Mar­mo­la­da Glet­scher: Tra­gö­die mit Ankündigung


Die Abbruchstelle des Marmolada-Gletschers
Die Abbruchstelle des Marmolada-Gletschers © Imago/Zuma Wire/Andrea Solero

In den ita­lie­ni­schen Dolo­mi­ten ist ein gewal­ti­ges Stück eines Glet­schers als Lawi­ne aus Eis und Geröll ins Tal gerauscht. Die vor­läu­fi­ge Bilanz der Kata­stro­phe mit Ankün­di­gung: min­des­tens acht Tote und 15 Vermisste.

Nie­mand konn­te wis­sen, wann und wo es pas­siert, aber dass es zu Kata­stro­phen die­ser Art kom­men wür­de, war mehr als vor­her­seh­bar. Der Ablauf der Tra­gö­die am Mar­mo­la­da-Glet­scher ent­spricht den Sze­na­ri­en und War­nun­gen, die Gla­zio­lo­gen seit Jah­ren ver­brei­ten. Und auch wir vom WWF war­nen schon seit lan­gem davor.

Die Kata­stro­phe am Mar­mo­la­da ist kein Einzelfall

Es hat in den ver­gan­ge­nen Jah­ren auch in den euro­päi­schen Alpen schon meh­re­re Tra­gö­di­en durch abge­hen­de Glet­scher gege­ben, die schnell ver­ges­sen wur­den. Erst im Mai 2022 sind bei einem Glet­scher­ab­bruch im Schwei­zer Kan­ton Wal­lis zwei Men­schen ums Leben gekom­men. Neun wei­te­re Berg­stei­ger wur­de verletzt.

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Luca Bonar­di, Pro­fes­sor für Geo­gra­phie und Exper­te des Gla­zio­lo­gi­schen Komi­tees der Lom­bar­dei befürch­tet, dass allein in den Alpen tau­sen­de Glet­scher­stand­or­te ähn­lich gefähr­lich sind. Der Grund: Die Erd­er­hit­zung schlägt in den Berg­re­gio­nen beson­ders hef­tig zu. Gefah­ren, die mit der direk­ten Ein­wir­kung von Eis und Schnee zusam­men­hän­gen und zu Eis­la­wi­nen und kata­stro­pha­len Über­schwem­mun­gen durch das Über­lau­fen von Glet­scher­seen füh­ren kön­nen, wie dies im Som­mer 2019 durch den Ein­bruch des Trift-Glet­schers ober­halb von Zer­matt in der Schweiz gesche­hen ist, wer­den zunehmen.

Glet­scher unter­halb von 3500 Metern wer­den verschwinden

Die Alpen­glet­scher sind dra­ma­tisch geschrumpft. Bei­spiel Ita­li­en: Das Ita­lie­ni­sche Glet­scher­ka­tas­ter zeigt, dass die Flä­che der ita­lie­ni­schen Glet­scher von 519 Qua­drat­ki­lo­me­tern im Jahr 1962 auf zuletzt 368 geschrumpft ist. Ein Rück­gang von 40 Pro­zent. Es mag über­ra­schen, dass zugleich die Zahl der Glet­scher ten­den­zi­ell zuge­nom­men hat. Aber die Zunah­me ist ein wei­te­res Zei­chen der Gefähr­dung. Ursprüng­lich gro­ße kom­ple­xe Glet­scher­sys­te­me wur­den stark frag­men­tiert und sind zu klei­ne­ren Ein­zel­glet­schern zer­fal­len. In den letz­ten 150 Jah­ren haben eini­ge Glet­scher mehr als zwei Kilo­me­ter an Län­ge ver­lo­ren, aber auch ihre Dicke ist geschrumpft, was in einem ein­zi­gen Som­mer mehr als sechs Meter betra­gen kann.

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Bei den durch­schnitt­li­chen Tem­pe­ra­tu­ren der letz­ten Jah­re wer­den die Glet­scher unter­halb von 3500 Metern inner­halb von 20 bis 30 Jah­ren ver­schwin­den. Wenn die Tem­pe­ra­tu­ren wei­ter stei­gen, könn­ten die ewi­gen Glet­scher in den Ost- und Zen­tral­al­pen inner­halb weni­ger Jahr­zehn­te dras­tisch schrump­fen oder ver­schwin­den. Nur die West­al­pen, die höchs­ten Alpen, wür­den Glet­scher blei­ben. Außer­dem wer­den die Glet­scher immer dunk­ler und damit anfäl­li­ger für die Sonneneinstrahlung.

Ver­hee­ren­de Fol­gen — nicht nur wegen Lawinen

Die Fol­gen sind ver­hee­rend. Nicht nur für die Umwelt und die Berg­land­schaft, son­dern auch für die umlie­gen­den Gemein­den. Der Rück­zug des Eises hat gra­vie­ren­de Fol­gen für Land­wirt­schaft, Tou­ris­mus und Ener­gie­ver­sor­gung. Die Flüs­se spei­sen sich im Som­mer eben auch aus der Glet­scher­schmel­ze. Mit dem Ver­schwin­den der Glet­scher schwin­det auch ihr Bei­trag zu den Alpen­bä­chen und Flüs­sen, was erheb­li­che Aus­wir­kun­gen auf die Was­ser­ver­sor­gung der Bevöl­ke­rung bedeu­tet. Land­wirt­schaft und Ener­gie­ver­sor­gung müs­sen sich auf ver­schär­fen­de Was­ser­knapp­heit ein­stel­len. Die aktu­el­le Dür­re in Ita­li­en lie­fert hier­für eine Art Vorgeschmack.

Was wir verlangen

Um dem Pro­blem zu begeg­nen ist eine Dop­pel­stra­te­gie nötig. Wir brau­chen eine enga­gier­te Kli­ma­schutz­po­li­tik, die sich am 1,5 Grad Ziel des Pari­ser Abkom­mens ori­en­tie­ren. Und wir müs­sen drin­gend Anpas­sungs­maß­nah­men an die nicht mehr ver­meid­ba­re Erd­er­hit­zung entwickeln.

Die Daten und Ana­ly­sen lie­gen längst vor. Es fehlt die Umsetzung.

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