Bra­si­li­ens Indi­ge­ne auf dem Kriegspfad


Widerstand: Indigene kämpfen gegen ihre Entrechtung durch die regierung Temer in Brasilia
Widerstand: Indigene gegen die Polizei in Brasilia © reuters

Vor nicht ein­mal drei Wochen stand ich noch an den Strom­schnel­len des São Simão im Natio­nal­park Jurue­na mit­ten im Ama­zo­nas Regen­wald. Ein Rie­sen­ot­ter schwamm vor­bei. Vögel brü­te­ten auf einem Baum mit­ten im Was­ser­fall. Ganz in der Nähe wur­den erst kürz­lich bis zu 2000 Jah­re alte Fels­ma­le­rei­en entdeckt.

Das Idyll wäre dem Unter­gang geweiht gewe­sen. Hier soll­te ein rie­si­ges Was­ser­kraft­werk gebaut wer­den. Dank der welt­wei­ten Pro­tes­te sind die Plä­ne zumin­dest für die nächs­ten zehn Jah­re vom Tisch. Der Stau­damm hät­te den Lauf eines der gro­ßen Ama­zo­nas­zu­flüs­se unwie­der­bring­lich verändert.

Kampf der Indi­ge­nen wird härter

Eigent­lich ein gro­ßer Erfolg. Doch der Kampf gegen zer­stö­re­ri­sche Groß­pro­jek­te geht wei­ter. Und er wird här­ter. In Bra­si­lia kam es vor dem Par­la­ment jetzt zu regel­rech­ten Stra­ßen­schlach­ten zwi­schen auf­ge­brach­ten Indi­ge­nen und der Mili­tär­po­li­zei. Seit Jah­ren ver­sam­meln sich die indi­ge­nen Füh­rer im Früh­jahr in der bra­si­lia­ni­schen Haupt­stadt, um auf ihre Kul­tu­ren und Rech­te auf­merk­sam zu machen. In die­sem Jahr sind mehr als 3000 von ihnen zum Par­la­ment mar­schiert. Sie hat­ten Sär­ge dabei,  in denen sie ihre ange­stamm­ten Rech­te sym­bo­lisch zu Gra­be tru­gen. Das poli­ti­sche Estab­lish­ment, ohne­hin geschüt­telt von Intri­gen und Kor­rup­ti­ons­skan­da­len, reagier­te gereizt. Es kam zu Tumul­ten, Fest­nah­men und Verletzten.

Indigene: Luftaufnahme eines runden Dorfes in der Roraima Provinz in Brasilien
Indi­ge­nen­dorf in der Pro­vinz Rorai­ma © Nigel Dick­in­son / WWF

Bedroht von der Soja­front — und den Kühen

Der Zorn der Urein­woh­ner ist begrün­det. Sie pochen auf die  bra­si­lia­ni­sche Ver­fas­sung von 1988, die ihnen weit­ge­hen­de Land­rech­te ein­räumt. Den­noch rücken die „Soja­front“ und wach­sen­de Rin­der­her­den von Süden her vor und bedro­hen das größ­te Regen­wald­ge­biet der Erde. Es ist die Hei­mat von mehr als 350 Völ­kern. Vie­le die­ser Men­schen leben in selbst gewähl­ter Iso­la­ti­on, ohne Kon­takt zur Welt außer­halb des Wal­des mit eige­nen Tra­di­tio­nen, Kul­tu­ren und Spra­chen. Ihre Welt ist bedroht. Es geht um ihr Land.

Angriff auf die Indigenen

Nach­dem vor eini­gen Jah­ren der Wald­schutz durch neue Geset­ze auf­ge­weicht wur­de steigt die Ent­wal­dungs­ra­te. Im letz­ten Jahr auf über 7000 Qua­drat­ki­lo­me­ter. Ein Anstieg um mehr als 29 Pro­zent. Jetzt haben es die Rin­der­züch­ter und Soja­ba­ro­ne, Berg­bau­un­ter­neh­men und Was­ser­kraft­werk­bau­er vor allem auf die indi­ge­nen Ter­ri­to­ri­en und Natur­schutz­ge­bie­te abgesehen.

Die Regie­rung unter Prä­si­dent Michel Temer möch­te fast kei­ne neu­en Indi­ge­nen Ter­ri­to­ri­en und Schutz­ge­bie­te aus­wei­sen — und die Vor­han­de­nen für die Land- und Vieh­wirt­schaft, den Berg­bau und Groß­pro­jek­te wie Was­ser­kraft­wer­ke öffnen.

Die Indi­gen haben gera­de ein Mani­fest ver­öf­fent­licht, in dem sie den schlimms­ten Angriff auf ihre Rech­te seit dem Ende der Mili­tär­dik­ta­tur 1985 anpran­gern. Auch die Maß­nah­men von Jus­tiz und Kon­gress und Jus­tiz­sys­tem wer­den dar­in scharf kritisiert.

Im Mani­fest bekla­gen die Indi­ge­nen konkret:

Regie­rung:

-           Kür­zung in der Gesund­heits­ver­sor­gung und der Bildung

-           Kei­ne neu­en Indi­ge­nen Ter­ri­to­ri­en (Temer hat kein ein­zi­ges Dekret unterzeichnet)

-           Schutz vor­han­de­ner Indi­ge­ner Ter­ri­to­ri­en geschwächt

-           Bud­get­kür­zung der indi­ge­nen Behör­de Funai um 38 Prozent

-           Zuneh­men­de Bevor­mun­dung durch den Behörden

Par­la­ment:

-           Ver­fas­sungs­än­de­run­gen, die Rech­te der Indi­ge­nen schwä­chen (z.B. PEC 215/2000 und PEC 187/2016)

-           Geset­ze und wei­te­re lega­le Refor­men mit dem glei­chen Ziel (z.B. PL 1610/1996 und PL 3729/2004)

Jus­tiz­sys­tem:

-           Auf­lö­sung vor­han­de­ner Indi­ge­ner Territorien

-           Ver­rin­ge­rung der Landanspruchsrechte

Wachs­tum con­tra Indigene

Um die Wirt­schafts­kri­se zu über­win­den, will die Regie­rung Inves­ti­tio­nen anlo­cken und die land­wirt­schaft­li­che Pro­duk­ti­on stei­gern. Die Indi­ge­nen fürch­ten, dass die­se Stra­te­gie voll ihren Las­ten gehen wird. Eine durch­aus begrün­de­te Befürch­tung. Der Chef der Indi­ge­nen Behör­de  (FUNAI) Antô­nio Cos­ta, sag­te kürz­lich, Indi­ge­ne kön­nen nicht in der Zeit ste­hen blei­ben und deren Land sol­le der land­wirt­schaft­li­chen Pro­duk­ti­on sowie dem Berg­bau zur Ver­fü­gung ste­hen. Eine kaum ver­steck­te Dro­hung. Es passt ins Bild, dass der Rot­stift auch vor der FUNAI nicht Halt macht. In der Fol­ge muss­te wur­de die gesund­heit­li­che Ver­sor­gung und Bil­dung der Indi­ge­nen erheb­lich lei­den. Außen­pos­ten der Behör­de zum Kampf gegen ille­ga­le Gold­grä­ber, und Holz­fäl­ler wur­den geschlossen.

Wür­den Schutz­ge­bie­te für Berg­bau und Land­wirt­schaft geöff­net, wäre dies  mehr als ein her­ber Schlag für einen der größ­ten Natur­schät­ze der Erde. Die Indi­ge­nen des Regen­wal­des sind die Speer­spit­ze des Wider­stan­des  gegen die Zer­stö­rung des Wal­des. Sie brau­chen unse­re Unter­stüt­zung. Wir müs­sen hel­fen. Den Indi­ge­nen und ihrem Wald.

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