Neu­lich im Koh­le­kraft­werk Moorburg

Es fühlt sich an wie Zukunft - wie die Zukunft ohne Kohle © WWF / Nele Steinbrecher

Ein biss­chen ist es so, als wäre man bereits in der Zukunft ange­kom­men und der Koh­le­aus­stieg schon längst abge­schlos­sen: im Koh­le­kraft­werk Moor­burg im Süden von Ham­burg. Wenn man sich dem Kraft­werk nähert, dann hört und sieht man vor allem: nichts. Es ist ruhig, kein Rauch , der aus Schorn­stei­nen auf­steigt, nur ein paar Vögel und ab und an ein ein­sa­mes Auto, das vorbeifährt.

Zehn Jah­re gebaut, fünf Jah­re in Betrieb, vie­le Jah­re Abbruch

Denn das „Heiz­kraft­werk Moor­burg“, wie es kor­rekt heißt, wur­de im Som­mer 2020 end­gül­tig still­ge­legt. Ein Stein­koh­le­kraft­werk, das fast zehn Jah­re gebaut wur­de und nur etwa fünf Jah­re Strom pro­du­ziert hat – bevor es jetzt (eben­falls über Jah­re) abge­ris­sen wird. Alles in allem ein öko­lo­gi­sches und finan­zi­el­les Desas­ter. Aber was kön­nen wir aus Moor­burg lernen?

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Die Geschich­te des Kraft­werks Moorburg

Um die Pro­ble­ma­tik des Heiz­kraft­werks in Ham­burg bes­ser zu ver­ste­hen, muss man bei sei­ner His­to­rie anfan­gen. Anfang des Jahr­tau­sends begann Vat­ten­fall bereits das neue Kraft­werk im Ham­bur­ger Süden zu pla­nen. Die CDU-geführ­te Ham­bur­ger Regie­rung befür­wor­te­te damals den Bau. Sie reg­te an, den Umfang des Kraft­werks zu ver­dop­peln und es als Fern­wär­me­kraft­werk zu nut­zen. Dann kön­ne man es an Ham­burgs umfang­rei­ches Fern­wär­me­netz anschlie­ßen und das ver­al­te­te Heiz­kraft­werk Wedel ersetzen.

Ich habe es mir mal selbst ange­schaut © WWF / Nele Steinbrecher

Es soll­te aller­dings anders kom­men: Zwar wur­de das Kraft­werk – so wie ange­regt – dop­pelt so groß wie ursprüng­lich geplant. Bei vol­ler Aus­las­tung konn­te Moor­burg etwa elf Ter­ra­watt­stun­den Strom pro Jahr lie­fern. Aller­dings wur­de das Kraft­werk nie an das Fern­wär­me­netz ange­schlos­sen. Und konn­te so auch nie das über­hol­te Wede­ler Heiz­kraft­werk erset­zen. 15 Jah­re nach Beginn der Pla­nung ist Moor­burg vom Netz genom­men. Wedel pro­du­ziert immer noch Strom und Wär­me. Und jede Men­ge CO2.

Wie konn­te es zu der poli­ti­schen Ent­schei­dung zum Baus von Moor­burg kommen?

Die Pla­nung des Ham­bur­ger Koh­le­kraft­werks begann um das Jahr 2004. Rich­tig, 2004. Wir spre­chen also von einer Zeit, die noch gar nicht so lan­ge her ist. Einer Zeit, in der die Kli­ma­kri­se bereits wis­sen­schaft­li­cher Kon­sens war. Um nur eini­ge Bei­spie­le zu nen­nen: 1988 wur­de der Welt­kli­ma­rat ins Leben geru­fen und warnt seit­dem Jahr für Jahr ein­dring­li­cher vor der Erd­er­hit­zung. Bereits 1992 dis­ku­tier­ten Regie­run­gen alter­na­ti­ve Ener­gie­quel­len zur Koh­le­en­er­gie auf der Rio Kon­fe­renz der Ver­ein­ten Natio­nen. 2005 wur­de das Kyo­to Pro­to­koll ver­ab­schie­det. Tja, und 2007 begann der Bau des neu­en Koh­le­kraft­werks Moorburg.

Moor­burg — jah­re­lang gebaut, kurz in Betrieb, jetzt vor dem Abriss © WWF / Nele Steinbrecher

Die Ent­schei­dung Vat­ten­falls und des Ham­bur­ger Senats passt sowohl aus heu­ti­ger als auch aus dama­li­ger Sicht nicht zu den wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­sen und Emp­feh­lun­gen. Eber­hard Bran­des, der Geschäfts­füh­rer des WWF Deutsch­land, sag­te schon 2008: “Das neue Kraft­werk wird aller Vor­aus­sicht nach über Jahr­zehn­te die Atmo­sphä­re belas­ten und so zu einer enor­men Kli­ma­hy­po­thek”. Und wei­ter: “Es ist völ­lig inak­zep­ta­bel, dass der Bau eines Koh­le­kraft­werks wegen sei­nes hohen Koh­len­di­oxid­aus­sto­ßes nicht abge­lehnt wer­den kann”. Trotz Auf­for­de­rung zur Strei­chung des Vor­ha­bens durch den WWF und vie­le wei­te­ren Tei­len der Zivil­ge­sell­schaft wur­de Moor­burg gebaut.

Ein Para­de­bei­spiel für das Igno­rie­ren der Wissenschaft

Damit ist das Kraft­werk Moor­burg ein Para­de­bei­spiel für wirt­schaft­li­che und poli­ti­sche Ent­schei­dun­gen, die Erkennt­nis­se aus der Kli­ma­wis­sen­schaft nicht berück­sich­ti­gen – und damit schei­tern. Vat­ten­fall hat­te wäh­rend des Betriebs des Heiz­kraft­werks mit dem Ein­hal­ten zahl­rei­cher Umwelt­auf­la­gen zu kämp­fen und muss­te immer wie­der Umbau­maß­nah­men am Kraft­werk durch­füh­ren. Außer­dem will das Unter­neh­men nun bis 2040 kli­ma­neu­tral wer­den – ein Ziel, das nicht beson­ders zu einem Koh­le­kraft­werk  passt. Dar­um hat Vat­ten­fall 2020 die Not­brem­se gezo­gen. Es war bereits klar, dass alle Koh­le­kraft­wer­ke mit der zuneh­men­den Ener­gie­wen­de einen star­ken Wert­ver­lust ver­zeich­nen wer­den. 2020 bot Vat­ten­fall in der ers­ten Still­le­gungs­auk­ti­on der Bun­des­netz­agen­tur das Koh­le­kraft­werk Moor­burg zur früh­zei­ti­gen Still­le­gung an und erhielt dafür einen Zuschlag.

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Wie geht es wei­ter mit Moorburg?

Alles in allem ist die Geschich­te des Kraft­werks Moor­burg ziem­lich depri­mie­rend: Für die Mitarbeiter:innen, den Roh­stoff­ver­brauch, die Finan­zen und das Kli­ma sieht die Bilanz nicht beson­ders gut aus. Es gibt aber auch Hoff­nungs­schim­mer. Die Stadt Ham­burg hat in einer Mach­bar­keits­stu­die fest­ge­stellt, dass der Stand­ort Moor­burg gut geeig­net ist für die Her­stel­lung von Was­ser­stoff. Denn der Strom aus Wind­kraft­an­la­gen an der Küs­te kann in Ham­burg ankom­men und dort für die ener­gie­in­ten­si­ve Was­ser­stoff­pro­duk­ti­on genutzt wer­den. Die Net­ze zum Wei­ter­trans­port des  sind durch das Koh­le­kraft­werk bereits vor­han­den und könn­ten so wei­ter­ge­nutzt werden.

Es ist dun­kel. Und Moor­burg ist still­ge­legt © WWF / Nele Steinbrecher

Aller­dings besteht das Pro­jekt “Was­ser­stoff-Hub Moor­burg” der vier Kon­zer­ne Vat­ten­fall, Shell, Mitsu­bi­shi und Wär­me Ham­burg  bis­her nur aus einer Absichts­er­klä­rung. Ihre Umset­zung hängt ver­mut­lich auch von der Bereit­stel­lung öffent­li­cher För­der­mit­tel für das Pro­jekt ab. Vat­ten­fall schreibt selbst, es gebe kei­ne “belast­ba­ren Pla­nun­gen oder eine glaub­haft zuge­sag­te Inves­ti­ti­ons­be­reit­schaft”. Dar­um wer­den wir wohl erst in den nächs­ten Jah­ren erfah­ren, was wirk­lich mit dem Stand­ort Moor­burg pas­sie­ren wird.

Das Bei­spiel Moor­burg macht deut­lich, dass wir eine wis­sen­schafts­ba­sier­te, lang­fris­tig aus­ge­rich­te­te Poli­tik brau­chen. Poli­ti­sche Ent­schei­dun­gen müs­sen sowohl die Bedürf­nis­se jet­zi­ger als auch die kom­men­der Gene­ra­tio­nen berück­sich­ti­gen. Im Hin­blick auf die Kli­ma­kri­se bedeu­tet das: Wir müs­sen den Aus­stoß von Treib­haus­ga­sen been­den – und zwar bes­ser frü­her als später.

Mehr Fort­schritt umsetzen!

Die Ampel­ko­ali­ti­on in Ber­lin geht mit ihrem neu­en Koali­ti­ons­ver­trag in eine rich­ti­ge Rich­tung. Ihre Plä­ne für ver­stärk­ten Kli­ma­schutz, den mas­si­ven Aus­bau von erneu­er­ba­ren Ener­gien und das Ende der Koh­le­en­er­gie in Deutsch­land sind wich­ti­ge Schrit­te für den Kli­ma­schutz. Aller­dings gilt jetzt nicht mehr nur der Titel des Koali­ti­ons­ver­trags „Mehr Fort­schritt wagen“, son­dern eben „Mehr Fort­schritt umset­zen“. Und zwar so schnell wie möglich.

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Vertritt die Generation Y als Werkstudentin im Team Klimaschutz und Energiepolitik. Arbeitet und lebt in Hamburg, ist aber immer wieder gerne auf Stippvisite in der Hauptstadt. Ansonsten ab und zu auf Demos für einen grünen Wandel unterwegs, Ultimate Frisbee-spielend im Park oder anbadend im See.

Kommentare (4)

  • Ein super Artikel Frau Steinbrecher!
    Wirklich interessant zu sehen, wie das politische Hin-und-Her die Energiewende verlangsamt.

    Eine Frage habe ich allerdings noch. Bei Ihrer Besichtigung des Kraftwerks, wurde da auch darüber gesprochen wie die damalige (in 2004) Leistungsplanung aussah? Ein Argument, das in der Kohlediskussion oft vergessen wird, ist dass Kohlekraftwerke sich gut dazu eignen um die sogenannte "Baseload" zu liefern. Ich vermute damals wurde davon ausgegangen, dass das Kraftwerk Moorburg mehrere 100 MW an Leistung konstant und berechenbar liefern kann. Das ist wichtig, um das Energienetz und den Energiehandel stabil zu halten. Das ist ein eher technisches Argument, deswegen würde mich interessieren, ob Sie das dort auch diskutieren konnten. War es also ein rein politisches Projekt das versagt hat oder gab es auch technische Argumente dafür?

    Ich bin absolut für den Ausstieg aus der Kohle, aber ich wollte das hier einfach nochmal anmerken, weil Kohlebefürworter dieses Argument wahrscheinlich in einer Diskussion gegen Sie verwenden könnten. Wir müssen eben noch neue Wege finden, wie wir die diese Baseload mit erneuerbaren und ohne Kohle/Atomkraftwerke liefern können. Vielleicht wäre das ja mal etwas für Ihren nächsten Artikel :)

    Auf den wäre ich sehr gespannt! Super Beitrag!

    • Lieber Timo,

      vielen Dank für Ihren Kommentar. Über die Leistungsplanung haben wir bei dem Besuch in Moorburg nicht gesprochen und bei allen Diskussionen zu dem Thema, die ich verfolgt habe, hat dies keine große Rolle gespielt.

      Grundsätzlich ist das Konzept des „Base load“ (Grundlastfähigkeit) von Kraftwerken ein Relikt vergangener Zeiten und für den Energiehandel nicht mehr relevant. Denn in einem immer mehr von Wind und Photovoltaik dominierten Stromsystem werden fossile Back-Up-Kapazitäten perspektivisch nur in sehr wenigen Stunden zur Stromproduktion benötigt. Beispielsweise diese Publikation der Bundesnetzagentur zeigt, dass sich mit steigenden Anteilen erneuerbarer Energien im Stromsystem die Netzstabilität in Deutschland sogar erhöht hat: https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2020/20201022_SAIDIStrom.html

      Beste Grüße
      Nele Steinbrecher

  • Eines der neuesten und effizientesten Kohlekraftwerke der Welt wird nach nur wenigen Betriebsjahren aus ideologischen Gründen abgestellt. Was für eine Verschwendung von Ressourcen, die nur mit der Doppelmoral grüner Weltverbesserer zu begründen ist. Statt dessen kommt die Fernwärme für Hamburg nun aus dem über fünfzig Jahre alten Kohlemeiler Wedel, das pro erzeugter Energieeinheit ein Vielfaches an CO2 (sowie an Stickstoffoxiden, Schwefeloxiden, Quecksilber, Feinstaub, Blei, Cadmium, Nickel, etc.) ausstößt. Gleichzeitig steigen die Strompreise dramatisch und die Versorgungssicherheit beginnt bedenklich zu wackeln. Dieses Land ist wahrlich ein Irrenhaus geworden.

    • Lieber Sebastian,

      das Kohlekraftwerk Moorburg wurde nicht aus ideologischen, sondern aus ganz rationalen Gründen abgestellt: Nämlich angesichts der Klimakrise und der damit einhergehenden Notwendigkeit den Ausstoß von Treibhausgasen radikal und schnell zu begrenzen. Deswegen hat Vattenfall die Entscheidung getroffen, dass Kohlekraftwerk abzuschalten.
      Zwar ist es natürlich ungünstig, dass ein gerade gebautes Kraftwerk nun abgeschaltet werden muss – allerdings war diese Entwicklung vorauszusehen, daher hätte das Kraftwerk eben gar nicht erst gebaut werden sollen.
      Bezüglich der Strompreise kann ich Ihnen noch den Blogbeitrag meines Kollegen empfehlen: https://blog.wwf.de/energiewende-gaspreis/

      Beste Grüße
      Nele Steinbrecher

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