Internationale Klimaverhandlungen sind keine leichte Angelegenheit – und ein digitales Format macht das Ganze nicht unbedingt leichter. Aber einen Vorteil hat das virtuelle Format: Menschen, die sonst sicher nicht so leicht Zugang zu ihnen gehabt hätten, können auf einmal dabei sein – ich zum Beispiel.
Ich bin seit einem Monat Werkstudentin im Klimateam des WWF. Und ehe ich mich richtig versehen konnte, war ich auf einmal bei den „Sessions of the subsidiary bodies“ der UN-Klimakonferenz dabei… Und dahin möchte ich euch mit diesem Blogbeitrag ein wenig mitnehmen.
Also folgt mir: In eine Welt der Abkürzungen (SBSTA, AILAC, BASIC und OMGE sagen euch nichts? Das ist erst der Anfang!), der „Sub-Items“, „Co-Facilitators“ und “Informal Informals”. In eine Welt mit Verhandlern aus aller Welt und komplizierten Fragen zur gerechten Rettung unseres Planeten: Willkommen bei den Zwischenverhandlungen für die COP26!
Worum geht es eigentlich bei den Zwischenverhandlungen?
So richtig tauchen die in den Medien nicht auf. Viele wissen vielleicht gar nicht, wie wichtig die drei Wochen vom 31. Mai bis zum 17. Juni sind: In dieser Zeit finden die Zwischenverhandlungen für die UN-Klimakonferenz COP26 in Glasgow statt. Denn Entscheidungen auf so einem Klimagipfel treffen sich natürlich nicht von allein, sondern müssen gut vorbereitet und ausgearbeitet werden. Das passiert normalerweise (unter anderem) im Sommer vor der Klimakonferenz in Bonn, dem Sitz des Klimasekretariats der Vereinten Nationen. Dort treffen sich Verhandler:innen aller Nationen und besprechen technische und wissenschaftliche Details der internationalen Abkommen für den Klimaschutz.
Genauer gesagt treffen sich zwei Untergremien der Klimakonferenz:
- Der „Subsidiary Body for Scientific and Technological Advice“ (SBSTA) – Untergremium für wissenschaftliche und technologische Empfehlungen
- „Subsidiary Body for Implementation“ (SBI) – Untergremium für Implementierung
Der SBSTA wirkt dabei als Bindeglied zwischen der Wissenschaft und der Politik und beschäftigt sich mit Fragen der Auswirkungen des Klimawandels und möglichen Anpassungen der Länder an diese Auswirkungen. Zum Beispiel geht es um die Förderung von umweltverträglichen Technologien oder die Messung und Überprüfung von Treibhausgasemissionen.
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Im SBI geht es um die Umsetzung des Klimaabkommens und seiner einzelnen Bausteine: Wie wird die Transparenz der nationalen Klimaschutzambitionen sichergestellt? Wie können Emissionen gemindert werden? Und wie wird der globale Klimaschutz finanziert? Im Kern geht es im SBI darum, die Ambitionen aller Vertragsparteien im Klimaschutz zu erhöhen.
Wie funktioniert das Ganze dieses Jahr?
Aufgrund der globalen Pandemie konnten 2020 weder die geplanten Zwischenverhandlungen noch die Klimakonferenz selbst stattfinden. Und auch in diesem Jahr konnten sich die Verhandler:innen für SBI und des SBSTA nicht persönlich treffen. Weil aber der Klimawandel nicht wartet bis die Pandemie vorbei ist, wurden die Verhandlungen nun ins Digitale verlegt. Dafür wurde eigens eine digitale Konferenzseite eingerichtet zu der die Verhandler:innen aller Staaten sowie Beobachter Zugriff haben. Wir vom WWF gehören gemeinsam mit anderen Nichtregierungsorganisationen aus der ganzen Welt zu den Beobachtern der Verhandlungen. Und da komme auch ich ins Spiel.
Die Klimaverhandlungen und ich
Wenn man die Konferenzseite öffnet, begrüßen einen freundlich die Vereinten Nationen. „Thank you for joining us“. Über ein Menü kann man sich durch die Konferenzplattform klicken. Da kann man beispielsweise sein Profil updaten (Social Media für Klimaverhandler:innen!), den Terminkalender der Verhandlungen einsehen, Dokumente herunterladen oder in die „Networking Lounge“ eintreten.
Gerade die Dokumente sind überwältigend. Eine Informationsflut zu Themen, wie etwa zum Artikel 6 des Paris-Abkommens, bei dem es um internationale Kohlenstoffmärkte und die Anrechnung von Klimaschutzmaßnahmen bei Klimabeiträgen geht. Oder zu den „common timeframes“, den Zeitrahmen für die Emissionsminderungsziele der Länder.
Bei den Zwischenverhandlungen werden dann zusätzlich sogenannte „formlose Protokolle“ verfasst, die den Stand der Besprechungen aus den drei virtuellen Wochen festhalten sollen. „Formlos“ heißt in dem Zusammenhang, dass keine finalen Beschlüsse in den drei Wochen gefasst werden dürfen, sondern lediglich Vorverhandlungen stattfinden.
Virtuelle, globale Klimaverhandlungen — funktioniert das überhaupt?
Eine große Herausforderung des virtuellen Formats ist definitiv der Zeitplan. Wann soll man verhandeln, wenn die Welt zusammenkommt und egal an welchem Zeitpunkt immer irgendjemand auf einer Seite der Erde gerade schläft? Angesichts der besonderen Umstände wurde eine eigene Lösung dafür gefunden. Die Verhandlungen finden jeden Tag nur für etwa vier Stunden statt. Immer zu verschiedenen Zeiten: In der ersten Woche ab 15.00 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit (MESZ), in der zweiten Woche ab 23.00 und in der dritten Woche ab 5.00 Uhr (MESZ). Da hieß es dann in der ersten Woche „Good Morning“ aus Mexiko, während es auf Samoa schon mitten in der Nacht war. Alle haben also mal Glück und mal Pech mit der Zeit, zu der sie sich einloggen müssen. Da heißt es auch mal sehr früh aufstehen. Oder mit den Klimaverhandlungen durch die Nacht zu gehen.
Wunsch und Tücke
Das ist nicht die einzige Tücke der digitalen Zwischenverhandlungen. Gerade Teilnehmer:innen aus dem globalen Süden haben teilweise mit Verbindungsproblemen zu kämpfen. Der Strom ist dann mal weg oder die Verbindung gestört. Das macht den Fortschritt natürlich nicht einfacher. Aber dennoch: Ich habe den Eindruck, dass die meisten Parteien den Wunsch nach konstruktiven Gesprächen haben. Auch wenn es manchmal sehr detailreich wird oder einzelne Parteien schnelle Arbeitsfortschritte blockieren: Viele Teilnehmer:innen machen auch die Dringlichkeit von Lösungen und klaren Bekenntnissen deutlich.
Es gibt also Hoffnung. Deswegen rufen wir alle Verhandler:innen der „Sessions of the subsidiary bodies“ dazu auf, alles dafür zu tun, Klimaschutzambitionen zu erhöhen. Und Fortschritte zu machen, durch die das Erreichen des 1,5‑Grad-Ziels möglich wird. Auch wenn es mal sehr spät oder sehr früh wird: Die Welt braucht euch jetzt!
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