313 Kilogramm genießbare Lebensmittel landen in Deutschland pro Sekunde in der Tonne – viel zu viel. Vor einigen Wochen übergaben wir Landwirtschaftsminister Christian Schmidt eine Petition, die ein Ende der Lebensmittelverschwendung forderte. Über 52.000 Menschen haben die Petition unterschrieben. Nun forderte der Bundesminister bei seiner Eröffnungsrede der ANUGA (Allgemeinen Nahrungs- und Genussmittel-Ausstellung) eine Ende der Lebensmittelverschwendung und dass zukünftig dabei auch die Wirtschaft in die Pflicht genommen werde.
Und wir waren ehrlich gesagt ziemlich stolz.
Auf der ANUGA sind in Köln 7000 Anbieter aus 108 Ländern vertreten. Mit dabei: Die Initiative „Genießt uns!“, die der WWF mit anderen Organisationen ins Leben gerufen hat. Einen Tag lang konnten wir das Thema aus verschiedenen Perspektiven beleuchten. Eine gute Gelegenheit, um unsere die Studie „Das große Wegschmeißen“ dort vorzustellen.
Lebensmittelverschwendung muss nicht sein
Das Gute am Problem der Lebensmittelverschwendung: Es kann sich ändern. Wissenschaftler gehen von einem sehr hohen Vermeidungspotenzial aus. Hier möchte der WWF zusammen mit den Partnern aus der Initiative „Genießt uns!“ so viel wie möglich anschieben. Unter anderem mit Ideen von Unternehmen, die sich bereits engagieren. Drei davon wurden am 13. Oktober auf einer großen Veranstaltung von Welthungerhilfe, Bundesverband der Tafeln, United Against Waste, Foodsharing, der Verbraucherzentrale NRW und uns mit dem „Genießt uns!–Award gekürt.
Die Entscheidung war den drei Jurymitgliedern, dem TV-Koch Christian Rach, der Foodtrendforscherin Hanni Rützler und Guido Ritter von der Fachhochschule Münster, wahrlich nicht leicht gefallen. Denn von allen 16 Nominierten können sich andere Unternehmen mehrere Scheiben abschneiden. Bauern, Bäcker, Kliniken, Restaurants oder der Handel – es gibt sie, die positiven Beispiele mit außerordentlichen Engagement für höhere Wertschätzung von Lebensmitteln.
Gekürt wurden aber schließlich diese drei:
Münchner Traditionsgasthof Weißes Bräuhaus
Das Stammhaus der Familienbrauerei G. Schneider & Sohn mit Platz für 660 Gäste bezieht seine Lebensmittel von regionalen Partnern. Das Bräuhaus pflegt auch die traditionelle Münchner Küche mit Innereien. Die in der Küche und auf den Tellern anfallenden Abfälle werden regelmäßig erfasst. Die Speisekarte wurde an die Wünsche der Gäste angepasst. Die Haxe kann halbiert, Salat und Beilagen entkoppelt vom Hauptgericht bestellt werden – so bleibt deutlich weniger auf den Tellern zurück.. Die Küchenproduktion wurde umgestellt und eine Resteverwertung eingeführt. Es lohnt sich: Die Entsorgungskosten für Lebensmittelreste konnte das Bräuhaus seit 2008 um 60 Prozent reduzieren, der Restmüll ging um 20 Prozent zurück.
„Die Spitzengastronomie war immer Vorreiter in Qualität und Nachhaltigkeit, aber die Vermeidung von Lebensmittelmüll stand nie im Fokus. Da muss ein bayrisches Brauhaus kommen und allen zeigen wie’s geht!”, sagte dazu Jurymitglied Christian Rach. „Das sollte und muss Schule machen“.

Von links Otmar Mutzenbach Weisses Bräuhaus München, Rike Kappler Cibaria Biobäckerei Münster, Peter Zens Gertrudenhof Bauernhof Hürth © David Klammer / Welthungerhilfe
Gertrudenhof
Seit mehr als 50 Jahren bewirtschaftet die Familie Zens den Gertrudenhof in Hürth, nahe Köln. Auf 130 Hektar werden etwa Weizen, Gerste, Zuckerrüben, Kartoffeln oder Kürbisse angebaut. Im Hofladen wird nicht normgerechtes Gemüse, das vom Großhandel wegen Form und Optik nicht akzeptiert wird, angeboten. In einer „Schlemmerstation“ werden Überschüsse verarbeitet und der Milchlieferant des Hofs nimmt nicht verkaufte Ware zurück, die später zu Käse wird. Der Schulbauernhof schafft es, in seiner Bildungsarbeit „eine neue Kultur der Wertschätzung von Lebensmitteln“ zu schaffen, befand die Jury.
„Mir war es wichtig, dass auch ein landwirtschaftlicher Betrieb ausgezeichnet wird. Die Landwirtschaft steht am Anfang der Produktionskette, hier kommen unsere Lebensmittel her“, begründet Jurymitglied Guido Ritter, Ernährungswissenschaftler der Fachhochschule Münster die Auszeichnung. „Leider wird beim Thema Lebensmittelverschwendung die Landwirtschaft oft ausgespart. Dabei besteht gerade hier die Möglichkeit die Wertschätzung für unsere Lebensmittel dem Verbraucher ohne Umwege vor Augen zu führen“.
cibaria — ökologisch-biologische Vollkornbäckerei
Die 1990 von Rike Kappler in Münster gegründete Bio-Bäckerei cibaria hat rund 50 Beschäftigte. Die Backwaren werden im Stammhaus sowie in Bioläden und auf Märkten angeboten. Außerdem beliefert cibaria Cafes und Kantinen. Der Betrieb hat nicht verkaufte Ware als wichtigste Stellschraube zur Effizienzsteigerung in der Produktion identifiziert. Retouren werden erfasst, die Belegschaft regemäßig geschult. Nicht verkaufte Brote und Brötchen werden zu Paniermehl verarbeitet und mittels überarbeiteter Rezepturen wieder in Backwaren eingearbeitet. Was hier keinen Einsatz findet, geht als Spende an Bahnhofsmissionen oder an die Versorgung der Nachtschicht.
„Seit Jahrtausenden ist Brot wohl das bedeutendste Lebensmittel überhaupt und ein symbolträchtiges Lebensmittel, das für physische und geistige Nahrung steht. Zugleich zählen Backwaren zu den Lebensmitteln, die an erster Stelle beim Abfall stehen“, erläutert Jurymitglied Hanni Rützler. „Eine Bäckerei auszuzeichnen, die sich gezielt der Vermeidung von Verlusten verpflichtet fühlt, ist ein Zeichen für die gesamte Branche“.
Bankett aus “Müll”
Dem Motto des Abends folgend lud die Firma Sodexo zum „Essensretterbankett“. Aus vermeintlichem Abfall entstand ein Buffet aus Lebensmittel, die für die Messe gekauft wurden, die aber am letzten Messetag keine Verwertung mehr gefunden hätten. Serviert wurden etwa Süppchen aus überreifen Tomaten, Pesto aus welken Kräutern und Häppchen aus Fallobst.
Wie nicht anders zu erwarten: Es war köstlich.
…bitte auch die deutsche Rechtschreibung retten und “fürs” in der Überschrift richtig schreiben 😉
Puh, gerettet:)