Das weltweite Artensterben ist eines der drängendsten Probleme unserer Zeit. Einer der Hauptverursacher: die Landwirtschaft. Unter den Leidtragenden: der Kakaobaum.
Anbau in Monokultur, der flächendeckende Einsatz von Pestiziden und schrumpfende natürliche Rückzugsorte machen Tieren und Pflanzen das Leben schwer. Auch – und jetzt müssen einige von uns stark sein – unsere Lieblingssüßigkeit trägt zum Artenverlust bei. Neun Kilogramm Schokolade essen die Deutschen im Jahr. Gerade zur Weihnachtszeit sind die Supermärkte und Adventskalender voll mit Pralinen, Weihnachtsmännern und Lebkuchen. Der Hunger nach Schokolade hat bereits drei Millionen Hektar Waldflächen verschwinden lassen und damit wichtige Lebensräume zerstört. Dabei spielt gerade im Kakaoanbau die Artenvielfalt eine besondere Rolle.
Wenn Insekten zu Helden werden
Ohne einen winzigen Helfer gäbe es überhaupt keine Schokolade. Nicht die Bienen, sondern die Bartmücken (Ceratopogonidae) bestäuben die Blüten der Kakaobäume und sorgen so für gute Erträge. Das Problem: Der Pestizideinsatz im Kakaoanbau macht nicht nur Schädlingen den Garaus, sondern lässt auch die bestäubenden Insekten verschwinden. Weniger Mücken bedeuten somit auch weniger Kakao. Oft muss auf Kakaoplantagen bereits künstlich bestäubt werden. Die mühsame Handarbeit kann man sich aber auch sparen. Denn in einem vielfältigen Anbausystem mit Bäumen, Sträuchern und liegengelassenen Stämmen fühlen sich die kleinen Bestäuber besonders wohl. Happy Mücken = leckere Kakaobohnen. Nicht nur Insekten, sondern auch Vögel und andere Tiere finden so ein Zuhause.
100 verschiedene Arten statt Monokultur
Dies zeigt sich auch in unserem Projekt zu nachhaltigem Kakaoanbau in Ecuador, das durch die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützt wird. Die indigenen Kakaokooperativen nutzen ein jahrhundertealtes, traditionelles Anbausystem, das besonders vielfältig gestaltet ist: das Chakra-System. Bis zu einhundert verschiedene Pflanzenarten werden auf der gleichen Fläche angebaut. Zudem werden keine Pestizide eingesetzt. Oft ähneln die Anbausysteme einem kleinen Wald. Da fühlen sich dann auch zahlreiche heimische Tierarten wie Tapire, Gürteltiere, Faultiere, Kolibris und Aras wohl.
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Die Vielfalt in den Chakras hat auch Vorteile für die Menschen: Sie bauen auf ihren Flächen neben dem Kakao viele verschiedene Nahrungsmittel und medizinische Pflanzen an, etwa Bananen, Mangos, Zitrusfrüchte, Yucca, Vanille und Guayusa. Ein Besuch im Supermarkt ist bei dieser Vielfalt nicht notwendig. Zusätzlich haben die Landwirt:innen so stets Produkte, die sie verkaufen können. Damit sind sie unabhängiger vom Preiskampf im Kakaosektor als Landwirt:innen, die allein auf Kakao setzen.
Wie wir die Vielfalt bewahren können
Übrigens: Wenn wir von Verlust der Artenvielfalt sprechen, dann auch von Verlust der Geschmäcker. In Kolumbien, einem der artenreichsten Länder der Erde, gibt es 27 verschiedene Kakaosorten. Wenn es uns nicht gelingt, die Vielfalt auf dem Planeten zu erhalten, dann sind auch diese Kakaosorten bald Geschichte. Und je weniger Kakaosorten es gibt, desto anfälliger sind sie für Krankheiten. Ein Teufelskreis.
Ohne ein Umdenken in der Landwirtschaft lässt sich der Verlust von Ökosystemen nicht aufhalten. Ebenso wenig, wenn wir die Rechte und das Wissen von Indigenen nicht mit einbeziehen. Denn 80 Prozent der Biodiversität der Erde liegt in Gebieten, die von indigenen Gemeinschaften bewohnt werden. Unser Projekt zeigt, wie die Zukunft des Kakaoanbaus und eine inklusive Landwirtschaft aussehen könnten.
LIEBE Frau Kerstin Weber,
man sollte generell jegliches Gift weltweit in der Landwirtschaft verbieten. Dieses Gift was heute alles verwendet wird tötet auch die Würmen usw. im Boden ab.
Diese werden sehr benötigt denn sonst können die Pflazenteile nicht vernünftig in Humus verarbeitet werden. Genauso gibt es immer weniger Insekten und Bienen die unser Obstbäume und Sträucher sonstiges zur Bestäubung benötigt werden.
Eine weitere Frage an Sie muss der Mensch alles zerstören in der Natur, kann denn der Mensch nicht mit der Natur und nicht gegen die Natur leben???
Der Mensch könnte mit der Natur leben statt alles zu zerstören. Siehe z.B. den Satz aus dem Artikel zum Kakao-Anbau: „Die Vielfalt in den Chakras hat auch Vorteile für die Menschen“
Das Problem ist nur: es ist kurzfristig betrachtet schwieriger, vielleicht etwas weniger ertragreich. Langfristig wäre es besser.
Was kann der Verbraucher tun? Nur Bio-Produkte kaufen? Aber reicht ein Bio-Label der EU? Reicht vielleicht auch der Fair-Trade-Label?
Ritter Sport Schokolade stellt inzwischen den Anspruch nur nachhaltig angebauten Kakao zu verwenden. Ist das nachvollziehbar und richtig oder nur Greenwashing?
Ich weiß es nicht.
Schon immer habe ich mich gefragt, wofür Mücken eigentlich nützlich sind. Nun weiß ich es.
Was ich mich jetzt allerdings frage; was kann ich, als Endverbraucherin und Schokoladenliebhaberin, tun, um die Artenvielfalt zu schützen?
Wie erkenne ich und wie kann ich sicher sein, woher genau der Kakao kommt?
Liebe Frau Fröhling,
das ist eine gute Frage, die leider nicht ganz so einfach zu beantworten ist. Grundsätzlich sind Nachhaltigkeitssiegel beim Kauf von Schokolade eine hilfreiche Orientierung. Sie sollten aber immer kritisch hinterfragt werden, denn sie können zwar Standards zur Rückverfolgbarkeit und Nachhaltigkeit vorgeben, aber nicht immer die Einhaltung garantieren. Am besten für die Artenvielfalt ist der Anbau in einem vielschichtigen, diversen System, wie das Chakra-System in unserem Projekt in Ecuador: https://www.wwf.de/themen-projekte/projektregionen/amazonien/edelkakao-aus-agroforstsystemen/hueterinnen-des-waldes. Nur gibt es dafür noch kein Siegel. Wir empfehlen daher: Schokolade als Luxusgut behandeln und in Maßen genießen. Beim Kauf am besten auf eine Kombination von Bio-Schokolade in Kombination wie Fairtrade und Rainforest Alliance achten.
Beste Grüße,
Kerstin Weber