War­um jeder Gre­tas “Kli­ma-Buch“ lesen sollte


Greta Thunberg Klima-Buch
Greta und ihr Klima-Buch © The Trustees of the Natural History Museum London

Es ist para­dox: 22 Grad in Ber­lin. Ich sit­ze im T‑Shirt im Stra­ßen­ca­fé — und mich beschleicht ein mul­mi­ges Gefühl. Das hier ist nicht nor­mal. Es ist der wärms­te Okto­ber seit Beginn der Auf­zeich­nun­gen, wie ich spä­ter lese. Doch die Men­schen um mich her­um machen sich mehr Gedan­ken um stei­gen­de Prei­se, Ener­gie­kri­se, Pan­de­mie und Ukrainekrieg.

Kli­ma what?

Die Kli­ma­kri­se ist das drän­gends­te The­ma unse­rer Zeit. Nur haben das Poli­tik und Medi­en zwi­schen­zeit­lich wie­der ver­ges­sen. Gut, dass Gre­ta jetzt zurück ins Bewusst­sein drängt. Mit ihrem neu­en Buch erin­nert sie uns an die drän­gends­te Kri­se der Menschheit.

Das Kli­ma­buch“ ver­sam­melt mehr als hun­dert Forscher:innen und Expert:innen, dar­un­ter auch so bekann­te wie Nao­mi Klein oder Mar­ga­ret Atwood. Es sind 500 Sei­ten geball­te Kli­ma­wis­sen­schaft, eine Samm­lung von Fak­ten, Geschich­ten, Gra­fi­ken und Fotos mit Fokus Kli­ma und Öko­lo­gie. „Die Kli­ma- und Öko­lo­gie­kri­se ist die größ­te Bedro­hung, mit der die Mensch­heit je kon­fron­tiert war“, heißt es gleich im Vor­wort. Es “erzählt die größ­te Geschich­te der Welt”.

Kli­ma­schutz muss kom­pro­miss­los sein

Das Buch wirkt in sei­ner Wucht etwas ein­schüch­ternd, aber ich fan­ge an zu blät­tern. Gre­ta und vie­le der Bei­trä­ge zei­gen auf, wie kom­pro­miss­los Kli­ma­schutz längst sein müss­te – und wie wenig Zeit uns noch bleibt das Sys­tem radi­kal zu ändern. Jahr­zehn­te lang haben wir die Not­la­ge igno­riert und her­un­ter­ge­spielt. Unse­re Gesell­schaft ver­leug­net immer noch, stellt Gre­ta nüch­tern fest. „Noch immer fehlt es in der brei­ten Öffent­lich­keit an grund­le­gen­dem Wis­sen, das not­wen­dig ist, um die Not­la­ge zu begrei­fen, in der wir uns befinden.“

Ich möch­te Teil der Bemü­hun­gen sein, dies zu ändern“

Das Kli­ma-Buch ist als Nach­schla­ge­werk gedacht und streift vie­le The­men – vom schmel­zen­den Eis in der Ark­tis, über Wirt­schaft, Fast Fashion, Bio­di­ver­si­tät und Ernäh­rung. Auch glo­ba­le Unge­rech­tig­keit, Kli­ma­flücht­lin­ge und Umwelt­ras­sis­mus wer­den behan­delt. Das Buch zeigt die immer grö­ßer wer­den­de Lücke zwi­schen Kli­ma­zie­len und Maß­nah­men, die getrof­fen wer­den. Vor allem aber zeigt es die Zusam­men­hän­ge zwi­schen unse­rem Wirt­schafts­sys­tem und der Natur­zer­stö­rung. Zwi­schen der Umwelt­zer­stö­rung und dem Ent­ste­hen von Pan­de­mien. Zwi­schen der Kli­ma­kri­se und Extrem­wet­ter­er­eig­nis­sen. Alles hängt mit allem zusammen.

Das Buch soll uns Leser:innen dazu füh­ren, Zusam­men­hän­ge selbst her­zu­stel­len. „Denn ich glau­be, die wich­tigs­ten Schlüs­se müs­sen erst noch gezo­gen wer­den – und wer­den hof­fent­lich von euch gezo­gen“,  lau­tet Gre­tas Appell.

Es ist das Zeit­al­ter der gro­ßen Greenwashing-Maschinerie“

Gre­tas Kri­tik an Poli­tik und Wirt­schaft: Wir wer­den in Sicher­heit gewo­gen, dass ja schon viel pas­siert in Sachen Kli­ma­schutz. In Wahr­heit stei­gen die Emis­sio­nen wei­ter an und das 1,5 Grad Ziel scheint nicht mehr erreich­bar. Um unse­re inter­na­tio­na­len Kli­ma­zie­le ein­zu­hal­ten, müs­sen wir die Pro-Kopf-Emis­sio­nen auf eine Ton­ne Koh­len­di­oxid pro Jahr sen­ken. Aktu­ell lie­gen sie in Deutsch­land bei elf bis zwölf Ton­nen, in den USA gar bei 17 Ton­nen pro Kopf. Thun­berg gibt kon­kre­te Hand­lungs­op­tio­nen, aber räumt auch ein: “Als Indi­vi­du­en kön­nen wir vie­les tun, aber die­se Kri­se ist nichts, was ein Mensch allein bewäl­ti­gen könn­te.” Nie­mand allein kann sei­ne Emis­sio­nen auf Null sen­ken. Das kann nur eine Sys­tem­ver­än­de­rung durch Poli­tik und Wirtschaft.

Dem Pla­ne­ten Vor­rang vor Pro­fit und Gier einräumen

Die Kli­ma­kri­se ist vor allem eine Kon­se­quenz des Reich­tums und der Lebens­wei­se des glo­ba­len Nor­dens. Wis­sen­schaft­li­che Erkennt­nis­se befin­den sich auf Kol­li­si­ons­kurs zum der­zei­ti­gen Wirt­schafts­sys­tem. Daher müs­sen wir uns die Fra­gen nach den Zie­len stel­len: “Wol­len wir die Emis­sio­nen sen­ken oder wei­ter so leben kön­nen wie heu­te? Kön­nen wir auf einem end­li­chen Pla­ne­ten ewi­ges Wachs­tum haben?“

Das alles klingt mit­un­ter sehr depri­mie­rend und hoff­nungs­los. Aber Gre­ta ist eine Kämp­fe­rin. Sie schreibt in einem Kapi­tel des Buches, das wir drin­gend Hoff­nung brau­chen. Und dass die­se Hoff­nung dort liegt, wo wir unse­re Kom­fort­zo­ne ver­las­sen. Also lasst uns unse­re Kom­fort­zo­nen verlassen.

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Für mich eine der span­nends­ten Fra­gen: Wie sol­len die Kli­ma­fak­ten an die brei­te Öffent­lich­keit ver­mit­telt wer­den? Wie kom­mu­ni­zie­ren wir am bes­ten den Ernst der Lage? Auch damit beschäf­tigt sich das Buch. Denn vie­le Men­schen haben zwar inzwi­schen vom Kli­ma­kri­se gehört, aber so rich­tig den Ernst der Lage begrif­fen und die Zusam­men­hän­ge ver­stan­den, haben die wenigsten.

Soll­ten Wissenschaftler:innen und Politiker:innen eine posi­ti­ve, hoff­nungs­vol­le Hal­tung ein­neh­men? Die Gefahr dabei ist, dass Men­schen, die sich nicht so tief mit den Fak­ten beschäf­ti­gen, den Ein­druck bekom­men, wir wären auf einem guten Weg. Was defi­ni­tiv nicht der Fall ist. Eine Alter­na­ti­ve: Scho­nungs­los und offen die Kri­se anspre­chen und Fak­ten lie­fern. Hat zum Bei­spiel die Fri­days for Future Bewe­gung ver­sucht und wur­de als alar­mis­tisch bezeich­net. Außer­dem ste­cken vie­le Men­schen den Kopf in den Sand, wenn sie das Gefühl haben, der Kampf sei eh schon verloren.

Gre­tas Erklä­rung für das Dilem­ma: „Unse­rem Gehirn fällt es schwer, auf Bedro­hun­gen zu reagie­ren, die nicht unmit­tel­bar und plötz­lich auf­tau­chen. So wie bei der Kli­ma­kri­se. Die Gefah­ren sind zu kom­plex, zu lang­sam, zu weit ent­fernt.“ Also brau­chen wir einen Weg dazwi­schen. Fak­ten ver­mit­teln und Hand­lungs­we­ge auf­zei­gen, die Hoff­nung machen. „Wir müs­sen erwach­sen genug sein, mit der Wahr­heit umzugehen.“

Mit dem WWF-News­let­ter nichts mehr verpassen!

Ich per­sön­lich möch­te kei­ne Politiker:innen mehr, die mich in fal­scher Sicher­heit wie­gen. Die einem das Gefühl ver­mit­telt, sie tun schon, was mög­lich ist. Wohl­wis­send, dass das nicht stimmt. Und die Zukunft unse­rer Kin­der auf dem Spiel steht.

Wir kön­nen die Kata­stro­phe immer noch ver­hin­dern und anfan­gen die Wun­den zu hei­len, die wir schon zuge­fügt haben“, schreibt Gre­ta. Aber dafür müs­sen wir anfan­gen, wirk­lich zu han­deln. Jede:r muss Ver­ant­wor­tung über­neh­men und darf sich nicht mehr weg­du­cken. Wir alle müs­sen im All­tag tun, was nötig ist: Unse­re Ernäh­rung und Kon­sum­ge­wohn­hei­ten umstel­len. Weni­ger flie­gen und Auto fah­ren. Poli­tisch aktiv wer­den. Sol­che Bücher lesen und davon erzäh­len. Die Macht der Demo­kra­tie nutzen.

Gemein­sam kön­nen wir das Unmög­li­che schaffen!“

Mit die­sem Buch ver­steht man die Dring­lich­keit zu han­deln. Es ver­mit­telt einen ganz­heit­li­chen Über­blick und gibt einem die Fak­ten an die Hand, um über Nach­hal­tig­keit und Kli­ma­schutz  dis­ku­tie­ren zu kön­nen. Mit der Wis­sen­schaft auf sei­ner Sei­te. Die Autor:innen schaf­fen es, Fak­ten ein­fach und ver­ständ­lich zu ver­mit­teln. Auch ohne Vor­kennt­nis­se kann man gut fol­gen, aber lernt auch neue Begriff­lich­kei­ten wie “Eisal­be­do-Rück­kopp­lungs­eff­fekt”, “Abkal­ben” oder “Atlan­ti­sche Umwälz­zir­ku­la­ti­on”.

Gre­ta Thun­berg lässt den Expert:innen den Vor­tritt, aber ord­net die Fak­ten zwi­schen­durch und ver­mit­telt ihre Bot­schaf­ten. Ich bin immer wie­der von ihrem Wis­sen beein­druckt. Und wie hart­nä­ckig sie sich gegen ihre Kritiker:innen behaup­tet. Gre­ta hat es vor vier Jah­ren geschafft, mit Fri­days for Future die jun­ge Gene­ra­ti­on zu mobi­li­sie­ren und für mehr Kli­ma­schutz auf die Stra­ße zu brin­gen. Ich hof­fe, dass sie es mit dem Buch schafft auch Men­schen, die sich noch nicht mit dem The­ma beschäf­tigt haben, zu errei­chen. Jede:r soll­te das Buch gele­sen haben, um zu ver­ste­hen, dass (gewalt­frei­er) Umwelt­ak­ti­vis­mus kein Ver­bre­chen ist, im Gegenteil.

Die wah­ren gefähr­li­chen Radi­ka­len sei­en nicht Kli­ma­ak­ti­vis­ten, son­dern jene Län­der und Unter­neh­men, die die Pro­duk­ti­on von fos­si­len Brenn­stof­fen aus­bau­en, sag­te UN-Gene­ral­se­kre­tär Anto­nio Guter­res kürz­lich. “Sie ersti­cken unse­ren Planeten.”

Ich hof­fe, dass die­se Erkennt­nis bei mög­lichst vie­len ankommt. Also lest die­ses Buch. Und packen wir’s an!

Das Klima-Buch von Greta Thunberg
Das Kli­ma-Buch von Gre­ta Thun­berg: Der aktu­ells­te Stand der Wis­sen­schaft unter Mit­ar­beit der welt­weit füh­ren­den Expert:innen
FISCHER
512 Sei­ten

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1 Kommentar

  1. Rainer Kirmse , Altenburg
    22. Januar 2023
    Antworten

    Die Kli­ma­kon­fe­ren­zen vergeigt,
    wär­mer wird’s, der Mee­res­spie­gel steigt.
    Pro­fit­gier lässt die Wäl­der schwinden,
    för­dert welt­weit Umweltsünden.
    Die grü­ne Lun­ge des Planeten
    in Gefahr, da hilft kein Beten.

    WACHSTUMSWAHN

    Man pro­du­ziert und produziert,
    plün­dert Res­sour­cen ungeniert.
    Gewinn­ma­xi­mie­rung ist Pflicht,
    die intak­te Natur zählt nicht.
    Bör­sen­kur­se steh’n im Fokus,
    Umwelt­schutz in den Lokus.

    Plas­tik­flut und Wegwerftrend,
    man kon­su­miert permanent.
    Nur unser stän­di­ges Kaufen
    hält das Sys­tem am Laufen.
    Unser west­li­cher Lebensstil
    taugt nicht als Menschheitsziel.

    Was nützt unser Wohl­stand, alles Geld,
    wenn am Ende kol­la­biert die Welt.

    EIN KLIMA-GEDICHT

    Unwet­ter, Hit­ze, Wassernot;
    Feu­er wüten in Wald und Flur.
    Das Wet­ter gerät aus dem Lot,
    Kli­ma­wan­del zieht sei­ne Spur.
    Raub­bau, Wald­fre­vel, Plastikflut;
    uns’­rem Pla­ne­ten geht’s nicht gut.
    Wir soll­ten uns Sor­gen machen,
    und nicht über Gre­ta lachen.

    Der Mensch, die­ses klu­ge Wesen
    kann im Gesicht der Erde lesen.
    Er sieht die dro­hen­de Gefahr,
    spürt die Erwär­mung Jahr für Jahr.
    Homo sapi­ens muss aufwachen,
    sei­ne Haus­auf­ga­ben machen.

    Die Jagd nach ewi­gem Wachstum
    bringt letzt­lich den Pla­ne­ten um.
    Das obers­te Gebot der Zeit
    muss hei­ßen Nachhaltigkeit.
    Statt nur nach Pro­fit zu streben,
    im Ein­klang mit der Natur leben.

    Zu vie­le Buchen und Eichen
    muss­ten schon der Koh­le weichen.
    Ret­ten wir den herr­li­chen Wald,
    bewah­ren die Artenvielfalt.
    Kämp­fen wir für Mut­ter Erde,
    dass sie nicht zur Wüs­te werde.

    Rai­ner Kirm­se , Altenburg

    Weni­ger ist mehr, nicht nur im Verkehr.
    Bei allem etwas Enthaltsamkeit,
    neh­men wir uns die Freiheit.😉

    Herz­li­che Grü­ße aus Thüringen

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