Erneu­er­ba­re Ener­gien: Deutsch­land hat den Anschluss verpasst

Der Ausbau der Erneuerbaren braucht neue Energie © Bene_A / iStock / Getty Images

Mit Deutsch­land und der Ener­gie­wen­de ist es ein biss­chen so wie mit der Erfin­dung des Fahr­rads. Es wur­de viel getüf­telt und aus­pro­biert. Und am Anfang war alles noch sehr teu­er. Aber irgend­wann stimm­te die Tech­nik. Die Ener­gie­wen­de kam ins Lau­fen, sie hat­te qua­si end­lich zwei gleich gro­ße Räder und alle woll­ten Fahrradfahren.

Mitt­ler­wei­le aber hat Deutsch­land ver­ges­sen, wie man Fahr­rad fährt, wäh­rend ande­re Län­der schon auf Pedelecs umsat­teln. Deutsch­land, Geburts­land der Ener­gie­wen­de, hat den Anschluss ver­lo­ren. Das ist nicht nur für unse­re Wirt­schaft gefähr­lich: Als eine der größ­ten Indus­trie­na­tio­nen ste­hen wir in beson­de­rer Ver­ant­wor­tung, was den Kli­ma­schutz angeht. Aber ohne eine umfas­sen­de Ener­gie­wen­de hin zu Erneu­er­ba­ren hei­zen wir die Kli­ma­kri­se wei­ter an.

Damit steigt das Risi­ko für extre­mes Wet­ter, auch bei uns in Deutsch­land. Hit­ze­ta­ge etwa neh­men zu, mit teils schwe­ren Fol­gen für unse­ren Kreis­lauf. Tro­pi­sche Krank­hei­ten kön­nen sich aus­brei­ten. Dür­ren auf der einen, Über­flu­tun­gen auf der ande­ren Sei­te gefähr­den Ernäh­rungs­si­cher­heit und Wohl­stand. Ein stei­gen­der Mee­res­spie­gel ver­treibt Mil­lio­nen Menschen.

Es gibt nichts zu feiern

Lei­der folgt auf die Dring­lich­keit aber noch nicht ent­schlos­se­nes Han­deln. Und so haben wir am Tag der Erneu­er­ba­ren am 24. April nichts zu fei­ern. Im Gegen­teil: Der Aus­bau sau­be­rer Ener­gie aus Wind und Son­ne in Deutsch­land ist dras­tisch ein­ge­bro­chen. 2020 wur­den davon gera­de ein­mal 6,3 Giga­watt zuge­baut. Nötig wären min­des­tens 15 bis 20 pro Jahr, wenn Deutsch­land sei­ne eige­nen – ohne­hin zu nied­ri­gen – Kli­ma­zie­le errei­chen möch­te. Bei Wind waren auch schon ein­mal vier- bis fünf­mal so viel wie 2020, bis die Ener­gie­wen­de ins Sto­cken kam. Jetzt wur­de sogar noch die Aus­schrei­bungs­men­ge zurückgefahren.

Statt­des­sen sind noch immer sechs der zehn größ­ten CO2-Schleu­dern Euro­pas deut­sche Koh­le­kraft­wer­ke. Trotz Koh­le­aus­stiegs­ge­setz. Und das Kli­ma­ziel 2020 hat Deutsch­land nur erreicht, weil es unschö­ne Schüt­zen­hil­fe von der Coro­na-Pan­de­mie bekom­men hat. Wir alle wis­sen, dass die­ser Emis­si­ons­rück­gang nicht nach­hal­tig blei­ben wird.

Deutsch­land braucht mehr Erneuerbare

Unser gesam­tes, zukunfts­fä­hi­ges Sys­tem hängt davon ab, dass uns aus­rei­chend Strom aus Wind und Son­ne zur Ver­fü­gung steht. Auch für den Ver­kehr: Wenn Tes­la jetzt bald aus dem bran­den­bur­gi­schen Grün­hei­de den deut­schen Auto­markt mit Elek­tro­au­tos ver­sorgt, brau­chen die­se Strom aus Erneu­er­ba­ren, um einen Bei­trag zum Kli­ma­schutz zu leisten.

Auch die Indus­trie braucht den schnel­len Ausbau

Und auch die Indus­trie braucht einen schnel­len Aus­bau: Kom­men jetzt nicht die rich­ti­gen  Wei­chen­stel­lun­gen aus der Poli­tik, kann es pas­sie­ren, dass in kli­ma­schäd­li­che Pro­duk­ti­ons­an­la­gen reinves­tiert wird, die über Jah­re Bestand haben. Neben direk­ter Elek­tri­fi­zie­rung ist für die Indus­trie auch die För­de­rung Grü­nen Was­ser­stoffs wich­tig – also sol­cher, der mit­hil­fe Erneu­er­ba­rer her­ge­stellt wird. Denn nur grü­ner Was­ser­stoff ist lang­fris­tig sinnvoll.

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Augen auf für die Realität

Es ist also Zeit, die Augen zu öff­nen und die Rea­li­tä­ten anzu­er­ken­nen. Wind und Son­ne gehö­ren die Zukunft. Deutsch­land möch­te nicht in einer Flau­te ste­cken blei­ben, wenn nun auch die USA wie­der mit dem Wind segeln. Wenn sich die Regie­rungs­par­tei­en hof­fent­lich end­lich wie­der den neu­en Aus­bau­zie­len in der Novel­le des Erneu­er­ba­ren-Ener­gien-Geset­zes (EEG) wid­men, dann braucht es Ver­stand und Herz. 2030 soll­ten 80 Pro­zent des Brut­to­strom­ver­brauchs aus Erneu­er­ba­ren stam­men. Nur so kom­men wir den Zie­len des Pari­ser Kli­ma­ab­kom­mens und der Kli­ma­neu­tra­li­tät bis spä­tes­tens 2050 nahe.

Der Platz ist da

Dane­ben gilt der Blick der Flä­che: Erneu­er­ba­re benö­ti­gen Platz. Wie wir vom WWF berech­net haben, rei­chen rund zwei Pro­zent der Lan­des­flä­che und die Dach­flä­chen, um Deutsch­lands Ener­gie­ver­sor­gung zum größ­ten Teil mit Wind- und Solar­an­la­gen zu decken. Damit die­se Flä­chen aber sozi­al- und natur­ver­träg­lich erschlos­sen wer­den, ist eine viel bes­se­re Pla­nung und Steue­rung auf regio­na­ler Ebe­ne nötig. Dafür braucht es unter ande­rem mehr per­so­nel­le und finan­zi­el­le Res­sour­cen für die zustän­di­gen Behör­den. Und es braucht ein­heit­li­che, wis­sen­schaft­li­che Kri­te­ri­en, nach denen Stand­or­te für Erneu­er­ba­re aus­ge­wählt werden.

Dabei müs­sen zwin­gend auch die Men­schen vor Ort ein­ge­bun­den wer­den. Es ist unse­re Ener­gie­wen­de, unse­re Zukunft, die wir mit­ge­stal­ten wol­len und sol­len. Dabei geht es auch um die finan­zi­el­le Betei­li­gung etwa an Wind­parks. Die gro­ßen Vor­tei­le, die Wind- und Solar­parks mit sich brin­gen, müs­sen end­lich auch die Stand­ort­kom­mu­nen unmit­tel­bar spüren.

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Die Erneu­er­ba­ren ent­schlos­sen aus­zu­bau­en ist eine Chan­ce auf nach­hal­ti­gen Wohl­stand – für uns und ande­re Län­der. Der Inno­va­ti­ons­geist hier­zu­lan­de hat einst dazu geführt, die Ener­gie­wen­de zum Export­schla­ger zu machen. Die­sen Geist gilt es, wie­der­zu­be­le­ben. Sonst ver­lernt Deutsch­land viel­leicht irgend­wann tat­säch­lich noch das Fahrradfahren.

(Die­ser Blog­bei­trag erschien in ähn­li­cher Form als Gast­kom­men­tar in der taz vom 23.4.2021)

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Leiterin Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF Deutschland und damit beschäftigte mit alle (oder doch zumindest vielen) Fragen rund um Klima und Energie. Und obwohl ich seit Jahren nicht mehr aktiv dazu arbeite, hängt mein Herz an einer neuen Mobilitätswelt. Es braucht nicht mehr als täglich mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren um daran erinnert zu werden, wieviel Arbeit das noch ist.

Kommentare (3)

  • Wenn man diesen Beitrag liest, könnte man denken, er wäre von der Windkraftlobby verfasst und nicht von einer Naturschutzorganisation. Meiner Meinung nach sind insbesondere Windkraft und Naturschutz nicht vereinbar. Für Windräder werden die letzten Naturräume geopfert. Die Herstellung der Anlagen verbraucht Ressourcen, für die Aufstellung und Wartung müssen Flächen geopfert und Zufahrtswege gebaut werden, was ein massiver Eingriff in die Natur- und Erholungsräume, wie z. B. Wälder, Wiesen und Meere darstellt. Dass die Windräder Vögel und andere Flugtiere, wie z. B. Fledermäuse und Insekten töten, ist längst bekannt, auch wenn dies von manchen Zeitgenossen verharmlost und bestritten wird. Ausser dass Windräder optisch und akustisch extreme Störfaktoren sind, ist schliesslich dann noch das vielerorts ungeklärte Entsorgungsproblem ausgedienter Anlagen. Es gibt Waldstücke, in denen Müll, wie z. B. ausgediente Rotoren, seit Monaten herumliegen. Auch für Solaranlagen werden wertvolle Ressourcen, wie z. B. seltene Erden verwendet, die nicht einfach so vom Himmel fallen; und für Wasserkraft werden ganze Landstriche unter Wasser gesetzt. Laut Beitrag werden "nur" 2% der Landesfläche Deutschlands für "saubere" Energie benötigt; das wäre die dreifache Fläche des Saarlandes. Deutschland ist eines der am dichtesten besiedelten Länder der Erde, hat unzählige, grossflächige Industriegebiete und das dichteste Strassen- und Schienennetz weltweit. Wo sollen diese "nur" 2% denn noch herkommen? Der Fokus sollte auf Strom sparen gesetzt werden. Wenn wir hier im deutschen Land nur 10% des heutigen Stromverbrauches hätten, ginge es uns wahrscheinlich immer noch viel zu gut. Windräder sollten nicht in Naturräume, sondern in Siedlungen gebaut werden, am Besten mitten auf den Dorfplatz oder den Marktplatz in Städten. Dort wird der Strom ja auch gebraucht. Es wäre sicherlich interessant zu wissen, wie gross die Akzeptanz dann noch wäre.

    Es ist wirklich schockierend, dass der WWF und gewisse andere grosse Naturschutzverbände die ganzen Nachteile der "grünen" und "sauberen" Energie nach wie vor ausblenden.

  • Ist denn in den 2% schon die kommende E-Auto-Welle mit einbezogen, oder werden aus 2% dann schnell mal 4% an Fläche im Sinne des Mehrverbrauchs?

  • Ich denke nicht, dass E-Autos, Solar- oder Windparks unser Allheilmittel beim Thema Klima- und Umweltschutz oder bei der Reduktion von CO2 sind.
    Wir vergessen nämlich in schöner Regelmäßigkeit, dass wir für die ganzen Akkus, Stromspeicher, Solarzellen etc., solche Dinge wie Lithium, Gold, Kupfer und andere seltene Erden/ Metalle benötigen. Alleine der Abbau dieser Stoffe - welche zudem sehr begrenzt vorhanden sind- richtet einen unglaublichen Schaden in der Natur an und produziert nebenbei auch noch CO2.
    Wir wollen also Pest mit Cholera bekämpfen. Eine ziemlich kurzsichtige Einstellung wie ich finde.
    Besonders der steigende Bedarf an den obengenannten Stoffen, vorangetrieben durch die Digitalisierung und die damit einhergehende erhöhte Nachfrage an Strom und Speicherkapazitäten (z.B. auch für Serverfarmen), macht das Ganze nur noch schlimmer.
    Ein weiterer vernachlässigter Punkt beim Thema Energiewende ist meiner Ansicht nach das Thema Recycling von Akkus & Solarpanelen. Da Deutschland Exportweltmeister in Sachen Müll ist - besonders beim Elektroschrott - bezweifle ich sehr stark, dass sich das mit den Akkus der E-Autos anders verhalten wird.

    Und was die Produktion von Tesla angeht: Die ist gerade dabei ganze Landstriche trocken zu legen, da sind die benötigten erneuerbaren Energien für die Produktion glaube ich das "kleinste" Problem.

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