EU-Taxo­no­mie: Kein Green­wa­shing für Atomkraft!

Problem: Atomkraftwerke könnten als nachhaltig gelten © IMAGO/Hans Blossey

In die­sen Tagen steht in Brüs­sel mal wie­der eini­ges auf dem Spiel – wenn auch auf einem Feld, das nach wie vor wenig öffent­li­che Auf­merk­sam­keit genießt: Finanz­po­li­tik. Genau­er geht es um die soge­nann­te EU-Taxo­no­mie. Spä­tes­tens hier win­ken vie­le ab – dabei lohnt sich ein detail­lier­te­rer Blick! Die Taxo­no­mie zielt schließ­lich ins Herz unse­rer Vor­stel­lung von Nachhaltigkeit.

Es geht ums Geld: Finanz­strö­me für die Nachhaltigkeit

Eine Taxo­no­mie teilt Din­ge in Klas­sen oder Kate­go­rien auf, um sie mess­bar zu machen und bes­ser beur­tei­len zu kön­nen. Die EU-Taxo­no­mie soll Anleger:innen dabei hel­fen, grü­ne Invest­ments zu erken­nen. Es geht dar­um, den Hebel des Finanz­sys­tems wirk­lich effi­zi­ent zu nut­zen, um auf die­se Wei­se Gel­der in Berei­che zu len­ken, die uns in Sachen Kli­ma- und Umwelt­schutz mess­bar voranbringen.

Die Taxo­no­mie als „Game Changer“

Wie revo­lu­tio­när das Gan­ze ist, wie die EU-Taxo­no­mie den Finanz­sek­tor, Ban­ken und Ver­si­che­run­gen beein­flusst – und was wir dabei unbe­dingt for­dern, erklä­ren wir vom WWF Sus­tainable-Finan­ce-Team in die­sem Papier genau­er. Die Erwar­tun­gen an die Wirk­sam­keit der Taxo­no­mie sind groß. Man­che spre­chen sogar davon, dass sie zum „Game Chan­ger“ für die Trans­for­ma­ti­on unse­rer Wirt­schaft wer­den könne.

Was ist nachhaltig?

Seit meh­re­ren Jah­ren schon arbei­ten Expert:innen ver­schie­de­ner Dis­zi­pli­nen an einer wis­sen­schaft­li­chen Grund­la­ge zur Beant­wor­tung der Fra­ge: Wann ist eine wirt­schaft­li­che Tätig­keit nach­hal­tig? Und damit ver­bun­den: Wann las­sen sich Inves­ti­tio­nen in bestimm­te Wirt­schafts­ak­ti­vi­tä­ten auch wirk­lich als nach­hal­tig oder grün bezeich­nen? Man­che Unter­neh­men sind bis­lang jeden­falls sehr ein­falls­reich, wenn es dar­um geht, als nach­hal­tig zu erschei­nen – Stich­wort „Green­wa­shing“. Höchs­te Zeit also, sich ein­mal über vali­de Kri­te­ri­en Gedan­ken zu machen.

EU-Taxo­no­mie: Sechs Umwelt­zie­le – und eine Ausschlussregel

Was als nach­hal­tig gel­ten soll, wird durch die EU-Taxo­no­mie für eine Viel­zahl von Wirt­schafts­tä­tig­kei­ten und ins­ge­samt sechs Umwelt­zie­le genau­er bestimmt. Ein wich­ti­ger Punkt ist dabei die soge­nann­te „Do no signi­fi­cant harm“-Regel. Das heißt: Bei der Ver­fol­gung eines Umwelt­ziels darf ich die ande­ren Zie­le nicht außer Acht las­sen. Wenn ich bei­spiels­wei­se ein Gebäu­de ener­gie­ef­fi­zi­ent sanie­re, muss ich auf die Umwelt­ver­träg­lich­keit der Bau­ma­te­ria­li­en und eine aus­rei­chen­de Recy­cling­quo­te ach­ten, um ande­re Umwelt­zie­le nicht zu gefährden.

EU-Taxo­no­mie: Atom­kraft muss drau­ßen bleiben!

Aktu­ell ste­hen bei der EU-Taxo­no­mie vor allem Kli­ma­schutz­zie­le im Fokus. Und hier kom­men wir zum der­zei­ti­gen Pro­blem: Wissenschaftler:innen sind sich einig dar­über, dass zum Bei­spiel fos­si­le Brenn­stof­fe, aber auch Atom­kraft zur Ener­gie­zeu­gung nicht als nach­hal­tig gel­ten kön­nen. Sie sind ent­we­der mit der Emis­si­on schäd­li­cher Treib­haus­ga­se ver­bun­den oder ver­let­zen in ekla­tan­ter Wei­se die „Do no signi­fi­cant harm“-Regel. So blei­ben bei Atom­kraft unkal­ku­lier­ba­re Risi­ken – Fuku­shi­ma ist gera­de ein­mal zehn Jah­re her. Die unge­lös­te Fra­ge nach der End­la­ge­rung radio­ak­ti­ver Abfäl­le kommt hin­zu. Den­noch drän­gen eini­ge Staa­ten dar­auf, Atom­kraft als „nach­hal­tig“ in die Taxo­no­mie auf­zu­neh­men. Das wäre aus unse­rer Sicht (und der vie­ler wei­te­rer Umwelt­or­ga­ni­sa­tio­nen) fatal.

Mit dem WWF-News­let­ter nichts mehr verpassen!

Die ehe­ma­li­ge Bun­des­um­welt­mi­nis­te­rin Sven­ja Schul­ze setz­te sich zwar gemein­sam mit eini­gen ihrer Kolleg:innen aus ande­ren EU-Staa­ten dafür ein, dass Atom­kraft kein Teil der Taxo­no­mie wird, sie­he ihren Brief an die EU-Kom­mis­si­on hier. Die­ser Druck hat offen­bar nicht aus­ge­reicht, wie der am 31.12.2021 zir­ku­lier­te Ent­wurf des dele­gier­ten Rechts­akts zu Kern­ener­gie und Erd­gas zeigt. Allen sach­lich Betei­lig­ten ist jeden­falls klar: Eine Nach­hal­tig­keits­ta­xo­no­mie, die mit Atom­kraft – und damit mit mög­li­chen Atom­un­fäl­len sowie Atom­müll rech­net – wäre fast schon wert­los. Das muss ver­hin­dert wer­den. Atom­kraft gehört nicht in ein Regel­werk von Nachhaltigkeit!

EU-Taxo­no­mie: Green­wa­shing ver­hin­dern © Jirsak/iStock/Getty Images

Eben­so wich­tig wird sein, wie im Rah­men der EU-Taxo­no­mie die Nach­hal­tig­keits­be­wer­tung fos­si­ler Brenn­stof­fe wie Gas aus­fällt. Eine gene­rel­le Ein­ord­nung als „nach­hal­tig“, wie lau­te Stim­men in Deutsch­land dies über das Jahr 2021 for­der­ten, lässt sich wis­sen­schaft­lich auf nichts stüt­zen. Ein glas­kla­rer Bezugs­rah­men zur kli­ma­ver­träg­li­chen Qua­li­tät von Gas­in­fra­struk­tur, die ambi­tio­nier­te Umstel­lung auf nach­hal­ti­gen Was­ser­stoff als zwin­gen­de Bedin­gung und die Reduk­ti­on der Last­fak­to­ren gehö­ren hier min­des­tens klar geregelt.

Für eine star­ke und umfas­sen­de Taxonomie

Gemein­sam mit unse­rem WWF-Büro in Brüs­sel enga­gie­ren wir uns dafür, dass eine glaub­wür­di­ge und star­ke Taxo­no­mie auf kla­rer wis­sen­schaft­li­cher Basis gera­de jetzt bezo­gen auf Erd­gas und Kern­ener­gie nicht zer­stört wird. Wo Nach­hal­tig­keit drauf­steht, muss auch Nach­hal­tig­keit drin sein!

Die Exper­ten­grup­pe der Kom­mis­si­on lehnt EU-Green­wa­shing von Gas und Atom­ener­gie ab. Von der deut­schen Bun­des­re­gie­rung wäre eine ähn­lich kla­re Stel­lung­nah­me wün­schens­wert gewe­sen. In ihrer Stel­lung­nah­me zu Erd­gas in der EU-Taxo­no­mie schwimmt die Bundesregierung.

Wir sind über­zeugt, dass eine Taxo­no­mie einen wich­ti­gen Bei­trag für die drin­gend not­wen­di­ge Trans­for­ma­ti­on unse­rer Wirt­schaft leis­ten könn­te. Aber eben nur, wenn sie auch wirk­lich hält, was sie verspricht.

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Ich arbeite beim WWF zum Thema „Sustainable Finance“ weil ich der Überzeugung bin, dass wir das Finanzsystem viel stärker einbeziehen müssen, wenn wir gesellschaftliche Ziele wie das Pariser Klimaschutzabkommen oder die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen erreichen wollen. Denn mit ihren Finanzierungs- und Investitionsentscheidungen haben Finanzmarktakteure einen großen Einfluss darauf, welche Aktivitäten in der Realwirtschaft finanziert werden und welche nicht. Beim WWF setze ich mich deshalb dafür ein, dass Kapitalströme so umgelenkt werden, dass sie den notwendigen Wandel in unserem Wirtschafts- und Gesellschaftssystems unterstützen, der notwendig ist, um unsere Lebensgrundlagen für die Zukunft zu erhalten.

Kommentare (4)

  • Gerade die Wissenschafter:innen kommen zu dem Schluss das Kernenergie nachhaltig ist und die do no signoficant harm regel nicht verletzt. Ich als Naturwissenschaftler finde eure Vereinnahmung der Wissenschaft fuer Propaganda untragbar.

  • Fakt ist, dass auch Kernkraft CO2-Emissionen erzeugt. Denn wenn wir bei allen anderen Energieträgern, ob nun fossil oder erneuerbar, das ganze "Drumherum" an Verbrauch in der Energiebilanz mit zählen, müssen wir das auch bei Atomkraft tun. Angefangen von der Förderung, die nicht nur Landschaften verwüstet, sondern wohl auch große Mengen an H2O verbraucht, bis hin zum Bau der CO2 intensiven Anlage, ev. Wiederaufbereitung, bis hin zum weltweit ungelösten Problem der Endlagerung fällt so einiges an CO2 an. Zusammen mit den verschiedenen Aspekten der Sicherheit, kann letztendlich bei der Atomkraft nicht von einer nachhaltigen Energieerzeugung gesprochen werden.

  • Unfassbar, dass die ethisch absolut untragbare Atomenergie das Label "nachhaltig" erhalten soll. Die Treibhausgas-Bilanz ist die eine Sache - und da schneidet die Atomenergie wg. der von Frau Steiner genannten Punkte (siehe Kommentar vom 17. Juli) auch nicht so toll aus, wie sie in einigen Bilanzen dargestellt wird.
    Vor allem aber ist nicht tolerierbar, dass wir mindestens 30.000 Generationen nach uns das Problem mit dem Atom-Müll aufbürden.
    Wichtig in der aktuellen Diskussion ist dabei, dass das Thema "Gas" nicht in die gleiche Kategorie gesteckt wird. Gasinfrastruktur und Gaskraftwerke sind - weil sehr flexibel - anders als AKWs sehr gut kompatible Ergänzungen zu Wind- und Sonnenenergie. Eine Umstellung auf nachhaltige Energie ist möglich. Mit entsprechenden Auflagen (verbindlicher Plan zum Übergang in Richtung Biomethan, synthetischem Methan und grünem Wasserstoff) kann man daher Investitionen in Gas-Projekte als nachhaltig einstufen. Bei der völlig unflexiblen, nicht integrierbaren und unethischen Atom-Energie geht das gar nicht.

  • Wahnsinn, Atomkraftwerke und Gaskraftwerke die absichtlich rücksichtsloses verbotenes green wasching begehen wollen von der EU Kommission subventionieren zulassen. Null Subventionierung ist das beste !
    Nur gut dass die EU Kommissions und Rats Mitglieder nicht verbotenes und kriminelles green Wasching betreiben werden können. Oder ?

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