Vor der Küste Siziliens und zwischen Spanien und Marokko kämpfen zwei Pottwale im Mittelmeer ums Überleben. In beiden Fällen haben sich die tonnenschweren Tiere in Geisternetzen verfangen, aus denen sie sich kaum aus eigener Kraft befreien können.

In Italien konnte die Küstenwache den rund zehn Meter großen Wal am Wochenende zumindest teilweise von den Netzen befreien. 48 Stunden kämpften Taucher mit dem Netz und konnten zumindest einen Großteil des Körpers von den Schnüren befreien. Dann aber tauchte das extrem gestresste Pottwal-Weibchen ab. Ihre Schwanzflosse steckt noch immer in den Resten des Geisternetzes. Ob die teilweise wieder gewonnene Bewegungsfreiheit reicht, um langfristig zu überleben, ist unklar. Immerhin gelang es den Helfern, den Wal mit einem Blinklicht zu markieren, um das Tier möglichst schnell wieder orten zu können und die Entfesselung zu einem erfolgreichen zu beenden. Ein überaus heikles Unterfangen. Denn dafür muss der Wal nicht nur auftauchen, sondern auch stillhalten.
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Pottwal seit bald zwei Wochen im Netz
Ähnlich verzweifelt ist die Lage von Pottwal „Toño“, der in der Straße von Gibraltar rund 2000 Kilometer nordöstlich mit dem Tode ringt. Der rund 15 Meter lange Pottwal steckt seit mindestens zwölf Tagen in einem Treibnetz, das ihn von Kopf bis Schwanzflosse umhüllt. Das Tier wurde von einer wissenschaftlichen Expedition gesichtet. Mangelnde Ausrüstung und schlechtes Wetter machten eine Rettung zunächst unmöglich. Mit an Bord war ein Naturfotograf, der die dramatische Lage dokumentieren konnte. Anhand der Bilder konnte der Pottwal „Toño“ identifiziert werden. Er wurde seit Jahren immer wieder in der Region beobachtet.
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Seine Überlebenschancen stehen denkbar schlecht, zumal das Netz nicht nur seine Bewegungsfreiheit extrem einschränkt, sondern auch seinen Unterkiefer umschlingt. Damit kann er kaum fressen. Nachdem sich das Wetter verbessert hat, suchen mehr als 50 Wissenschaftler:innen und Naturschützer:innen mit Flugzeugen und Schiffen nach dem Wal. Es ist ein Rennen gegen die Zeit mit ungewissem Ausgang.
Keine Einzelfälle
Die Schicksale der beiden Wale sind kein Einzelfälle. Wir schätzen, dass jedes Jahr rund 300.000 Meeressäuger als Beifang oder in verloren gegangenen Geisternetzen verenden. Die Fischerei ist inzwischen eine weit größere Bedrohung für die Meeressäuger als der kommerzielle Walfang. Besonders betroffen sind Kleinwale und Delfine, aber die aktuellen Fälle zeigen, dass es auch für ausgewachsene Großwale oft kein Entrinnen aus den Todesfallen gibt. In Italien wurde erst vor einigen Wochen ein weiterer Pottwal aus Treibnetzen befreit.
Verbotene Netze
Besondere Brisanz haben die Fälle auch, weil Treibnetze, mit denen Thunfische und Schwertfische gejagt werden und die oft kilometerlang unter der der Oberfläche treiben, in Europa eigentlich schon lange verboten sind. Aber sowohl in Italien als auch in Marokko sind diese Netze trotz des Verbotes noch immer weit verbreitet.
Todesfalle Geisternetz
Hinzu kommt, dass jede Menge Fischereigerät über Bord geht und nicht nur für Meeressäuger eine fortdauernde Gefahr darstellt. Über 340 verschiedene marine Tierarten wurden identifiziert, die sich in Netzen verfangen, die funktionslos in den Weltmeeren treiben oder am Meeresgrund liegen. Darunter alle Meeresschildkröten-Arten und viele Seevögel. Viele dieser Arten sind vom Aussterben bedroht, manche hoch akut.
Schluss mit den Geisternetzen: Helft uns und den Meeresbewohnern!

Auch der Pottwal steht weit oben auf der Roten Liste und gilt als gefährdet. Die genaue Zahl der größten Zahnwale ist unsicher. Im Mittelmeer wird der Bestand auf 400 bis 2400 Exemplare geschätzt.
Auf sie lauern zwischen 30.000 und 120.000 Tonnen an verlorengegangenem Fischereigerät. Solche Geisternetze brauchen hunderte Jahre bis sie zu Mikroplastik zerbröseln. Das bedeutet zugleich, dass gezielte Bergungsaktionen von illegalen oder verlorenen Netzen eine große Verbesserung des Lebensraums für Wale, Robben und Meeresvögel bewirken könnten.
Wir vom WWF arbeiten seit Jahren an der Bergung von Geisternetzen. Daran können sich auch alle anderen Taucher beteiligen.
Thank you for the good work and information