Untergeganges Land, mit Walen, Delfinen, Rochen und Korallen — und alles in der Nordsee? Aber ja, die Doggerbank. Höchste Zeit, sie wirklich zu schützen.
Wo liegt eigentlich die Doggerbank in der Nordsee?
Wusstet ihr, dass die Doggerbank das drittgrößte Schutzgebiet in der Nordsee ist, nach dem Wattenmeer im Süden und dem Shetland-Färoer-Kanal im Norden? Mit etwa 18.000 Quadratkilometer größer als Schleswig-Holstein, liegt sie im Vierländereck zwischen Großbritannien, den Niederlanden, Dänemark und Deutschland.
Nun werdet ihr sagen: “Erzähl mir doch nix vom Pferd, in meinem Atlas ist da keine Sandbank!” Tatsächlich war es aber mal so. In der Eiszeit und Nacheiszeit lebten Menschen auf “Doggerland”. Seitdem ist der Meeresspiegel in der Nordsee um rund 100 Meter gestiegen. Die heutige Doggerbank ist mit Wassertiefen zwischen 13 und 30 Metern ständig vom Meer bedeckt. Doch genau das macht sie in unserem Zeitalter so schützenswert. “Sandbänke mit nur schwacher ständiger Überspülung durch Meerwasser” müssen neben unterseeischen Riffen im Meer nach der Flora-Fauna-Habitat-(FFH)-Richtlinie der EU von den Mitgliedsstaaten streng geschützt werden. Was lebt denn da?
Eine Sandbank besteht nicht nur aus Sand
Die Doggerbank ist bekannt für ihren Artenreichtum: Im Meeresboden leben Muscheln, Würmer und Krebstiere in großer Zahl. Die Oberfläche ist ebenfalls an vielen Stellen besiedelt, z.B. durch die “Tote-Manns-Hand”, eine Weichkoralle oder die Wellhornschnecke. Der Tisch ist damit reich gedeckt für die Fischbestände der Nordsee, von Kabeljau bis Scholle, Flunder und Seezunge. Da die Doggerbank auch große Schwärme von Sandaalen ernährt, zieht sie Seevögel wie die Dreizehenmöwe und den Basstölpel bei ihrer Nahrungssuche an. Auch Robben, Delfine und Schweinswale können sich dort satt fressen und es gibt Anzeichen, dass der früher einmal heimische Zwergwal, der Kleinste unter den Bartenwalen, dort wieder einwandert. An den Abhängen der Bank kommen außerdem bedrohte Arten wie die Islandmuschel und Seefedern vor, liegen Laichplätze gefährdeter Knorpelfische wie des Nagelrochens. Wenn ihr mehr über die Arten und Lebensgemeinschaften der Doggerbank erfahren wollt, lest gerne diesen WWF-Fachbericht (Englisch).
Wenn Meeresschutz zum Papiertiger wird
Der WWF machte deshalb bereits 1998 den Vorschlag, die Doggerbank international als Meeresschutzgebiet auszuweisen. Wie immer gingen Jahre ins Land, bis die politische Einsicht siegte und zunächst der deutsche Teil der Doggerbank im Jahr 2007 als Natura 2000-Gebiet unter Schutz gestellt wurde. Die Niederlande zogen 2010 nach, Großbritannien 2013, allerdings ohne die Wale neben der Sandbank selbst als Schutzgüter zu benennen. So konnte man sich Lärmschutzmaßnahmen beim Bau von Windparks im britischen Sektor gleich sparen. Dänemark bemühte sich erst gar nicht groß um eine Anmeldung als Schutzgebiet bei der EU, denn auf der dänischen Seite gibt es große Erdgasvorkommen, deren Ausbeutung unlängst angekündigt wurde. In beiden Fällen wurden WWF und andere Umweltorganisationen mit Einsprüchen und Beschwerden aktiv, denn beide staatlichen Verhaltensweisen stehen im Widerspruch zum EU-Naturschutzrecht. Ihr seht schon: Mit einer Politik der kleinen Abstriche drohte aus einem strengen Schutzgebiet schon während seiner Ausweisung ein bemitleidenswerter Papiertiger zu werden!
Doch die schrittweise Demontage ging noch weiter.
Bodenschlepp- und Stellnetze im Schutzgebiet? Geht gar nicht, oder?
Sagt doch der gesunde Menschenverstand, dass solche Fangmethoden die Lebensgemeinschaft der Doggerbank zerstören bzw. für Schweinswale und Delfine zur Todesfalle werden. Leider scheinen nicht mehr alle mit diesem Verstand ausgestattet, wie die folgende Geschichte zeigt: Schon vor sieben Jahren baten die deutsche, dann die niederländische Regierung den Internationalen Rat für Meeresforschung (ICES) um fachlichen Beistand bei der Frage, welche Einschränkungen für die Fischerei notwendig sein würden, um ihr Ökosystem wirksam zu schützen. Hier seht ihr den Management-Vorschlag des WWF, am Beispiel der deutschen Flächen auf der Bank. Die Empfehlungen des ICES sind darin berücksichtigt. Auf dieser Basis begannen 2011 Gespräche von Vertretern der vier beteiligten Mitgliedsstaaten, der EU-Kommission, und der Fischerei- und Umweltverbände. Man saß anfangs sprichwörtlich um einen runden Tisch. Darauf eine Karte der Doggerbank in der Mitte. Jeder zeichnete sein Wissen ein, von Fischgründen über Flächen mit besonderer biologischer Vielfalt bis zu den Empfehlungen der Wissenschaftler, wo Gebiete für schädliche Fangmethoden geschlossen werden sollten. Zunächst begann alles hoffnungsvoll. Wir diskutierten, die Hälfte der Bank für bodenberührendes Fanggerät wie Schleppnetze, Kurren, Dredgen und Wadennetze zu sperren. Das deutsche Bundesamt schlug zudem vor, in seinem Bereich Stellnetze zu verbieten.
Der Berg kreißte und gebar eine Maus: Aus 50 Prozent Doggerbank wurden 5
Nach fünf Jahren Verhandlungsmarathon und massivem Druck der Fischereilobby, vor allem über Fraktionen im niederländischen Parlament, stehen die Bemühungen zum Schutz der Doggerbank nun vor einem Scherbenhaufen: Nur noch 34 Prozent der Bank sollen für einen Teil der Bodenfanggeräte gesperrt werden, nur fünf Prozent für alle. Genau so viel macht nämlich, auf die gesamte Bank umgerechnet, die komplette Schließung der Hälfte des deutschen Teils aus, an der die Bundesregierung zum Glück fest hält. Unser WWF-Büro in Brüssel reagiert mit scharfer Kritik. Die gemeinsame Fischereipolitik der EU schreibt vor, dass sich Mitgliedsstaaten erst einig sein müssen, bevor sie der Kommission Fischereibeschränkungen in Schutzgebieten vorschlagen, die diese dann rechtsverbindlich für die Fangflotten aller EU-Staaten erlässt. Bei der Doggerbank hat dieses Verfahren leider zum kleinsten gemeinsamen Nenner geführt.
Hat der Schutz der Meeresnatur da noch eine Chance? Ich meine ja. Die Kommission kann einen solchen Antrag als unzureichend ablehnen, wenn er dem europäischen Naturschutzrecht nicht Genüge leistet. Darauf wollen wir vom WWF jetzt als nächstes hinwirken.
Und was kannst Du tun?
EU-Kommission und ihr Präsident Jean-Claude Juncker planen, die Naturschutzgesetze für die Industrie aufzuweichen. Damit stehen die europaweiten Naturschutzerfolge der letzten 20 Jahre auf dem Spiel! Bedrohte Arten wie Luchs, Kegelrobbe und Braunbär wären schutzlos. Über 27.000 Schutzgebiete wären gefährdet. Gemeinsam können wir die Pläne der Kommission noch stoppen!
Ich bin entsetzt wie man mit der Natur umgeht. Hallo, wir haben nur diese eine, unsere Erde. Wie kann man Naturschutzgebiete für die Industrie ““aufweichen”” wollen. Was mühsam erkämpft worden ist, wollen Sie und Ihre Helfer einfach so zerstören? Das geht gar nicht.
Ich protestiere energisch gegen Ihre Machenschaften mit unserer Umwelt. Sigrid Grothe
Hallo Frau Grothe,
ich nehme an, Ihr Protest ist an die Europäische Kommission im Rahmen von #naturealert gerichtet und nicht an den WWF, der sich für eine konsequente Umsetzung der EU-Naturschutzrichtlinien ohne Aufweichung einsetzt, wie auch hier im Falle der Doggerbank.
Beste Grüße
Stephan Lutter
Sigrids Kommentar könnte man ohne weiteres mit einigen zigtausend Unterschriften schmücken. Oder auch einer halben Million!
Danke Herr Lempp! Dann mal los! http://www.wwf.de/naturealert/
Gruß von Stephan Lutter