Gestern wurde in Brüssel die neue Industriestrategie der EU vorgestellt. Die EU-Kommission hat darin das Ziel der Klimaneutralität formuliert– auch für energieintensive Industrien. Die Strategie soll den Rahmen bilden, um in neue klimaneutrale und ressourcenschonende Prozesse zu investieren. Das Ziel wird einhellig begrüßt, bei der Umsetzung gibt es zum Teil stark unterschiedliche Meinungen.
Bei Energieeffizienz und Kreislaufwirtschaft sind sich alle schnell einig, dass diese Maßnahmen das Klima schützen und insgesamt gut für die Umwelt sind. In Bezug auf neue Technologien und damit verbundene neue Infrastrukturen wird jedoch gestritten. Wie beim Thema CCS und CCU.
Was bedeutet CCS und CCU?
Das sogenannte CCS (Carbon Capture and Storage) ist ein Verfahren, das Kohlendioxid aus Industrieabgasen auffängt und speichert. CCU (Carbon Capture and Utilization) geht noch einen Schritt weiter und verwendet das aufgefangene CO2 für weitere Industrieprozesse. Die Meinungen gehen bei CCS und CCU weit auseinander.

CCS: Schlechter Ruf Dank Kohlelobby
Ursprünglich hatte sich die Kohleindustrie stark für die CCS eingesetzt. Die Technologie sollte dabei helfen, Laufzeitverlängerungen für Kohlekraftwerke zu erwirken. Kohlenstoff einsammeln und speichern klingt ja erstmal gut. Aber bei einem Kohlekraftwerk wäre eine solche Anwendung eher ein Feigenblatt auf der Emissionsbilanz als ein ernsthafter Versuch, klimafreundlich zu produzieren. Weiterhin wurde behauptet, CCS würde Kohlekraftwerke in die Klimaneutralität führen. CCS als faule Ausrede für Leute, die keine Lust auf den Ausbau der Erneuerbaren hatten. Kein Wunder also, dass CCS in Deutschland einen schlechten Ruf bekam.
CCU hingegen wirkt äußerst sympathisch. Eingesammeltes und sogar wiederverwendetes CO2 klingt nach Recycling. Doch dieser Eindruck trügt, denn dieses Verfahren benötigt sehr viel Strom. Mit dem heutigen deutschen Strommix betriebenes CCU würde mehr Emissionen freisetzen als mit konventioneller Herstellung auf Basis von Kohle, Erdöl und Erdgas. Erst bei Verwendung von 100 Prozent erneuerbarem Strom würden überhaupt Emissionen eingespart.
Norwegen: CCS in Salzkavernen
Ein zweiter Blick auf CCS hingegen zeigt ein deutlich anderes Bild als zu Kohle-Zeiten. Seit 1996 laufen Projekte in Norwegen, die Emissionen aus einem Zementwerk und aus einer Müllverbrennungsanlage abscheiden und unter der Nordsee in Salzkavernen deponieren. Erfahrungen mit der Speicherung sind also inzwischen gegeben und sie sind durchaus positiv.

Gebraucht werden diese neuen Verfahren für die besonders energieintensiven Industrieprozesse (u.a Baustoffe, Chemie, Glas oder Metalle), die selbst bei Umstellung auf 100 Prozent erneuerbare Energieversorgung immer noch klimaschädliche Emissionen verursachen. Insbesondere die Zementindustrie wird trotz Einsatz erneuerbarer Energien maximal 40 Prozent ihrer CO2-Emissionen einsparen. Die größere Hälfte verbleibt und belastet das Klima immer weiter, außer sie kann eingefangen und deponiert (CCS) oder zu anderen Produkten (CCU) verarbeitet werden.
CCU nur für langlebige Produkte nutzen
Wenn CCU für die Herstellung von Treibstoffen für den Verkehr oder für die Herstellung von Heizgas für Gebäude eingesetzt wird, entstehen weiterhin Emissionen im Motor oder in der Heizung. Um CCU auf den Pfad zu Null-Emissionen zu führen, muss sichergestellt werden, dass nur langlebige Materialien (z.B. Kunststoffe) aus CO2 hergestellt werden.
Nachhaltigkeitskriterien für CCS und CCU benötigt
Wir vom WWF gehen davon aus, dass der Bedarf an Zement sinken wird. In Zukunft werden wir immer mehr emissionsarme, moderne Materialien verbauen. Für einen Teil der Zementemissionen brauchen wir CCS und CCU. Für beide Verfahren benötigen wir jedoch klar definierte Nachhaltigkeitskriterien. Es muss festgelegt werden, dass nur die Prozesse und Anwendungen Zugang zu CCU/CCS bekommen, die keine anderen Vermeidungsoptionen haben. Und es muss klar geregelt sein, dass CCU/CCS nur für die Anwendungen vorgesehen werden, die tatsächlich Emissionen einsparen werden.
Auch andere Länder in Europa stehen dem Thema CCS inzwischen positiv gegenüber, zum Beispiel Großbritannien oder die Niederlande. Global gibt es inzwischen kein Klimaschutzszenario, das ohne CCS auskommt.
Wir unterstützen CCU:
- bei der Herstellung von langlebigen Materialien, zum Beispiel Kunststoffen
- bei der Herstellung von Flugbenzin
- bei der Herstellung von Heizmaterial für Hochtemperaturprozesse in der Industrie
- Langfristig als Speicheroption in einem 100 Prozent erneuerbaren Energiesystem
Wir lehnen CCU ab:
- bei Kraftstoffen für PKW und bei der Heizgasherstellung für normale Raumwärme
Wir unterstützen CCS:
- bei anderweitig nicht vermeidbaren Prozessemissionen aus der Industrie
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