Kein Wunder, dass da kaum jemand den Durchblick behält: Am 26.10. haben die Vereinten Nationen zunächst ihren NDC Synthesebericht veröffentlicht. Tags darauf dann die Internationale Energieagentur ihren Energieausblick. Nur wenige Stunden später folgten dann wieder die Vereinten Nationen – diesmal mit dem Emissionsbericht. Dazu kommen zahlreiche Veröffentlichungen von Nichtregierungsorganisationen, wie vom World Resource Institute zum Status der Klimaschutzmaßnahmen. Oder vom International Institute for Sustainable Development zum Pfad zu 1,5 °C – und so weiter, und so weiter.
Diese Flut an Berichten ist ein untrügliches Zeichen: Es ist wieder Prä-COP-Zeit.
Vom 6. bis 18. November findet im ägyptischen Sharm el-Sheikh die 27. Klimakonferenz der Vereinten Nationen, kurz COP27 statt. Zwölf Tage, in denen Vertreter:innen der Vertragsstaaten oft bis spät in die Nacht verhandeln, um Formulierungen ringen, Beschlüsse vereinbaren und versuchen die Welt auf einen Pfad zu bringen, in dem die Erderhitzung einen Anstieg um 1,5 Grad nicht überschreitet. Und auch wenn die Klimakrise nicht nur an zwölf, sondern leider an 365 Tagen im Jahr stattfindet, ist die Klimakonferenz ein Meilenstein für die Klimapolitik. Denn sie richtet den Fokus darauf, dass das Wohlergehen aller Staaten von der Begrenzung der Erderhitzung abhängt. Und dass nur im Kollektiv Fortschritte bei der Bekämpfung der Klimakrise erzielt werden können.
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Damit die COP27 aber nun auch zu tatsächlichen Fortschritten beim Klimaschutz führt, braucht es Vorarbeit. Und da kommen wir wieder zur Flut an Publikationen. Sie machen deutlich, wo die Welt gerade steht bei der Senkung der Emissionen und dem Ausbau der erneuerbaren Energien.
Bericht Nummer 1: Der NDC Synthesebericht
Der NDC Synthesebericht wird vom Sekretariat des Klimarahmenabkommens (UNFCCC) angefertigt. Im Pariser Abkommens haben sich alle Vertragsstaaten dazu verpflichtet alle fünf Jahre nationale Klimaziele (NDCs) auszuarbeiten, mitzuteilen und zu verfolgen. Das Sekretariat analysiert diese Emissionsminderungsziele dann jährlich in seinem NDC Synthesebericht: Wo steht die Weltgemeinschaft insgesamt mit ihren Minderungszielen?
Auf der letzten Klimakonferenz in Glasgow haben sich die Staaten in ihrem „Glasgow Climate Pact“ bereit erklärt, ihre nationalen Ziele nochmal zu überarbeiten und zu verstärken. Ein Jahr später zieht nun der neue NDC Synthesebericht Bilanz. Naja, sagen wir, es ist noch Luft nach oben.
Gesucht: der Überflieger
Zwar haben 24 Staaten seit der letzten Klimakonferenz neue oder aktualisierte Ziele eingereicht. Darunter sind auch Länder wie Australien oder Brasilien, die vorher sehr schwache NDCs vorgelegt hatten. Allerdings ist das Ergebnis leider immer noch absolut unzureichend. Einige Staaten reichten nämlich nur Pläne und überhaupt keine quantifizierbaren Emissionsreduktionen. Andere geben nicht alle benötigten Informationen ab. Das kumulierte Ergebnis der Ziele ist außerdem weit weg, von dem, wo wir eigentlich hinwollen. Laut Klimasekretariat wären selbst bei der Erreichung aller NDCs bis 2030 fast 90 Prozent des verbleibenden CO2-Budgets, das wir bei der Einhaltung der 1,5‑Grad-Grenze noch haben, verbraucht. Mit den momentanen nationalen Klimazielen steuern wir eher auf eine Erderhitzung von 2,5 °C zu – inklusive katastrophaler Folgen. Es gibt also eine sogenannte Ambitionslücke. Unsere Klimaziele sind viel zu niedrig, auch der UNFCCC schreibt: Es „ergibt sich die dringende Notwendigkeit, entweder die Zielvorgaben für die NDCs bis 2030 deutlich zu erhöhen oder die letzten NDCs deutlich zu übererfüllen“. Oder vielleicht am besten beides?
Bericht Nummer 2: Der Energieausblick
Die Internationale Energieagentur (IEA) und ihr jährlicher Bericht „World Energy Outlook“ meldeten einen Tag nach der UN dann noch etwas positivere Botschaften pünktlich zur Klimakonferenz – wenn auch unter schrecklichen Umständen. So könnte die durch Russlands Krieg ausgelöste Energiekrise zu einem Wendepunkt werden. Überall auf der Welt haben Regierungen die Probleme von fossilen Energien erkannt und fördern den Ausbau von erneuerbaren Energien. Das wiederum schafft Wachstum und Arbeitsplätze. Bis 2030 werden sich laut IEA die Investitionen in erneuerbare Energien verdoppeln: Auf zwei Billionen US-Dollar.
Das Ende der fossilen Energie?
Außerdem erkennt die IEA erstmals ein Höchststand oder Plateau bei der Nutzung von fossilen Brennstoffen. Ihr Konsum soll demnach bis 2030 zurückgehen und der Anteil fossiler Energien von 80 auf 70 Prozent sinken. Und das ist der Haken: Denn auch hier geht es momentan viel zu langsam vorwärts. 70 Prozent fossile Energien sind immer noch viel zu viel und zwei Billionen Dollar für Erneuerbare zu wenig. Angesichts dessen, dass wir bis zur Mitte des Jahrhunderts emissionsfrei sein müssen. Auch die Internationale Energieagentur weist in ihrem Bericht auf die Ambitionslücke hin. Und dann gibt es ja auch noch eine andere Lücke.
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Bericht Nummer 3: Der UN Emissionsbericht
Denn nicht nur die Ziele sind zu wenig ambitioniert, sondern leider auch ihre Umsetzung. Diese „Implementierungslücke“ ist Thema des Emissionsberichts der UN. Der Report trägt den treffenden Titel: „The Closing Window“. Die Autor:innen des Berichts sind sehr deutlich: Die Staaten seien nicht mal auf dem Weg, die höchst unzureichenden NDCs zu erreichen. Mit den aktuellen Maßnahmen würden die nationalen Ziele um drei bis sechs Gigatonnen CO2-Äquivalente verfehlt. So steuert die momentane Politik so auf eine Erhitzung von 2,8 °C zu. Damit sei diese dreizehnte Ausgabe des Emissionsberichts ein „Zeugnis der mangelhaften Maßnahmen zur Bewältigung der globalen Klimakrise und ein Aufruf zu einer schnellen Transformation der Gesellschaft“.
Ist das zuviel verlangt?
Jede Menge Lücken also, die die Staatengemeinschaft schließen muss. Umso wichtiger ist es, dass diese Klimakonferenz stattfindet: Dort können Staaten deutlich machen, dass sie ihre gegebenen Zusagen einlösen und ihre Ambitionen erhöhen. Denn nur gemeinsam kann die Welt verhindern, dass die Klimakrise außer Kontrolle gerät. Gerade Deutschland als Industriestaat, der hohe Emissionen verursacht, trägt eine besondere Verantwortung bei der Bekämpfung der Klimakrise. Die in Glasgow gemachte Zusagen zur Beendigung der internationalen öffentlichen Finanzierung fossiler Energien (für neue Gas- oder LNG-Projekte) darf nicht rückgängig gemacht werden. Stattdessen sollte Deutschland vorangehen beim Klimaschutz, den endgültigen Ausstieg aus fossilen Energien beschleunigen, die Zusagen zur Klimafinanzierung ausbauen und eine Schlüsselrolle bei der Schließung der globalen Ambitions- und Implementierungslücke einnehmen. Ist das zu viel verlangt?
Mehr zu unseren Forderungen für die 27. Klimakonferenz findet ihr hier. Schaut mal rein!
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