Koh­le­aus­stiegs­ge­setz: aus der Zeit gefallen

Schluss mit Kohle - aber leider noch lange nicht. © buranatrakul/iStock/Getty Images

Bun­des­tag und der Bun­des­rat haben das Koh­le­aus­stiegs­ge­setz und das Gesetz zur Unter­stüt­zung des Struk­tur­wan­dels der Koh­le­re­gio­nen ver­ab­schie­det. Nach vie­len Jah­ren Arbeit zum Koh­le­aus­stieg ist das aber für mich lei­der kein Grund zum Feiern.

Mil­li­ar­den als Ent­schä­di­gung im Kohleausstiegsgesetz

Die Bun­des­re­gie­rung hat das Kapi­tel Koh­le eben nicht ange­mes­sen geschlos­sen. Die Braun­koh­le­kraft­werks­be­trei­ber bekom­men mehr als vier Mil­li­ar­den Euro Ent­schä­di­gung. Viel Steu­er­geld für einen völ­lig unzu­rei­chen­den, viel zu lang­sa­men Ausstieg.

Damit könn­te ich noch leben, wenn dafür beherzt neue Sei­ten im Kli­ma­schutz auf­ge­schla­gen wor­den wären. Der Fahr­plan zum Aus­stieg 2038 ist aber lei­der eine beson­ders auf der Kli­ma­schutz­sei­te schwa­che Umset­zung des ohne­hin schon schwa­chen Koh­le­kom­pro­mis­ses.

Klar war immer: Es ist ein dif­fi­zi­ler Deal aus den Inter­es­sen von Kli­ma­schutz, Betrei­bern, Arbeit­neh­mern und den Regio­nen. Am Ende bleibt die bit­te­re Erkennt­nis: Alle Sei­ten konn­ten etwas mehr raus­ho­len, der Kli­ma­schutz weni­ger. Es war aus Kli­ma­schutz­per­spek­ti­ve nie ent­schei­dend, wann das letz­te Kraft­werk vom Netz geht — son­dern, dass mög­lichst früh mög­lichst vie­le gehen. Min­des­tens ste­tig, wie die Kom­mis­si­on vor­schlug. Das ist nun ins­be­son­de­re bei der Braun­koh­le dezi­diert anders. Mög­lichst vie­le Giga­watt gehen jetzt mög­lichst spät vom Netz. Die CO2-Emis­sio­nen der Koh­le­ver­stro­mung wer­den sehr hoch blei­ben. Gegen­über dem Kom­pro­miss der Koh­le­kom­mis­si­on wer­den bis zu 130 Mil­lio­nen Ton­nen CO2 zusätz­lich emit­tiert. Die Hälf­te aller Braun­koh­le­kraft­wer­ke soll erst nach 2030 vom Netz gehen. Das ist wirk­lich wenig Kli­ma­schutz ange­sichts der Mil­li­ar­den für die Kraftwerksbetreiber.

Der Weg müss­te ein ande­rer Sein

Über einen Stil­le­gungs­pfad in Ver­bin­dung mit einem CO2-Min­dest­preis wäre mehr Kli­ma­schutz für deut­lich weni­ger öffent­li­che Gel­der zu haben. Gele­gen­hei­ten zur Ein­füh­rung eines CO2-Min­dest­prei­ses mit den euro­päi­schen Part­nern gab es. Schon heu­te ist ein Groß­teil der Kraft­wer­ke nicht mehr ren­ta­bel beim gegen­wär­ti­gen CO2-Preis. Das ist im Prin­zip das größ­te Pro­blem des Geset­zes: Es ist bereits am ers­ten Gel­tungs­tag über­holt von den Rea­li­tä­ten: Der Rea­li­tät des Strom- und CO2-Mark­tes, der Rea­li­tät eines Neu­star­tes nach der Coro­na, der Rea­li­tät der Erfor­der­nis­se des Green Deals. Und der Erhö­hung der Kli­ma­bei­trä­ge der Ver­trags­par­tei­en im Pari­ser Abkom­men. Der Koh­le­aus­stieg kommt. Wie und wann er letzt­end­lich abge­schlos­sen wird, ist mit dem heu­ti­gen Tag nicht end­gül­tig entschieden.

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Wich­tig ist: Das Struk­tur­stär­kungs­ge­setz befä­higt die Regio­nen den Struk­tur­wan­del vor­an­zu­trei­ben. Klar­heit über das Ende der Koh­le­ver­stro­mung ist die ent­schei­den­de Vor­aus­set­zung für das Gelin­gen des Struk­tur­wan­dels. Das löst das Koh­le­aus­stiegs­ge­setz jetzt zwar ein, aber der sehr lan­ge und spä­te Abschied von der Braun­koh­le ins­be­son­de­re in der Lau­sitz erschwert den fri­schen Schwung für die Regio­nen. Denn erst­mal bleibt noch sehr lan­ge alles wie es ist.

Die Braun­koh­le­re­gi­on Lau­sitz steht vor dem Struk­tur­wan­del © Peter Jeli­nek / WWF

Auch im Struk­tur­stär­kungs­ge­setz zemen­tie­ren vie­le Mit­tel eher die fos­si­len Infra­struk­tu­ren als die kli­ma­freund­li­che Trans­for­ma­ti­on der loka­len Wirt­schaft, Betei­li­gung der Bürger:innen und Bür­ger an Struk­tur­wan­del und Ener­gie­wen­de. Selbst in den letz­ten Ände­run­gen die­se Woche wur­den bei­spiels­wei­se noch Rad­ver­kehrs­för­de­rung gestrichen.

Chan­ce vertan

Die­ses Koh­le­aus­stiegs­ge­setz befrie­det weder die vie­len Kon­flik­te um die Koh­le, noch bringt es den not­wen­di­gen Schwung für Kli­ma­schutz und Ener­gie­wen­de. Die Gel­tungs­zeit des Koh­le­aus­stiegs­ge­set­zes beginnt mit mehr Koh­le, mit der umstrit­te­nen Inbe­trieb­nah­me von Dat­teln IV. Es  sorgt außer­dem dafür, dass noch immer die Hei­mat vie­ler Men­schen in meh­re­ren Dör­fern im Namen einer ver­meint­li­chen „ener­gie­po­li­ti­schen Not­wen­dig­keit“ preis­ge­ge­ben und abge­bag­gert wer­den sol­len. So bleibt der Kon­flikt um die Koh­le auch nach dem beschlos­se­nen Aus­stieg wei­ter auf der Tagesordnung.

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Leiterin Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF Deutschland und damit beschäftigte mit alle (oder doch zumindest vielen) Fragen rund um Klima und Energie. Und obwohl ich seit Jahren nicht mehr aktiv dazu arbeite, hängt mein Herz an einer neuen Mobilitätswelt. Es braucht nicht mehr als täglich mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren um daran erinnert zu werden, wieviel Arbeit das noch ist.
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