Mada­gas­kar: im Auge der Klimakatastrophe


Madagaskar Staub Klimakrise Hunger
Staub, wo früher Mutterboden war © IMAGO / Mint Images

Das für sei­ne Bio­di­ver­si­tät bekann­te Mada­gas­kar lei­det wie kaum eine ande­re Welt­ge­gend unter den Fol­gen der Kli­ma­kri­se: Hun­ger, Dür­re, Flücht­lin­ge, Stür­me. Es ist aller­höchs­te Zeit zu han­deln, schreibt Nanie Rat­si­fan­dri­ha­man­a­na, Geschäfts­füh­re­rin des WWF-Madagaskar.

Der rote Staub bedeckt alles, was das Auge sehen kann. Aus­ge­dörr­tes Land, kilo­me­ter­weit, ab und an sta­che­li­ge Dickich­te. Hier war einst kost­ba­rer Mut­ter­bo­den, der die Mais­fel­der im Süden Mada­gas­kars ernährte.

Ver­hee­ren­de Sand­stür­me und die in den letz­ten drei Jah­ren dras­tisch zurück­ge­gan­ge­nen Nie­der­schlä­ge haben jede Hoff­nung auf eine Ern­te zunich­te gemacht. Zuneh­men­de Tro­cken­heit und Hit­ze las­sen den Boden ero­die­ren und erschwe­ren den Anbau von Feld­früch­ten. Die Kli­ma­kri­se ist für die Men­schen Realität.

Wohin man auch blickt, sieht man den dro­hen­den Hun­ger: in den Fel­dern, die sich in Ödland ver­wan­delt haben. In den erstick­ten Rin­dern und Kak­teen. Und auf herz­zer­rei­ßen­de Wei­se in den ängst­li­chen Augen der Eltern, die ihre Fami­li­en ernäh­ren müs­sen. Die Men­schen haben nichts mehr zu essen, Unter­ernäh­rung ist sprung­haft ange­stie­gen. Um zu über­le­ben essen die Men­schen Heu­schre­cken, Kak­tus­blät­ter und eine Mischung aus Lehm und Tamarindensaft.

Selbst die Lemu­ren hungern

Mit der Ver­schär­fung der huma­ni­tä­ren Kri­se neh­men auch die Aus­wir­kun­gen auf die bio­lo­gi­sche Viel­falt zu. Wel­len von Kli­ma­flücht­lin­gen flie­hen aus dem von der Dür­re heim­ge­such­ten Süden und haben kaum eine ande­re Wahl, als die Wäl­der in den Schutz­ge­bie­ten wei­ter nörd­lich abzu­hol­zen. Oder sie las­sen sich an der West­küs­te nie­der und leben dort vom ille­ga­len Fisch­fang. Die Natur erweist sich mehr denn je als ein­zi­ges Sicher­heits­netz für die­se Men­schen in einer Zeit der Krise.

Madagaskar Ringelschwanzlemuren Katta Catta
Auch die berühm­ten Lemu­ren Mada­gas­kars lei­den © IMAGO / Natu­re Pic­tu­re Libra­ry / Ber­nard Castelein

Auch die Tie­re lei­den. Selbst bei den berühm­ten Kat­ta Rin­gel­schwanz­le­mu­ren (Lemur cat­ta) in der Regi­on Atsi­mo-And­re­f­a­na haben wir Nähr­stoff­man­gel festgestellt.

Vier­te Hun­gers­not in zwei Jahrzehnten

Wir sind in Mada­gas­kar im Auge des Sturms der Kli­ma­kri­se. Vor 30 Jah­ren waren Dür­ren sel­ten. Heu­te sind sie Teil unse­res Lebens gewor­den. Inner­halb von 21 Jah­ren ist dies min­des­tens die vier­te Hun­gers­not und Dür­re, mit der unser Land kon­fron­tiert ist.

Stei­gen­de Luft­tem­pe­ra­tu­ren ver­bun­den mit dem Anstieg und der Erwär­mung der Mee­re bedro­hen unse­re Insel, unse­re Men­schen und unse­re ein­zig­ar­ti­ge Arten­viel­falt. In der ohne­hin schon halb­tro­cke­nen süd­li­chen Regi­on der Insel wird bis zum Ende des Jahr­hun­derts ein Anstieg der Durch­schnitts­tem­pe­ra­tur um 2,5 °C bis 3,5  Grad Cel­si­us vor­her­ge­sagt, wenn die welt­wei­ten Treib­haus­gas­emis­sio­nen nicht dras­tisch zurückgehen.

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Doch nicht nur Dür­re und Hit­ze, auch das Was­ser hat sei­ne eige­nen Gefah­ren für uns. Stei­gen­de Mee­res­tem­pe­ra­tu­ren haben zu hef­ti­gen Wir­bel­stür­men und damit zu Über­schwem­mun­gen im Nor­den des Lan­des geführt. Die häu­fi­ge­ren El-Niño-Zyklen ver­län­gern die Dür­re­pe­ri­oden und die töd­li­chen Tio­me­na-Sand­stür­me. Und auch das Meer selbst bleibt nicht ver­schont. Der Süden Mada­gas­kars beher­bergt das dritt­größ­te Koral­len­riff­sys­tem der Welt. Doch durch die stei­gen­den Mee­res­tem­pe­ra­tu­ren blei­chen die Koral­len aus.

Wir haben in Mada­gas­kar viel über­lebt. Aber jetzt kommt etwas dazu…

Als Insel­ent­wick­lungs­land haben wir viel Leid und Hun­ger erlebt. Aber wir haben dabei auch gelernt, dass wir wider­stands­fä­hig sind. Doch die­ses Mal sind es nicht nur Armut oder poli­ti­sche Kri­sen, die uns und unse­ren Kin­dern Leid zufü­gen. Es ist auch, und zwar zu einem gro­ßen Teil, die vom Men­schen ver­ur­sach­te Klimakrise.

Madagaskar Klima Klimakrise Wasserknappheit: Menschen mit Kanistern
Was­ser wird zum teu­ren Luxus­gut. Auf den Dör­fern im Süden wird Was­ser in einem 20-Liter-Kanis­ter für 800 Aria­ry ver­kauft, das sind etwa 20 Cent. Drei­vier­tel der Bevöl­ke­rung müs­sen aber mit weni­ger als zwei Dol­lar pro Tag aus­kom­men. © Tony Rako­to / WWF Madagascar

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Wir befin­den uns in die­ser Situa­ti­on, weil die Welt nicht in der Lage ist, die Kli­ma­kri­se ange­mes­sen anzu­ge­hen — und weil die mada­gas­si­sche Regie­rung jah­re­lang ver­säumt hat, die Aus­wir­kun­gen ange­mes­sen zu pla­nen und sich dar­auf vor­zu­be­rei­ten. Es schmerzt, es macht mich wütend.

Die Men­schen hier haben das Gefühl, dass ihnen die Zeit und die Mög­lich­kei­ten aus­ge­hen. Aber das stimmt zum Glück nicht. Wir kön­nen immer noch len­ken, was die Zukunft bringt, wenn wir heu­te han­deln. Die Welt muss auf­wa­chen und die Gefah­ren des “busi­ness as usu­al” erken­nen. Dür­re und Hun­gers­not in Mada­gas­kar, Über­schwem­mun­gen in Deutsch­land und Chi­na, Wald­brän­de in Russ­land, Ame­ri­ka, der Tür­kei, Grie­chen­land und Ita­li­en — so vie­le Men­schen­le­ben, Gemein­schaf­ten und natür­li­che Lebens­räu­me wur­den zer­stört. Das muss nicht so sein. Wir kön­nen die Gunst der Stun­de nut­zen, da die Län­der bis Novem­ber ihre über­ar­bei­te­ten natio­na­len Kli­ma­plä­ne und ‑zie­le für das nächs­te Jahr­zehnt bei der UNO ein­rei­chen. Die­se müs­sen mit dem 1,5 Grad-Ziel übereinstimmen.

Es geht ums Überleben

UN-Gene­ral­se­kre­tär Antó­nio Guter­res sag­te kürz­lich: “Die Begren­zung des glo­ba­len Tem­pe­ra­tur­an­stiegs ist eine Fra­ge des Über­le­bens für die vom Kli­ma bedroh­ten Län­der”. Dank der Fort­schrit­te in der Wis­sen­schaft wis­sen wir jetzt viel bes­ser, wie extre­me Wet­ter­ereig­nis­se auf die Kli­ma­kri­se zurück­zu­füh­ren sind. Das zeig­te auch zuletzt der neue IPPC-Bericht.

Wir ken­nen die Lösun­gen der Natur- und Klimakrise

Wir müs­sen die welt­wei­te Kli­ma­kri­se ange­hen, indem wir zunächst die fos­si­len Brenn­stof­fe redu­zie­ren und auf erneu­er­ba­re Ener­gien umstei­gen. Das Ernäh­rungs­sys­tem müs­sen wir in Ord­nung brin­gen und die Natur, von der wir alle abhän­gen, schüt­zen und wie­der­her­stel­len. Die Her­aus­for­de­run­gen der glo­ba­len Erwär­mung und des Natur­ver­lusts sind mit­ein­an­der ver­knüpft — eben­so wie ihre Lösungen. 

Neben der Umge­stal­tung unse­rer Energie‑, Land‑, Stadt- und Indus­trie­sys­te­me kön­nen natur­ba­sier­te Lösun­gen eine Schlüs­sel­rol­le bei der Bewäl­ti­gung die­ser bei­den Kli­ma- und Natur­kri­sen spie­len. Wenn wir die Natur näh­ren, kön­nen wir auch die Men­schen näh­ren. Hier in Mada­gas­kar und über­all. Die Zeit zum Han­deln in der Kli­ma­kri­se ist jetzt gekommen.

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1 Kommentar

  1. 15. August 2021
    Antworten

    Die vie­len Kata­stro­phen auf der Welt für Mensch und Tier haben mich so erschüt­tert. Das Leid ist unvor­stell­bar ent­setz­lich und es hat mich tief in mein Herz getrof­fen. Man ver­sucht über­all ein wenig zu hel­fen, damit aus ein paar Trop­fen ein gan­zes Meer wird. Die Men­schen gehen mit der Natur und mit den wun­der­ba­ren Tie­ren auf der Welt grau­en­voll um und nun bekom­men wir die Quit­tung. Die Tie­re müs­sen wie­der lei­den.… Die Men­schen haben den Tie­ren die Höl­le auf Erden gebracht. Gut, dass es tier­or­ga­ni­sa­tio­nen gibt, die hel­fen. Bes­te Grü­ße Karin erker

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