Dieses Urteil zur Elbvertiefung ist ein Meilenstein der Naturzerstörung und vergrößert das Artensterben vor unserer Haustür. Das Bundesverwaltungsgericht hat am 4. Juni die Planfeststellungen zur Elbvertiefung für rechtmäßig erklärt und den mit 40 Millionen Kubikmetern Baggermenge größten Eingriff in die Elbe als wasserrechtlich „nicht erheblich“ bewertet.
Wir sind natürlich enttäuscht. Denn damit fällt die letzte juristische Hürde für einen weiteren massiven Eingriff in den Fluss. Es ist ein Beleg dafür, dass der Rechtsschutz für die Natur schlecht ist. Er reicht nicht aus, um das Artensterben zu stoppen und die natürlichen Ressourcen für zukünftige Generationen zu erhalten. Besonders unverständlich ist für mich, dass die gravierenden Fehlprognosen beim Container-Umschlag keine rechtlichen Konsequenzen haben. Diese Situation ist eine Einladung für Gefälligkeitsgutachten. Das darf nicht so bleiben.
Einzigartige Flusslandschaft unter Schutz
Es ist völlig unstrittig: Die Flussmündung der Elbe steht unter europäischem Naturschutz. Sie ist einzigartigen Flusslandschaft, Lebensraum vieler gefährdeter Fisch‑, Schnecken‑, Muschel‑, Krebs- und Vogelarten. Hier ist der Schierlingswasserfenchel zu finden. Die Pflanze kommt weltweit nur im Süßwasserbereich der von Ebbe und Flut beeinflussten Tideelbe vor. Auch der vom Aussterben bedrohte Tideauwald findet sich hier. Hunderttausende von Zugvögeln rasten hier in den Wintermonaten.
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Der Konflikt zwischen Schutz und Nutzung der Tideelbe ist groß. Neben ihrer Bedeutung als wertvoller Naturraum ist sie eine wichtige Schifffahrtsstraße. Durch Deiche ist das ursprüngliche Überschwemmungsgebiet um circa 90 Prozent verkleinert. Es wird heute überwiegend landwirtschaftlich genutzt.
Der Tideelbe geht es heute schon schlecht
In den letzten 140 Jahren wurde die Tideelbe acht Mal vertieft, mit katastrophalen und immer wieder dokumentieren Folgen für das Flussökosystem. Jedes Jahr, wenn die Temperaturen steigen, sinkt der Sauerstoffgehalt unterhalb von Hamburg auf einer Strecke von bis zu 30 Kilometern so tief, dass dort keine Fische mehr leben. Für Wanderfische stellt dies eine zeitweise unüberwindbare Barriere zu ihren Laichgebieten dar. Ökologisch wertvolle Flachwasserzonen sind durch das Absinken der Wasserstände sowie Ablagerungen von Sedimenten als Laich‑, Aufwuchs- und Nahrungsgebiete verloren.
Ausdruck für den heute schon katastrophalen Zustand der Elbe ist der dramatische Rückgang der Stinte, einer eigentlich in der Elbe häufigen Fischart. Stirbt der Stint, dann hungern Seeschwalben sowie viele andere Tiere, für die der Stint die Nahrungsgrundlage ist.

Gemeinsamer Kampf gegen die Elbvertiefung
Mit den Planungen für die neunte Elbvertiefung wurde 2003 begonnen und 2005 wurde das Planfeststellungsverfahren eröffnet. Aufgrund der fehlerhaften Planung haben Anwohner, Behörden, Landwirte, Fischer, Segler und Umweltverbände mehr als 5000 Stellungnahmen bei der Genehmigungsbehörde eingereicht. Die Planungen mussten deshalb überarbeitet werden. 2012 wurde dann die Elbvertiefung planfestgestellt. Mit unserem Aktionsbündnis „Lebendige Tideelbe“ von WWF, BUND und NABU konnten wir 2012 einen Baustopp erzielen.
Inhaltlich beziehen wir uns auf die Europäische Wasserrahmenrichtlinie. Diese sagt aus, dass sich der Zustand des Flusses verbessern muss. Und nicht verschlechtern darf. Außerdem sehen wir Verstöße gegen die Flora-Fauna-Habitat- und die Vogelschutz-Richtlinie.

2014 und 2017 wurden die Planunterlagen vom Gericht als rechtswidrig und nicht vollziehbar bewertet. Allerdings gab das Gericht der Beklagten jedes Mal Hinweise, was getan werden muss, damit die Planungen rechtskonform werden. In der letzten Runde ging es dann vorrangig um den Ausgleich für den ökologischen Schaden. Für mich lässt sich das allerdings nicht vom Gesamtvorhaben und den Prognosen trennen!

Nach acht Jahren rechtlicher Auseinandersetzung haben wir die Elbvertiefung nicht verhindern können. Trotzdem haben wir Wichtiges für Natur und Umwelt erreicht:
- Ufervorspülungen in Naturschutzgebieten wurden verhindert.
- Der Schutz gefährdeter Fischarten wie der Finte wurde verbessert
- Pflichtaufgaben im Naturschutz dürfen nicht als Kompensation für Naturzerstörung angerechnet werden. Für Planer ist dies ein Lehrstück: die Nichtbeachtung von Natur- und Umweltvorschriften kann zu erheblichen Verfahrensverzögerungen führen!
Elbvertiefung: Es bleibt sinnlos
Unabhängig vom Rechtsstreit gibt es gute Gründe die Elbvertiefung jetzt zu stoppen. Bei Beginn der Planung ging man für das Jahr 2020 von einem Umschlag von 23 Millionen Containern aus. Seit 2010 sind es zwischen acht und zehn Millionen. Eine Veränderung ist nicht in Sicht. Damit entfällt eine wesentliche Begründung für das Projekt. Gleichzeitig steigen die Infrastrukturkosten. Die Ausbaumaßnahmen zur Verbreitung mit denen die meisten Restriktionen für die Schifffahrt behoben sind wurden weitgehend. Ein Baustopp würde den Schaden für das Ökosystem und den Steuerzahler deutlich reduzieren — bei einer Beseitigung der Hindernisse für die Schifffahrt von 90 Prozent.
Jetzt erst recht: Elbvertiefung jetzt stoppen!
Umwelt und Tiere muss man schützen. Die Menschen haben den Tieren und der Natur die Hölle auf Erden gebracht. Stop
Ich denke, neben der ökologischen Problematik muss gerade in Zeiten, in denen das Geld knapp ist, auch und gerade der geringe ökonomische Nutzen genau erklärt werden. Das könnte viele Entscheidungsträger umstimmen. Vielleicht müssen wegen bestehender Verträge einige Entschädigungen gezahlt werden. Das sollte man im Sinne der Umwelt notfalls in Kauf nehmen, auch wenn die Nutznießer möglicherweise (ich kenne die Situation in Hamburg nicht) von Anfang an mit geschönten Zahlen unterwegs waren (siehe Stuttgart 21). Das ist nicht gerecht, aber vielleicht notwendig, um noch etwas zu retten.