RSPO sind das, was wir wollen. Ich wiederhole das gebetsmühlenartig. Und wir sind als WWF deswegen auch im FONAP aktiv, um genau das durchzusetzen und verfolgen dort Zusatzkriterien. Die Betonung liegt auf zusätzlich. Denn bei aller Kritik: RSPO ist ein Mindeststandard, der einiges bewirkt hat. Er wird von unabhängigen Auditoren kontrolliert und legt seine Berichte offen. Es kann nicht die Lösung sein die Schwächen des RSPO als Ausrede zu nehmen, um gar nichts zu machen oder irgendwas, was nicht mehr bewirkt,.
Ich bin die leeren Worte leid! Nestlé will was tun? Es gibt sehr gute Produzenten, die schon jetzt Zusatzkriterien erfüllen. Und diese nachweislich von unabhängigen Auditoren überprüfen lassen. Das ist Ware der Palm Oil Innovation Group (kurz POIG), in der auch Greenpeace und WWF aktiv sind. Aber dort kauft Nestlé nicht. Sie sind auch nicht Mitglied im FONAP – naja, wenn sie die 2000 Euro für den RSPO nicht haben.
Vielleicht sollte ich zur Unterstützung des armen Nestlé-Konzerns ein Kitkat kaufen. Aber nein. Da ist ja laut „Eyes on the Forest“ Bericht, Tesso Nilo-Palmöl drin!
Nestlé verschiebt mal wieder
Nachdem Nestlé international (wenn auch nicht in Deutschland – warum auch immer) für seinen „Quasi-Austritt“ kritisiert wurde, hat sich Nestlé entschlossen, doch den geforderten Bericht mit Zeitplan abzugeben. Und wurde wieder aufgenommen. So weit, so gut?
Mich erstaunt allerdings der Zeitplan. Bis 2023 wollen sie zu 100 Prozent RSPO zertifizierte Ware einsetzen. Komisch ist: Sie hatten 2011 angekündigt, bereits 2015 (!) komplett zertifiziert zu sein. Das war vor drei Jahren. Aber wahrscheinlich war 2020 einfach zu nah dran. Ja, ich höre sie schon, die Erklärungen von Nestlé, was sie wann, wie gemeint haben und wie komplex das alles sei.
Immer dieses Gerede. Es ist längst Zeit zu handeln. Und das weiß auch Nestlé.
Und was kannst Du tun?
Ich bin ja kein Freund irgendwelcher Boykott-Aufrufe.
Besser ist, wenn wir alle ein wenig mehr auf unser Einkaufsverhalten achten würden. Möglichst frische Lebensmittel, weniger Süßes und Fettiges, siehe Kitkat. Schmeißt weniger weg! Und kauft Bio. Denn Biopalmöl kommt zusätzlich ohne Pestizide aus.
Vielen Dank für diesen Beitrag! Die Hinhaltetaktik von Nestlé anzuprangern, war überfällig. Leider können die großen Konzerne nur eins wirklich gut: Greenwashing und weiter Profit machen auf Kosten der Menschen und der Natur.
Aber wir alle können etwas dagegen tun, wenn wir nur wollen: Ich meide Palmöl, so gut ich kann, denn es ist heute in vielen Produkten vorhanden, die noch vor wenigen Jahren ohne Palmöl hergestellt wurden. Also wird es neuerdings nur deshalb massiv eingesetzt, weil es so billig ist, — und nicht weil es notwendig wäre. Interessanterweise sehe ich im Ausland (z.B. in England oder auch Italien) oft Lebensmittel, für die mit dem Hinweis “ohne Palmöl” geworben wird. Warum ist das in Deutschland immer noch kein Thema?
Und Nestlé boykottiere ich ohnehin schon lange. Das ist überhaupt kein Problem, wenn man die Marken dieses Konzerns kennt. Ich wüsste nicht, warum ich denen auch nur einen Cent gönnen sollte, wenn ich mich auch prima ohne Nestlé-Produkte ernähren kann.
Very very good information.