Fal­se Balan­cing: Wenn Journalist:innen in die Fal­le tappen

Zwei schwarze Schwäne, ein Problem der Erkenntnis © IMAGO / blickwinkel

Ich weiß gar nicht mehr so recht, wie früh oder wie oft ich das Man­tra vom aus­ge­wo­ge­nen Jour­na­lis­mus wäh­rend mei­nes Stu­di­ums und Volon­ta­ri­ats gehört habe. Auf jeden Fall hat es sich ähn­lich wie die Popper‘sche Fal­si­fi­ka­ti­on eingebrannt.

Und das ist auch rich­tig so: Immer­hin bean­sprucht Qua­li­täts­jour­na­lis­mus nicht die eine Wahr­heit für sich. Er zeigt, wel­che Sicht­wei­sen bei The­men auf­ein­an­der­pral­len, wel­che Mei­nun­gen wer in Kon­flik­ten vertritt.

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Das ist nicht ein­mal unbe­dingt nur im Jour­na­lis­mus so: Schon als Kin­der ler­nen wir doch, dass es unter­schied­li­che Mei­nun­gen gibt und wir uns in ande­re hin­ein­ver­set­zen sol­len, um Strei­tig­kei­ten beizulegen.

Erkennt­nis ver­sus Meinung

Aber da liegt nun die Krux: Manch­mal darf es näm­lich nicht um Mei­nun­gen gehen, son­dern um Erkennt­nis­se. Um Fak­ten, die wis­sen­schaft­lich belegt sind. Wenn wir etwa über die Kli­ma­kri­se schrei­ben, ihre Ursa­chen und Fol­gen, muss Aus­ge­wo­gen­heit anders aus­se­hen als das übli­che Pro und Con­tra. Dabei geht es um Fak­ten, nicht um Meinungen.

Ja doch: Die Wis­sen­schaft ist sich einig

Dann bedeu­tet Aus­ge­wo­gen­heit, dass sich die nahe­zu 100 Pro­zent wis­sen­schaft­li­che Über­ein­stim­mung zu dem The­ma auch so im Bericht nie­der­schlägt. Die weni­gen, häu­fig absei­ti­gen Theo­rien von Kli­ma­skep­ti­kern hin­ge­gen dür­fen nicht die Hälf­te des Bei­trags aus­ma­chen. Das wäre dann ver­zerrt. „Fal­se balan­cing“ nennt man das Gan­ze. Bei­spie­le dafür gibt es zuhauf. Das Ergeb­nis: Vie­le Men­schen glau­ben an einen wis­sen­schaft­li­chen Dis­sens, den es gar nicht gibt. 

Wenn Journalist:innen in die Fal­le tappen

Die Gegen­sei­te zu Wort kom­men zu las­sen ist natür­lich auch hier nicht ver­kehrt. Aber sie bekommt all­zu oft einen über­pro­por­tio­na­len Anteil, gemes­sen an dem, was wis­sen­schaft­lich erwie­sen ist. Der Wunsch nach Berück­sich­ti­gung aller Sei­ten lässt Journalist:innen zum Teil noch immer in eine Fal­le tap­pen, wenn es um die Erd­er­hit­zung geht.

Pro & con­tra bit­te bei den Lösungen

Bei der Dis­kus­si­on um die Lösun­gen zur Kli­ma­kri­se ist ein Pro und Con­tra wie­der­um nicht ver­kehrt. Im Gegen­teil. Hier braucht es den Aus­tausch, um am Ende hof­fent­lich das Bes­te her­aus­zu­ho­len. Idea­ler­wei­se natür­lich basie­rend auf beleg­ba­ren Fak­ten, umfas­sen­den Berechnungen.

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Aber ein aus­ge­wo­ge­ner Arti­kel über die Grund­la­gen der Kli­ma­kri­se – ihrer Trei­ber, ihrer Aus­wir­kun­gen – muss eben nicht alle absei­ti­gen Mei­nun­gen wie­der­ge­ben. Dafür gibt es ja im Zwei­fel auch immer noch das Inter­net. Der Arti­kel muss ein­ord­nen. Und dabei die wis­sen­schaft­li­che Über­ein­stim­mung repräsentieren.

Schwar­zer und wei­ßer Schwan © IMAGO / Natu­re Pic­tu­re Library

Der mensch­ge­mach­te Schwan

Womit wir irgend­wie auch wie­der bei Karl Pop­per wären – wie kann es auch anders sein. Denn ja: Kli­ma­schwan­kun­gen hat es immer gege­ben. Sie sind wie die wei­ßen Schwä­ne. Aber was aktu­ell pas­siert, ist nach über­wäl­ti­gen­dem Kon­sens der Wis­sen­schaft nicht natür­lich: Es ist ein men­schen­ge­mach­ter schwar­zer Schwan.

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Kommentare (1)

  • Die wissenschaft ist sich einig?

    Nein, richtig lesen:
    https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/8/2/024024
    Gut die Hälfte der Forscher, die zum Thema forscht, glaubt nach den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen an die menschengemachte Klimakatastrophe, etwas weniger als die Hälfte, äußert keine Meinung, meint also, daß wir noch nicht genug Ahnung haben, um zu beurteilen was wir tun und eine winzige Minderheit spricht sich ausdrücklich gegen die menschengemachte Klimakatastrophe aus.

    Dummerweise ist es noch gefährlicher, in einem System herumzurühren, von dem man zu wenig Ahnung hat, um es beurteilen zu können, aber genug Macht um es kopfzustellen, als dasselbe in einem System zu machen, das man wirklich beurteilen kann.

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