Vor nicht einmal drei Wochen stand ich noch an den Stromschnellen des São Simão im Nationalpark Juruena mitten im Amazonas Regenwald. Ein Riesenotter schwamm vorbei. Vögel brüteten auf einem Baum mitten im Wasserfall. Ganz in der Nähe wurden erst kürzlich bis zu 2000 Jahre alte Felsmalereien entdeckt.
Das Idyll wäre dem Untergang geweiht gewesen. Hier sollte ein riesiges Wasserkraftwerk gebaut werden. Dank der weltweiten Proteste sind die Pläne zumindest für die nächsten zehn Jahre vom Tisch. Der Staudamm hätte den Lauf eines der großen Amazonaszuflüsse unwiederbringlich verändert.
Kampf der Indigenen wird härter
Eigentlich ein großer Erfolg. Doch der Kampf gegen zerstörerische Großprojekte geht weiter. Und er wird härter. In Brasilia kam es vor dem Parlament jetzt zu regelrechten Straßenschlachten zwischen aufgebrachten Indigenen und der Militärpolizei. Seit Jahren versammeln sich die indigenen Führer im Frühjahr in der brasilianischen Hauptstadt, um auf ihre Kulturen und Rechte aufmerksam zu machen. In diesem Jahr sind mehr als 3000 von ihnen zum Parlament marschiert. Sie hatten Särge dabei, in denen sie ihre angestammten Rechte symbolisch zu Grabe trugen. Das politische Establishment, ohnehin geschüttelt von Intrigen und Korruptionsskandalen, reagierte gereizt. Es kam zu Tumulten, Festnahmen und Verletzten.

Bedroht von der Sojafront — und den Kühen
Der Zorn der Ureinwohner ist begründet. Sie pochen auf die brasilianische Verfassung von 1988, die ihnen weitgehende Landrechte einräumt. Dennoch rücken die „Sojafront“ und wachsende Rinderherden von Süden her vor und bedrohen das größte Regenwaldgebiet der Erde. Es ist die Heimat von mehr als 350 Völkern. Viele dieser Menschen leben in selbst gewählter Isolation, ohne Kontakt zur Welt außerhalb des Waldes mit eigenen Traditionen, Kulturen und Sprachen. Ihre Welt ist bedroht. Es geht um ihr Land.
Angriff auf die Indigenen
Nachdem vor einigen Jahren der Waldschutz durch neue Gesetze aufgeweicht wurde steigt die Entwaldungsrate. Im letzten Jahr auf über 7000 Quadratkilometer. Ein Anstieg um mehr als 29 Prozent. Jetzt haben es die Rinderzüchter und Sojabarone, Bergbauunternehmen und Wasserkraftwerkbauer vor allem auf die indigenen Territorien und Naturschutzgebiete abgesehen.
Die Regierung unter Präsident Michel Temer möchte fast keine neuen Indigenen Territorien und Schutzgebiete ausweisen — und die Vorhandenen für die Land- und Viehwirtschaft, den Bergbau und Großprojekte wie Wasserkraftwerke öffnen.
Die Indigen haben gerade ein Manifest veröffentlicht, in dem sie den schlimmsten Angriff auf ihre Rechte seit dem Ende der Militärdiktatur 1985 anprangern. Auch die Maßnahmen von Justiz und Kongress und Justizsystem werden darin scharf kritisiert.
Im Manifest beklagen die Indigenen konkret:
Regierung:
- Kürzung in der Gesundheitsversorgung und der Bildung
- Keine neuen Indigenen Territorien (Temer hat kein einziges Dekret unterzeichnet)
- Schutz vorhandener Indigener Territorien geschwächt
- Budgetkürzung der indigenen Behörde Funai um 38 Prozent
- Zunehmende Bevormundung durch den Behörden
Parlament:
- Verfassungsänderungen, die Rechte der Indigenen schwächen (z.B. PEC 215/2000 und PEC 187/2016)
- Gesetze und weitere legale Reformen mit dem gleichen Ziel (z.B. PL 1610/1996 und PL 3729/2004)
Justizsystem:
- Auflösung vorhandener Indigener Territorien
- Verringerung der Landanspruchsrechte
Wachstum contra Indigene
Um die Wirtschaftskrise zu überwinden, will die Regierung Investitionen anlocken und die landwirtschaftliche Produktion steigern. Die Indigenen fürchten, dass diese Strategie voll ihren Lasten gehen wird. Eine durchaus begründete Befürchtung. Der Chef der Indigenen Behörde (FUNAI) Antônio Costa, sagte kürzlich, Indigene können nicht in der Zeit stehen bleiben und deren Land solle der landwirtschaftlichen Produktion sowie dem Bergbau zur Verfügung stehen. Eine kaum versteckte Drohung. Es passt ins Bild, dass der Rotstift auch vor der FUNAI nicht Halt macht. In der Folge musste wurde die gesundheitliche Versorgung und Bildung der Indigenen erheblich leiden. Außenposten der Behörde zum Kampf gegen illegale Goldgräber, und Holzfäller wurden geschlossen.
Würden Schutzgebiete für Bergbau und Landwirtschaft geöffnet, wäre dies mehr als ein herber Schlag für einen der größten Naturschätze der Erde. Die Indigenen des Regenwaldes sind die Speerspitze des Widerstandes gegen die Zerstörung des Waldes. Sie brauchen unsere Unterstützung. Wir müssen helfen. Den Indigenen und ihrem Wald.
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